Historischer Rückblick aus dem Jahr 1972
Zusammenfassungen von Meldungen der Rathauskorrespondenz
Mai 1972
Mai
2.5.1972: Die Bedeutung der internationalen Organisationen für Wien
Die große wirtschaftliche Bedeutung der in Wien ansässigen internationalen Organisationen geht aus einer Untersuchung hervor, die das Wiener Institut für Standortberatung im Auftrag der Magistratsabteilung 22 durchgeführt hat: Allein die IAEO, die UNIDO und OPEC haben im vergangenen Jahr rund eine halbe Milliarde Schilling in Wien - hauptsächlich in Form von Löhnen und Gehältern - ausgegeben. Demgegenüber machen die bisher von österreichischer Seite für die internationale Atomenergiekommission und die Entwicklungshilfeorganisation der UN vorgenommenen Investitionen rund 200 Millionen Schilling aus.
Das WIST hat im Rahmen dieser Untersuchung überdies 60 internationale Organisationen in Genf, Paris, Brüssel, London, New York und Washington über die Chancen Wiens als Standort weiterer internationaler Organisationen befragt und dabei die Bestätigung erhalten, dass die Ausgangsposition Wiens als Hauptstadt eines neutralen Landes dafür sehr günstig beurteilt wird.
2.5.1972: Preise der Stadt Wien 1972
Die alljährlich zu vergebenden Preise für Kunst, Wissenschaft und Volksbildung werden heuer folgende Personen erhalten:
- Dr. Albert Drach
Dichtkunst - Hans Weigel
Publizistik - Rudolf Weishappel
Musik - Ernst Fuchs
Malerei - Otto Eder
Bildhauerei - Franz Hubmann
angewandte Kunst - Victor Gruen
Architektur - Univ.-Prof. Dr. Friedrich Nowakowski
Geisteswissenschaften - Univ.-Prof. Dr. Herbert Feigl
Naturwissenschaften - Msgr. Prof. Otto Mauer
Volksbildung
3.5.1972: Zum 60. Geburtstag: Kreisky gratuliert Slavik
Der Wiener Bürgermeister Felix Slavik feiert heute seinen 60. Geburtstag und erhielt zu diesem Anlass ein Glückwunschschreiben von Bundeskanzler Dr. Bruno Kreisky: "Ich wünsche weiterhin viel Glück und Erfolg in Deiner verantwortungsvollen Stellung als Bürgermeister unserer Bundeshauptstadt, an deren Wiederaufbau und heutigem Ruf in aller Welt Du durch Dein langjähriges Wirken maßgeblichen Anteil hast."
3.5.1972: 70. Geburtstag von Walter Slezak
Der Schauspieler, Regisseur und Fernsehautor Walter Slezak feiert heute seinen 70. Geburtstag.
Er wurde 1902 in Wien als Sohn des berühmten Sängers Leo Slezak geboren. Walter Slezak hatte schon von Kindheit an eine enge Verbindung mit Bühne und Oper, schlug aber nach Schule, Matura und Ausbildung die Beamtenlaufbahn ein. In den Zwanzigerjahren drehte die junge Sascha-Film-Gesellschaft ihre Monsterfilme unter Michael Kertesz (Michel Curtis) und da zog es auch Slezak zum Film. 1922 spielte er das erste Mal in dem Riesenfilm "Sodom und Gomorra". Es folgte eine Bühnenkarriere, vor allem in Berlin, der eine Filmtätigkeit im Stummfilm stets parallel ging. Gemeinsam mit Nora Gregor war er in dem Film "Michael" (1924) zu sehen, mit Lya de Putti in dem Film "Junges Blut" und mit Mary Kid in "Lulu". Er konnte sich danach auch im Tonfilm behaupten und spielte in "Spione im Savoy-Hotel" (1932). 1930 ging er in die USA und machte eine große Karriere. Einige seiner Filme:
"Sindbad, der Seefahrer" (1947), "Spy Hunt" (1950), "Weiße Frau am Kongo" (1953).
In den letzten Jahren war Walter Slezak auch als Regisseur, als Schauspieler und als Schriftsteller tätig. Sein 1962 zum ersten Mal in englischer Sprache erschienenes Buch über seinen Vater Leo Slezak wurde 1964 ins deutsche unter dem Titel "Wann geht der nächste Schwan?" übersetzt.
3.5.1972: Bürgermeister von Budapest in Wien
Der Bürgermeister von Budapest, Zoltan Szepvoelgyi, traf zu einem mehrtägigen Besuch in Wien ein. Er wird mit Wiener Kommunalpolitikern zu Gesprächen über Probleme der Stadtplanung, des Bauwesens und der Finanzen zusammentreffen.
4.5.1972: Stadtrat a. D. Dr. Robetschek gestorben
Dr. Ernst Robetschek, in der Zeit von 1950 bis 1953 Amtsführender Stadtrat der Geschäftsgruppe 7, Baubehördliche Angelegenheiten, ist im Alter von 60 Jahren gestorben. Dr. Robetschek war von 1945 bis 1953 Mitglied des Wiener Gemeinderates und in der Zeit von 1946 bis 1950 einer der Vorsitzenden des Wiener Gemeinderates.
5.5.1972: Hessischer Innenminister im Rathaus
Der hessische Staatsminister für Inneres, Hanns-Heinz Bielefeld, wurde heute von Bürgermeister Slavik im Wiener Rathaus empfangen.
5.5.1972: Antrittsbesuche
Der Schweizer Botschafter Dr. Oscar Rossetti und Dato M.M. Marican, Konsul von Malaysia, statteten Bürgermeister Slavik im Wiener Rathaus ihre Antrittsbesuche ab.
8.5.1972: Hundertwassers Fensterummalung nun in Mosaik
Friedensreich Regentag Hundertwasser tritt in nächster Zeit in der Andergasse in Hernals wieder in Aktion: Der Künstler hat sich bereiterklärt, seine für die Fernsehsendung "Wünsch dir was" hergestellte "Fensterverschönerung" an der Fassade eines Wohnhauses der Gemeinde Wien in Mosaik zu verlegen. Die Stadtverwaltung übernimmt die Material- und Verlegungskosten.
9.5.1972: Stadtphysikus Dr. Junker in den Obersten Sanitätsrat berufen
Der Leiter des Gesundheitsamtes der Stadt Wien, Stadtphysikus Dr. Ermar Junker, wurde von Ministerin Dr. Leodolter zum ordentlichen Mitglied des Obersten Sanitätsrates für die laufende Funktionsperiode 1970/1973 ernannt.
Der Oberste Sanitätsrat ist das beratende und begutachtende Organ für die Sanitätsrechtsangelegenheiten des Bundesministeriums für Gesundheit und Umweltschutz und setzt sich aus Fachleuten aus den wichtigsten Spezialgebieten der Medizin zusammen.
15.5.1972: E-Werke erhielten modernen Messwagen
Einen supermodernen Messwagen haben die Wiener E-Werke gekauft. Mit seinen Einrichtungen können Schäden an Kabeln, die in der Erde liegen, exakt geortet werden. Für die Ortung wird ein Impuls ausgesendet, der sich mit 164.000 Kilometer in der Sekunde bewegt - mehr als der halben Lichtgeschwindigkeit.
Die Wiener E-Werke unterhalten ein Leitungsnetz von 14.615 Kilometer Länge, davon sind rund 5.000 Kilometer Freileitungen und mehr als 9.500 Kilometer Erdkabel. Von den Kabeln, die in der Erde verlegt sind, entfallen 8.192 Kilometer auf Starkstromleitungen und 1.387 Kilometer auf Schwachstromleitungen.
Natürlich treten in diesem gewaltigen Netz immer wieder Schäden auf. Die genaue Ortung der Schadensstelle ist wichtig, damit nur eine möglichst geringe Aufgrabung nötig ist und nur ein möglichst kleines Stück des Kabels ausgewechselt werden muss.
Der neue Messwagen bietet dafür ideale Voraussetzungen. Er ist ungefähr so groß wie ein Röntgenwagen für Reihenuntersuchungen oder ein Fernseh-Übertragungswagen. Wie diese Fahrzeuge enthält er eine eigene Stromversorgungsanlage, kann sich im Einsatz also selbst mit Energie versorgen.
15.5.1972: Ehrenring für Albin Lesky
Österreichs prominentester Vertreter der klassischen Philologie, der emeritierte Prof. Dr. Albin Lesky, erhielt eine der höchsten Ehrungen, die die Stadt Wien zu vergeben hat. Bürgermeister Felix Slavik überreichte dem weltbekannten Gelehrten im Rathaus den Ehrenring der Bundeshauptstadt Wien.
In seiner Festansprache würdigte der Bürgermeister die hohen Verdienste des in Graz geborenen Philologen, der "ganze Generationen österreichischer Philologen nicht nur ausgebildet, sondern auch erzogen hat" - in der geradezu unwahrscheinlichen Zahl von 94 akademischen Lehrsemestern. Leskys wissenschaftliche Werke ("Die griechische Tragödie", "Geschichte der griechischen Literatur" etc.) wurden in viele Sprachen übersetzt, bedeutende Universitäten verliehen dem Österreicher den Ehrendoktorhut, so Athen, Gent, Glasgow, Saloniki und Graz.
16.5.1972: Kardiologische Klinik erreichte Dachgleiche
Im ehemaligen Garnisonshof des Allgemeinen Krankenhauses werden derzeit eine kardiologische Universitätsklinik und eine strahlentherapeutische Universitätsklinik errichtet. Während die Kardiologie in einem neuen, ebenerdigen Stahlbetonflachbau eingerichtet wird, ist für die Unterbringung der Strahlentherapie der Umbau eines Traktes des ehemaligen Garnisonspitals vorgesehen. Beim Flachbau für die Kardiologie wurde dieser Tage mit der Gleiche die Halbzeit erreicht. Das Erdgeschoss des ehemaligen Garnisonspital-Traktes wird Krankenstationen mit 52 Betten aufnehmen, der erste Stock die strahlentherapeutische Klinik. Eine weitere Krankenstation mit 26 Betten wird im Trakt gegenüber dem "Narrenturm" adaptiert. In einer gemeinsamen Eingangsgruppe werden für beide Kliniken ein neues Stiegenhaus und ein Krankenbettenaufzug geschaffen. Die Baukosten für das Gesamtvorhaben werden mit 52 Millionen Schilling, die Kosten für die medizinische Einrichtung mit rund 28 Millionen beziffert.
Davon entfallen generell auf die Stadt Wien 60 Prozent, auf den Bund 40 Prozent. Die wissenschaftlichen Geräte - Kosten etwa 12 Millionen Schilling (von den 28 Millionen für die Einrichtung) - werden vom Bund getragen.
17.5.1972: Wien sucht Kontakt mit Japan
Japans Handel und Industrie werden in der nächsten Zeit bei den Überlegungen für die Schaffung neuer Wirtschaftsstandorte Wien und Österreich stärker als bisher miteinbeziehen. Die Vertreter der japanischen Kammern wollen in Zukunft mit Wien in engere Kontakte treten. Das ist das erste, erfreuliche Ergebnis verschiedener Gespräche, die Stadtrat Diplomkaufmann Alfred Hintschig und der Geschäftsführer der Wiener Betriebsansiedlungsgesellschaft, Direktor Mayerhofer, in den letzten vierzehn Tagen in Osaka und Tokio geführt hatten.
19.5.1972: Parlamentarier spielen Fußball: "Ländermatch" Deutschland-Österreich
Heute trifft eine Delegation von rund 20 Abgeordneten des deutschen Bundestages in Wien ein. Sie kommt gewissermaßen in "offizieller Mission": die bundesdeutschen Gäste werden gegen eine Auswahl österreichischer Parlamentsabgeordneter ein Fußballmatch auf dem Wackerplatz bestreiten.
Die Bonner Parlamentarier, die Gäste der drei österreichischen Parlamentsklubs sind, werden auch eine Rundfahrt durch das alte und neue Wien unternehmen.
19.5.1972: Ehrenring der Stadt Wien für Carl Zuckmayer
Im Wiener Rathaus überreichte heute Bürgermeister Felix Slavik einem der größten lebenden Dramatiker, dem gebürtigen Rheinhessen Carl Zuckmayer, den Ehrenring der Bundeshauptstadt Wien.
23.5.1972: Bundeskanzler Willy Brandt im Wiener Rathaus
Der deutsche Bundeskanzler Willy Brandt besuchte Bürgermeister Felix Slavik im Wiener Rathaus und trug sich in das Goldene Buch der Stadt Wien ein.
24.5.1972: Ein "Wiener Blindengarten" für Jerusalem
Die Stadt Jerusalem wird einen Blindengarten erhalten, der nach den Prinzipien und Erfahrungen des Wiener Blindengartens angelegt wird. Die Stadt Wien wird für dieses Projekt Kosten in der Höhe von etwa zwei Millionen Schilling Übernehmen. Dieser Beschluss wurde heute im Stadtsenat gefasst.
Das Wiener Stadtgartenamt hat für das Projekt bereits Vorarbeiten geleistet. Der Blindengarten in Jerusalem wird auf einem Areal von etwa 6.000 Quadratmeter im Weichbild der Stadt angelegt werden.
24.5.1972: Olympia-Jause beim Bürgermeister
Bürgermeister Felix Slavik begrüßte heute die erfolgreichsten österreichischen Teilnehmer der olympischen Winterspiele im Wiener Rathaus. Zu dem Empfang waren die Eiskunstläuferin Trixi Schuba, die Ski-Asse Annemarie Pröll, Wiltrud Drexel, Heinrich Messner sowie von der Vier-Bob-Mannschaft Utz Chwalla, Josef Eder und Josef Oberhauser erschienen.
25.5.1972: Wien hat ein Weinbaumuseum
Im Nonnenstöckel der Villa Wertheimstein (19., Döblinger Hauptstrasse 96) hat Vizebürgermeisterin Gertrude Fröhlich-Sandner ein Weinbaumuseum eröffnet. Die Sammlung ist sowohl zu "Ebener Erd' " als auch in den großräumigen 500 Jahre alten Gewölben des einstigen Wirtschaftshofes der Tullner Dominikanerinnen untergebracht. Im Rahmen des Museums werden verschiedene Gerätschaften des Weinbaues, der Fassbinderei, Weinhauertrachten, Gegenstände des Brauchtums sowie Trinkgefässe aus verschiedenen Epochen gezeigt. Besondere Prunkstücke sind eine rieisige Weinpresse aus dem Jahre 1806 sowie eine aus der Zeit Maria Theresias stammende Winzerkrone aus Neustift am Wald. Darüber hinaus ist zahlreiches Bildmaterial vorhanden, das die 2000jährige Geschichte des Weinbaues in Wien illustriert.
26.5.1972: Aus dem Wiener Gemeinderat
Im heutigen Wiener Gemeinderat wurde beantragt, den Magistrat zu ermächtigen, beim Wasserwirtschaftsfonds für den ersten Bauabschnitt des linken Donausammlers ein Darlehen in der Höhe von 95,2 Millionen Schilling aufzunehmen, da sich die Gesamtkosten des Projekts von 200 auf 272 Millionen erhöht hätten. Der Antrag wurde einstimmig angenommen.
Weiters wurden genehmigt rund 233 Millionen Schilling für Vorhaben des Wiener U-Bahn-Baues: 52 Millionen Schilling sind für die Anschaffung des künftigen Wagenparks der U-Bahn und rund 134 Millionen Schilling für die weiteren Arbeiten im Bauabschnitt Friedensbrücke-Heiligenstadt vorgesehen. Rund 47 Millionen Schilling wurden für Vorarbeiten im Bauabschnitt Schwedenplatz - Rossauer Lände für die Linie U4 genehmigt.
27.5.1972: Benennung einer Wohnhausanlage
Die städtische Wohnhausanlage Kliebergasse 8 im 5. Bezirk (Margareten) trägt ab heute den Namen "Emmerich Sailer-Hof". Bürgermeister Slavik nahm die Benennung vor und würdigte dabei auch das Leben und Wirken von Emmerich Sailer.
Sailer wurde 1908 in Niederösterreich geboren. Als junger Mann arbeitete er - obwohl ausgebildeter Bautechniker - als Fuhrwerker. Im Februar 1934 war er an der Verteidigung des Reumann-Hofes maßgeblich beteiligt, er wurde am 16. Februar zum Tode verurteilt, später jedoch begnadigt. Im Zweiten Weltkrieg nahm er an den Kämpfen um Stalingrad teil und geriet in russische Gefangenschaft.
In der Zweiten Republik wirkte Sailer in der Sozialistischen Partei und zuletzt im Wiener Gemeinderat. Er verstarb im Jahre 1969.
29.5.1972: Slavik gibt Startzeichen für "Zweite Donau"
Hundert Jahre nach der ersten Donauregulierung (1870 bis 1875) nimmt Wien eine zweite große Veränderung am Strom in Angriff, um damit endgültig Hochwassergefahren zu bannen. Bürgermeister Slavik gab durch Auslösen einer Ramme - die zeitgemäße Form des Spatenstichs, wodurch die erste stählerne Bohle ins Erdreich getrieben wurde - das Startzeichen für das Bauvorhaben der "Zweiten Donau" und der Donauinsel zwischen Hauptstrom und neuem Hochwasserbett. Der Spatenstich-Platz im Inundationsgebiet beim Kraftwerk Donaustadt lag im künftigen Inselbereich.
Diese "Zweite Donauregulierung" soll in acht Jahren fertig sein, Kostenaufwand: 4,86 Milliarden Schilling.
31.5.1972: Stadtbaudirektor Prof. Koller Ehrensenator der Technischen Hochschule
Im Rahmen einer akademischen Feier aus Anlass des hundertjährigen Jubiläums des Hochschulstatuts von 1872, wodurch das damalige k. und k. polytechnische Institut in Wien den Rang einer Technischen Hochschule erhielt, wurde Stadtbaudirektor Honorarprofessor Dipl.-Ing. Dr. Rudolf Koller auf Beschluss des Professorenkollegiums der akademische Titel eines Ehrensenators der Technischen Hochschule Wien verliehen.