Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 18.01.1994:
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Rieder: "Medizinische Hauskrankenpflege droht zu scheitern"

Wien, 18.1. (RK-KOMMUNAL) Die Medizinische Hauskrankenpflege droht ampassiven Widerstand der Ärzte zu scheitern, sagte Gesundheitsstadtrat Dr.Sepp RIEDER am Dienstag in einem Pressegespräch. Ursache dafür ist derzwischen Ärztekammer und Hauptverband der Sozialversicherungsträgerausgehandelte Honorarvertrag. Denn seit Wirksamwerden des Vertrages sindimmer weniger Ärzte bereit, an der Medizinischen Hauskrankenpflegemitzuwirken. In der 2. Hälfte des Jahres 1993 ist es bei 3.462 Patienten,die von Mobilen Krankenschwestern betreut wurden, in nur 83 Fällen zu dervom Hauptverband vorgeschriebenen ärztlichen Mitwirkung gekommen. Dasentspricht einem Anteil von lediglich 2,3 Prozent.**** "Ich befürchte,daß auf diese Weise die gesundheitspolitische Errungenschaft dersozialversicherungsrechtlichen Absicherung der MedizinischenHauskrankenpflege durch eine Überbürokratisierung zum Flop wird", stellteRieder fest. Denn ohne ärztliche Mitwirkung wird die MedizinischeHauskrankenpflege das in sie gesteckte Ziel nicht erfüllen können, nämlichsonst notwendige Spitalsaufenthalte zu vermeiden.

Zwtl.: Rieder: "Honorarkonflikte nicht auf dem Rücken der Patienten austragen" Während vor der Honorarvereinbarung zwischen Ärztekammerund dem Hauptverband der Sozialversicherungsträger die MedizinischeHauskrankenpflege in Wien aufgrund einer Pauschalvereinbarung mit derWiener Gebietskrankenkasse und den anderen Sozialversicherungsträgern gutfunktioniert hat, kommt es jetzt immer häufiger dazu, daß die Ärzte die vomHauptverband vorgeschriebenen Formalitäten nicht zu erfüllen bereit sindund deshalb die Medizinische Hauskrankenpflege ablehnen. Seit demInkrafttreten des Vertrages zwischen dem Hauptverband derSozialversicherungsträger und der Ärztekammer mit 1. Juli 1993 sind dieniedergelassenen Ärzte unter anderem verpflichtet, den Krankheitsverlaufder Betreuten anhand eigener Formulare minutiös zu dokumentieren undzumindest einmal wöchentlich Rücksprache mit den behandelnden MobilenSchwestern zu halten. "Ich appelliere an das gesundheitspolitischeVerantwortungsbewußtsein der Vertragsparteien, Honorarkonflikte undStreitigkeiten über tatsächliche oder vermeintliche Überbürokratisierungnicht auf dem Rücken der Patienten auszutragen", so Stadtrat Rieder.

Zwtl.: Anspruch nur für 28 Tage Besondere Probleme ergeben sich beider Verlängerung der Medizinischen Hauskrankenpflege durch die Chefärzte:Laut ASVG besteht Anspruch auf "krankenhausersetzende MedizinischeHauskrankenpflege" nur für 28 Tage. Der Antrag auf Verlängerung muß durchden verordnenden Arzt spätestens bis zum 24. Tag dem Chefarzt derjeweiligen Krankenkasse übermittelt werden. Diesem bleiben somit drei Tage,um über die Verlängerung der Medizinischen Hauskrankenpflege über den 28.Tag hinaus zu entscheiden - eine Frist, die in der Praxis nicht eingehaltenwerden kann. Davon abgesehen ist schon wegen der Boykottierung derAnforderungen des Hauptverbandes durch die Ärzte nicht damit zu rechnen,daß die erforderlichen Verlängerungsanträge gestellt werden. Für denbetroffenen Patienten ergibt sich daraus, daß er selbst Kostenbeiträge füreine weitere Hauskrankenpflege leisten muß, selbst wenn sie noch weitermedizinisch indiziert und zur Vermeidung eines Spitalsaufenthaltesnotwendig wäre. Dies ist umso grotesker, als die Pauschalvereinbarung mitder Wiener Gebietskrankenkasse eine solche Verrechnung nicht notwendigmachen würde. Jedenfalls wird die Stadt Wien im Wege der MobilenKrankenschwestern alle Patienten bei den Bemühungen um Verlängerung derMedizinischen Hauskrankenpflege unterstützen, kündigte Rieder an. Übrigens sind nicht nur die Mobilen Krankenschwestern der Stadt Wien,sondern auch rund 50 selbständige oder in kleineren privaten Organisationentätige diplomierte Krankenschwestern betroffen, die MedizinischeHauskrankenpflege durchführen.

Zwtl.: Jährlich fast 260.000 Hausbesuche Die Einrichtung derHauskrankenpflege durch Mobile Krankenschwestern besteht seit 1975. Zielist es, Menschen bei Krankheit, Pflegebedürftigkeit und Altersgebrechen inder gewohnten Umgebung zu pflegen und zu betreuen, Krankenhausaufenthaltezu verhindern oder zu verkürzen sowie Pflegeheimeinweisungenhinauszuzögern. Zu den Leistungen der Mobilen Hauskrankenpflege gehörenunter anderem die Verabreichung von Injektionen, Infusionsüberwachungen,Blutzuckerkontrollen sowie Wundversorgungen. 1993 absolvierten die 109Mobilen Krankenschwestern der Stadt Wien insgesamt 256.000 Hausbesuche undversorgten in mehr als 170.000 Arbeitsstunden 4.928 Patienten. Davonerhalten mehr als 50 Prozent eine Medizinische Hauskrankenpflege im Sinnedes ASVG. (Forts. mgl.) nk/rr nnnn

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OTS080 1994-01-18/12:09