Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 16.10.1995:
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Modellprojekt zur Betreuung drogensüchtiger Schwangerer

Wien, 16.10. (RK-KOMMUNAL) Pro Jahr gibt es in Wien rund dreißigSchwangerschaften drogenabhängiger Frauen. Etwa zwei Drittel dieser Frauenwerden im AKH in einem seit rund einem Jahr laufenden Modellversuchbetreut. Am Montag stellte Gesundheitsstadtrat Vizebürgermeister Dr. SeppRIEDER gemeinsam mit Roswitha FRIEDL, Referatsleiterin der MA 11 - Amt fürJugend und Familie -, Univ.-Prof. Dr. Peter HUSSLEIN (Leiter der Abteilungfür Geburtshilfe und Gynäkologie an der Universitätsklinik) und demDrogenbeauftragten der Stadt Wien, Dr. Alexander DAVID, dieseösterreichweit einzigartigen, umfassenden Betreuungstrategien fürdrogensüchtige Schwangere vor.

Zwtl.: Integrierte Wiener Drogenpolitik auch in der Schwangerenbetreuung Im Sinne der "Integrierten Wiener Drogenpolitik" gibt es in Wien keine"Drogen-Entbindungsstation" oder "Drogen-Kinderstation". Vielmehr werdenalle drogenabhängigen Schwangeren in schon bestehenden "öffentlichen"Einrichtungen betreut. So erreicht man, daß die schon durch ihreDrogenprobleme an den Rand der Gesellschaft gedrängten Frauen nicht nochweiter ghettoisiert werden. Mit der optimalen medizinischen undpsychosozialen Betreuung während und auch nach der Schwangerschaft möchteman den Frauen eine Starthilfe in ein neues Leben geben. Das Ziel, ein Kindzu bekommen, gibt in vielen Fällen den Frauen genug Kraft, um sich so weitzu stabilisieren, um selbst für das Kind sorgen zu können. Zwei Drittel deram AKH behandelten Frauen sind dazu in der Lage.****

Zwtl.: Enge interdisziplinäre Kooperation Entscheidender Vorteildieses Programms ist die enge Zusammenarbeit aller beteiligten Abteilungenam AKH und der betroffenen Magistratsabteilungen. Nur so kann gewährleistetwerden, daß den schwangeren Frauen jede mögliche Hilfe und Informationgegeben werden kann. In dieses Konzept sind am AKH vier Abteilungeneingebunden: Die Abteilung für Geburtshilfe und Gynäkologie (LeitungUniv.-Prof. Dr. Peter HUSSLEIN), die Abteilung für Neonatologie, angeboreneStörungen und Intensivmedizin (Leitung Univ.-Prof. Dr. Arnold POLLAK), dieDrogenambulanz der Abteilung für Allgemeine Psychiatrie (Leitung Univ.Prof.Dr. Siegfried KASPER) und die HIV-Ambulanz an der Abteilung fürImmundermatologie und infektiöse Hautkrankheiten (Leitung: Prof. Dr. GeorgSTINGL). Die Mitarbeiter versuchen in abteilungsübergreifenderZusammenarbeit, den betroffenen Frauen optimale Hilfe zu leisten. ErsteAnlaufstelle ist die Abteilung für Geburtshilfe und Gynäkologie. Dortversucht man die Frauen sowohl gynäkologisch zu betreuen als auch eineentsprechende Behandlung ihrer Drogenabhängigkeit an den Drogenambulanzensicherzustellen. Um den Schwangerschaftsverlauf möglichst unkompliziert zugestalten, sind permanente Kontrollen und Therapien notwendig. Ein Zieldieser Maßnahmen istes , daß bei den Frauen zum Zeitpunkt der Geburt keineproblematische Substanzabhängigkeit mehr besteht. Dies wird in der Regeldurch eine schonenden Substitutionsbehandlung erreicht. Parallel dazuwerden die Frauen auch intensiv psychosozial betreut. Für HIV-positiveFrauen gibt es an der HIV-Ambulanz der Abteilung für Immundermatologie undinfektiöse Hautkrankheiten während der Schwangerschaft spezielle Tests, diefür den Geburtshelfer notwendig sind, um die betroffenen Frauen genau überdie bestehenden Risken für sie und ihr Kind aufklären zu können. Natürlichwird diese Betreuung auch nach der Entbindung fortgesetzt. Bei 50 bis75 Prozent der Säuglinge treten Entzugserscheinungen auf. An der Abteilungfür Neonatologie, angeborene Störungen und Intensivmedizin werden dieKinder so lange wie notwendig betreut.

Zwtl.: Betreuung und Hilfe durch SozialarbeiterInnen Schon während derSchwangerschaft und den begleitenden medizinischen Maßnahmen werden dieFrauen von am AKH tätigen diplomierten SozialarbeiterInnen kontaktiert.Zwei SozialarbeiterInnen der MA 15 - Gesundheitswesen - sind ständig an derDrogenambulanz der Abteilung für Psychiatrie tätig. So können sie dieSchwangeren, die den ersten Kontakt über die Drogenambulanz suchen, schonvon Anfang an betreuen. Zuerst wird das soziale Umfeld der Frauenuntersucht. Gibt es hier Probleme mit der Wohnung, dem Arbeitsplatz, in derBeziehung oder Probleme finanzieller Art, so versuchen dieSozialarbeiterInnen gemeinsam mit den Patientinnen konkrete Lösungen zufinden. Enge Kontakte zu den Sozialarbeiterinnen der MA 11 - Amt fürJugend und Familie -, die an der Abteilung für Geburtshilfe und Gynäkologietätig sind, erleichtern die Koordination der einzelnen begleitendenpsychosozialen Maßnahmen.

Zwtl.: Ständige Betreuung durch das Jugendamt Die diplomiertenSozialarbeiterInnen am AKH helfen den schwangeren Frauen bei erstenKontakten zum Jugendamt. Ein früher Kontakt ist deswegen sinnvoll, weil diezuständigen Behörden sich ein vollständiges Bild der Situation machenkönnen. So kann nach der Geburt in voller Kenntnis der Umstände dieEntscheidung über den weiteren Verbleib des Kindes getroffen werden. Würdedas Jugendamt erst nach der Geburt informiert werden, so bliebe wenig Zeit,sich umfassend zu informieren. Die Gefahr, daß die Entscheidung gegen denVerbleib des Kindes bei der Mutter ausfällt, ist groß. Kinder, die insolchen Problemumfeldern aufwachsen, sind in späteren Jahren selbst sehrstark gefährdet, in eine der Problemgruppen mit Sucht-, Sozial- oderVerhaltensproblemen abzurutschen. Mit diesem Programm wird versucht, solchegenerationsüberschreitende Fehlentwicklungen zu verhindern. Wenn notwendig,werden Kinder bis zum Schulalter und darüber hinaus vom Jugendamt betreut.

Zwtl.: Broschüre "Schwangerschaft und Drogenkonsum" Unter der Leitungvon Univ.-Prof. Dr. Peter HUSSLEIN wurde an der Abteilung für Geburtshilfeund Gynäkologie an der Universitätsklinik für Frauenheilkunde am AKH Wieneine Broschüre zusammengestellt, die den betroffenen Frauen eine ersteumfassende Information ermöglicht. In dieser Broschüre sind neben konkretenmedizinischen Informationen alle relevanten Anlauf- und Informationsstellenangeführt.

Zwtl.: Neue "Mutter-Kind-Gruppe" Seit einigen Wochen gibt es auch eineMutter-Kind-Gruppe, die, geleitet von einer diplomierten Sozialarbeiterinder MA 15, in Räumlichkeiten der MA 11 (Wien 2, Engerthstraße 249 - 253)drogensüchtigen Müttern zur Verfügung steht. Für Mütter mit Kindern bis zusechs Jahren wird im Rahmen dieser Gruppe versucht, in therapeutischenSitzungen auch nach der Entbindung, Hilfe zu leisten. Informationen überdie Gruppe gibt es bei der Leiterin, Hermi SCHMIDHOFER (Tel.: 53 114/87273). (Schluß) nk/gal nnnn

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