Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 23.01.1996:
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Gleichbehandlungsgesetz vor Beschluß

Wien, 23.1. (RK-KOMMUNAL) Das "Wiener Gleichbehandlungsgesetz" wird nach ausführlichen Beratungen der Fraktionen in drei Sitzungen des diesbezüglichen Unterausschusses auf der Tagesordnung der Landtagssitzung am Freitag, dem 26. Jänner stehen. Im Personalausschuß wurde es am Montag mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und ...

Wien, 23.1. (RK-KOMMUNAL) Das "Wiener Gleichbehandlungsgesetz" wird nach ausführlichen Beratungen der Fraktionen in drei Sitzungen des diesbezüglichen Unterausschusses auf der Tagesordnung der Landtagssitzung am Freitag, dem 26. Jänner stehen. Im Personalausschuß wurde es am Montag mit den Stimmen von SPÖ, ÖVP und FPÖ beschlossen. In Kraft treten kann das neue Gesetz nach Verstreichen der achtwöchigen Einspruchsfrist der Bundesregierung und erfolgter Kundmachung, voraussichtlich im April 1996.

Das Gleichbehandlungsgesetz wird Frauen gezielt dabei unterstützen, sich in bisher männerdominierten Bereichen durchzusetzen. Damit besteht einerseits die Chance, mehr Frauen in Entscheidungspositionen zu etablieren, andererseits neue Berufsfelder im Bereich der Verwaltung und Betriebe der Stadt Wien zu erschließen, berichteten Vizebürgermeisterin Grete LASKA und Personalstadtrat Johann HATZL Dienstag im Pressegespräch des Bürgermeisters.****

Gegenüber dem Erstenwurf gibt es nur in einigen Details Änderungen. So wird nun die Weisungsfreiheit der Mitglieder der Gleichbehandlungskommission, der Gleichbehandlungsbeauftragten und der Kontaktfrauen noch deutlicher unterstrichen. Die Bestellung von Kontaktfrauen wird zwingend vorgeschrieben, sofern in der Dienststelle eine Kandidatin zur Verfügung steht. Das diesbezügliche Vorschlagsrecht haben die Arbeitsgruppe für Gleichbehandlungsfragen, der Dienststellenausschuß der Personalvertretung und gegebenenfalls der Betriebsrat. Die Frauenförderungspläne sind nun zu veröffentlichen.

Die Intentionen des Gesetzes, das sich auf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Stadtverwaltung und der Wiener Stadtwerke bezieht, werden in den allgemeinen Bestimmungen zusammengefaßt: "Auf Grund des Geschlechtes darf im Zusammenhang mit einem Dienstverhältnis ... niemand unmittelbar oder mittelbar diskriminiert werden". Dies umfaßt die Begründung des Dienstverhältnisses, die Festsetzung des Entgelts, die Gewährung freiwilliger Sozialleistungen, die kein Entgelt darstellen, die Aus- und Weiterbildung, die Betrauung mit höherwertigen Funktionen, die "sonstigen Arbeitsbedingungen" und eine allfällige Beendigung des Dienstverhältnisses. Diskriminierungen im Sinne des Gesetzes ("benachteiligende Ungleichbehandlung ohne sachliche Begründung") werden nach den dienst- und disziplinarrechtlichen Vorschriften zu ahnden sein. Bei der Aufnahme, beim beruflichen Aufstieg und bei der Aus- und Weiterbildung soll es Bevorzugungen von Frauen geben.

Bei Einstellungen oder Postenbewerbungen dürfen laut dem Gesetzesentwurf bestehende oder frühere Unterbrechungen der Erwerbstätigkeit, Teilzeitbeschäftigungen, abzusehende zeitliche Belastungen durch die Betreuung von Kindern oder die Absicht, von der Möglichkeit der Teilzeitbeschäftigung Gebrauch zu machen - Umstände, die großteils auf Frauen zutreffen - nicht als diskriminierende Kriterien herangezogen werden. Die Erfordernisse und Aufgaben in Postenausschreibungen sind so zu formulieren, daß sie Frauen und Männer gleichermaßen betreffen, außer wenn aufgrund bestehender gesetzlicher Beschränkungen ein bestimmtes Geschlecht unverzichtbare Voraussetzungen für die Ausübung der vorgesehenen Tätigkeit ist.

Bevorzugung von Frauen

Definitive Bevorzugungen von Frauen wird es bei gleicher Qualifikation in jenen Bereichen (Dienststellen und Funktionen) geben, in denen Frauen "unterrepräsentiert" sind. Dies gilt dann als gegeben, wenn "der Anteil der Frauen an der Gesamtzahl weniger als 40 Prozent beträgt". Bei Aufnahmen sollen Frauen nicht benachteiligt werden, die zur Pflege oder Betreuung von Kindern, die das 12. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, oder nahe Angehörige (nach maximal vier Jahren) aus dem Dienst geschieden und seither keiner anderen Erwerbstätigkeit nachgegangen sind. Bei der Betrauung mit höherwertigen Funktionen sind Frauen mit gleicher Qualifikation zu bevorzugen, solange sie in diesen Funktionen unterrepräsentiert sind.

Frauenförderungspläne

Der Bürgermeister hat für den Bereich jeder Geschäftsgruppe, der Magistratsdirektion und sonstiger Dienststellen "Frauenförderungspläne" auf einen Zeitraum von sechs Jahren zu erlassen, die alle zwei Jahre an die aktuelle Entwicklung anzupassen und zu veröffentlichen sind. Sie sollen konkrete Vorgaben für die Erhöhung des Frauenanteils in den einzelnen Bereichen enthalten, Zeitvorgaben und die detaillierte organisatorische Planung. Grundlagen der Frauenförderungspläne haben alle zwei Jahre zu erfolgende Bestandsaufnahmen und Analysen der Beschäftigungsstruktur sowie der voraussichtlich zu besetzenden Dienstposten und Funktionen zu sein. Auf dieser Basis ist festzulegen, mit welchen personellen, organisatorischen, aus- und weiterbildenden sowie baulichen und sonstigen raumschaffenden Maßnahmen Unterrepräsentationen von Frauen beseitigt werden sollen.

Gleichbehandlungskommission

Die "Gleichbehandlungskommission" soll jene Stelle sein, die zu beurteilen haben wird, ob im Einzelfall eine Verletzung des Gleichbehandlungsgesetzes vorliegt, und zu künftigen Gesetzen und Verordnungen auf diesem Gebiet Stellungnahmen abzugeben hat.

Die Kommission wird durch zwei Vertreterinnen der mit Frauenförderung und Koordinierung von Frauenangelegenheiten befaßten Dienststelle der Stadt Wien (MA 57), zwei mit Personalangelegenheiten befaßten Bediensteten, zwei Gleichbehandlungsbeauftragten und je einem Vertreter/einer Vertreterin der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten und der Personalvertretung besetzt werden. Die Mitglieder der Kommission sind in Ausübung ihres Amtes selbständig, unabhängig und an keine Weisungen gebunden.

Gleichbehandlungsbeauftragte

Für die Dienststellen der Gemeinde Wien werden fünf "Gleichbehandlungsbeauftragte" mit je einem Stellvertreter/einer Stellvertreterin bestellt. Die Bestellung erfolgt für fünf Jahre. Sie haben alle Wünsche, Beschwerden, Anregungen oder Anzeigen innerhalb ihres Wirkungsbereiches entgegenzunehmen und zu beantworten, ihnen zur Kenntnis gelangenden Diskriminierungen nachzugehen und gegebenenfalls unmittelbar bei der Disziplinarbehörde Anzeige zu erstatten.

Weiters wird eine "Arbeitsgruppe für Gleichbehandlungsfragen" eingesetzt, deren Hauptaufgabe es sein wird, die Frauenförderungspläne und einen jährlichen Bericht über die Verwirklichung der geplanten Vorhaben zu erstellen. Sie soll aus den Gleichbehandlungsbeauftragten und VertreterInnen der MA 57, der Verwaltungsakademie, der Gewerkschaft und der Personalvertretung zusammengesetzt sein.

Kontaktfrauen

Auf der Ebene der Dienststellen sollen, ebenso wie im Gleichbehandlungsgesetz des Bundes, sogenannte "Kontaktfrauen" das Gesetz mit Leben erfüllen. Auf vertraulicher Basis wird es Aufgabe der Kontaktfrauen sein, Dienstnehmerinnen zu beraten, zu unterstützen und in direktem Kontakt zu den einzelnen für alle Anfragen, Wünsche und Beschwerden zur Verfügung zu stehen.

Berichtspflicht

Jeder Amtsführende Stadtrat und der Magistratsdirektor müssen alle zwei Jahre dem Bürgermeister über den Stand der Verwirklichung der Gleichbehandlung in ihren Bereichen berichten. Dieser hat seinerseits einen umfassenden Bericht dem Gemeinderat vorzulegen.

Sexuelle Belästigung

Als Diskriminierung aufgrund des Geschlechts wird auch sexuelle Belästigung definiert, egal ob durch einen Vertreter des Dienstgebers (Vorgesetzten) oder durch Dritte. Der Dienstgeber hat jedenfalls Abhilfe zu schaffen. Dabei gilt als sexuelle Belästigung, was die Würde einer Person beeinträchtigt, als unerwünscht, unangebracht oder anstößig empfunden wird und "eine einschüchternde, feindselige oder demütigende Arbeitsumwelt für die betroffene Person schafft."

Schadenersatz

Neben den disziplinarrechtlichen Konsequenzen sieht das Gesetz finanziellen Schadenersatz für Betroffene vor. Jemand, der als Bewerberin aufgrund seines Geschlechtes nicht zum Zug kommt, kann bis zum Fünffachen einer bestimmten Gehaltstufe erhalten. Wer aufgrund seines Geschlechtes ein geringeres Entgelt bekommt, hat Anspruch auf Bezahlung der Differenz. Ebenfalls schadenersatzpflichtig ist der Arbeitgeber, wird eine Bedienstete/ein Bediensteter "durch eine Verletzung des Gleichbehandlungsgesetzes nicht mit einer höherwertigen Funktion betraut". "Angemessener Schadenersatz", mindestens jedoch 5.000 Schilling, steht auch bei "sexueller Belästigung" zu. (Forts.mgl.) roh/bs

(RK vom 23.01.1996)