Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 21.03.1997:
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Wiener Gemeinderat (9)

Wien, 21.3. (RK-KOMMUNAL) Zwei Oppositionsparteien in diesem Haus betrieben eine Politik mit der Angst der Menschen, die eine mit der Angst vor Fremden, die andere mit der Angst vor dem Unbekannten, meinte GR Pfeiffer (ÖVP). Für ihn sei die Gentechnik die logische Fortsetzung der Evolution schlechthin, es müsse aber ...

Wien, 21.3. (RK-KOMMUNAL) Zwei Oppositionsparteien in diesem Haus betrieben eine Politik mit der Angst der Menschen, die eine mit der Angst vor Fremden, die andere mit der Angst vor dem Unbekannten, meinte GR Pfeiffer (ÖVP). Für ihn sei die Gentechnik die logische Fortsetzung der Evolution schlechthin, es müsse aber auch eine verantwortungsbewußte Risikominimierung gemacht werden. Wien dürfe kein Kolonialland für High Tech werden, sondern sollte sich an die Spitze dieser Technik stellen. Aus diesem Grund brachte er gemeinsam mit der SPÖ einen Beschluß- und Resolutionsantrag ein, um die Verantwortung des Gemeinderats für die Gentechnik festzuhalten.

Es habe schon zahlreiche Untergangs- und Heile-Welt-Propheten gegeben, sagte GR Dr. STIX (FPÖ). Beiden gemeinsam sei, daß sich beide immer geirrt hätten. Im Bereich der Gentechnik sei sicherzustellen, daß die Risken für die Bevölkerung ausgeschlossen werden, aber auch der medizinische Fortschritt sichergestellt werden müßte.

Die Bevölkerung sei zum Teil zu wenig bzw. falsch informiert, erklärte GR EFFENBERG (SPÖ). Aufgrund der allgemeinen Uninformiertheit werde wieder ein Spiel mit der Angst betrieben, notwendig sei, die Menschen ehrlich aufzuklären. Bei den Freisetzungen gentechnisch veränderter Organismen könne er sich durchaus noch Verschärfungen vorstellen, wichtig seien auch entsprechende Produktdeklarationen und vor allem die Positiv-Deklaration. Er brachte einen Beschluß- und Resolutionsantrag ein, in dem der Nationalrat aufgefordert wird, ein Wiener Memorandum im Zusammenhang mit der Gentechnik zu beschließen.

GR Dr. TSCHIRF (ÖVP) führte aus, das sensible Thema der Gentechnik dürfe nicht verteufelt werden, sondern es müßten Probleme aufgezeigt werden. Auch dürfe der Wirtschaftsstandort Wien sich nicht aus der Naturwissenschaft ausklinken. Er brachte einen Beschlußantrag ein, eine Enquete im Rahmen der Stadt Wien zum Thema Gentechnologie abzuhalten.

Das Volksbegehren zur Gentechnologie sei so wichtig, weil die EU-Vorschriften zur Kennzeichnung zu vage seien und auch das österreichische Gesetz nicht ausreiche, meinte GR Susanne KOVACIC (FPÖ). Im Rahmen der EU müsse durchgesetzt werden, daß die strengen österreichischen Umweltgesetze beibehalten werden könnten. Sie wolle sich nicht gegen die Wissenschaft und Forschung stellen, trete aber nachdrücklich dafür ein, sich auf Grundfragen der Ethik zu besinnen.

GR Mag. KARL (ÖVP) wandte sich gegen das Spiel mit der Angst, wie er die vorgetragenen Befürchtungen bezeichnete. Er sehe vor allem die großen Chancen in der Medizin, die durch die Gentechnologie, etwa bei der Behandlung Krebskranker, AIDS-Kranker und Muskelkranker gegeben seien.

Es gehe nicht um Angstmachen, sondern um Aufklärung, betonte GR KENESEI (G). Bei der Gentechnik handle es sich um Vorgänge, bei denen es kein Zurück mehr gebe, wenn einmal genmanipulierte Produkte in der Lebensmittelkette freigesetzt worden seien.

ABSTIMMUNG: Die Subvention für die Boltzmann-Stiftung wurde einstimmig beschlossen. Die Anträge von SPÖ und ÖVP betreffend Gentechnologie bzw. ein Wiener Memorandum wurden mit Stimmenmehrheit angenommen, der Antrag betreffend die Enquete wurde einstimmig zugewiesen. Die LIF-Anträge betreffend Haftungsfragen und Ablehnung der Patentierung von Leben wurde einstimmig angenommen. Weitere Anträge des Liberalen Forums und der Grünen blieben in der Minderheit. (Forts.) end/rr

(RK vom 21.03.1997)