Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 24.04.1997:
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Wiener Gemeinderat (10)

Wien, 24.4. (RK-KOMMUNAL) Wenn die SPÖ bei ihrer Haltung bleibe, Gemeindebauten ausländerfrei zu halten, dann verstehe er den ÖVP-SPÖ-Antrag nicht, sagte GR Mag. CHORHERR (G). Mit einem derartigen "Wischi-Waschi-Antrag" verschleiere die SPÖ ihre tatsächliche Politik. Die SPÖ sei von Stagnation und Feigheit statt von ...

Wien, 24.4. (RK-KOMMUNAL) Wenn die SPÖ bei ihrer Haltung bleibe, Gemeindebauten ausländerfrei zu halten, dann verstehe er den ÖVP-SPÖ-Antrag nicht, sagte GR Mag. CHORHERR (G). Mit einem derartigen "Wischi-Waschi-Antrag" verschleiere die SPÖ ihre tatsächliche Politik. Die SPÖ sei von Stagnation und Feigheit statt von Mut geprägt. Zur sozialen Situation im Gemeindebau zitierte Chorherr eine IFES-Studie, nach der 15 Prozent der Haushalte im Gemeindebau ein monatliches Nettoeinkommen von mehr als 30.000 Schilling hätten, neun Prozent sogar über 40.000. Die Hälfte der Gutverdiener zahle nach dieser Studie monatlich weniger als 4.000 Schilling Zins inklusive Betriebskosten. Der Anteil an Haushalten mit einem Nettoeinkommen von über 30.000 Schilling betrage im Gemeindebau 24 Prozent und ist damit höher als in den Mietwohnungen im Privatbesitz mit 22,4 Prozent.

GR KREISSL (FPÖ) betonte, die Freiheitlichen seien gegen Ausländer im Gemeindebau. Während Grüne, LIF und Volkspartei für die Öffnung seien, praktiziere das die SPÖ tatsächlich. Am Beispiel Hugo-Breitner-Hof in Penzing sei das bewiesen. Der Mieter werde vorzeitig eingebürgert, dann ziehen sechs und mehr Ausländer nach, wobei sogar ein Überbelag entstehe. Diese Praxis lehne die FPÖ ab, das sei eine bewußte Wählertäuschung.

GR Mag. Sonja WEHSELY (SPÖ) meinte, die Freiheitlichen seien uneinsichtig. Offensichtlich wisse Kreißl nicht, daß Menschen mit schwarzer Hautfarbe mit der Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft nicht automatisch eine weiße Hautfarbe bekämen. Die SPÖ werde weiter für ein Miteinander eintreten. Die Freiheitlichen hätten keine Problemlösungskompetenz und betrieben eine zynische, menschenverachtende Politik. Eine sofortige Öffnung der Gemeindebauten für Ausländer würde der Integration einen schlechten Dienst erweisen und das Miteinander unmöglich machen.

GR Josef WAGNER (FPÖ) sprach von einer Verunsicherung innerhalb der Sozialdemokraten. Der Konflikt zwischen Bürgermeister Häupl und Minister Einem sei nicht gelöst, und der SPÖ-Klub im Rathaus lasse den Bürgermeister alleine. Viele Ausländer wohnten bereits in Gemeindebauten. Wagner forderte zum gemeinsamen Widerstand gegen die Öffnung der Gemeindebauten für Ausländer auf.

GR PÖSCHL (LIF) bezeichnete den Antrag der Koalitionsparteien als unredlich, daher werde das LIF diesen Antrag ablehen.

GR Dipl.-Ing. Dr. PAWKOWICZ (FPÖ) meinte, in der SPÖ gehe es vor dem Landesparteitag drüber und drunter. Eine SPÖ-interne Auseinandersetzung werde in den Gemeinderat getragen. Die Politik der SPÖ führe dazu, daß ihr ihre Wähler davonlaufen. Diese ehemaligen anständigen Sozialdemokraten seien bei der FPÖ gut aufgehoben. Zum Thema Ausländer im Gemeindebau regte Pawkovicz eine Urabstimmung in den Gemeindebauten an, die zeigen solle, ob die Bevölkerung mit einer derartigen Öffnung einverstanden sei.

GR Dr. TSCHIRF (ÖVP) warf den Grünen vor, eine reine Parteipolitik zu betreiben und forderte die Freiheitlichen auf, sich von Diktionen aus den 30er Jahren zu distanzieren. Der gemeinsame Antrag gebe die Möglichkeit zu einer eingehenden Diskussion des Problems. Das Nein des LIF bezeichnete Tschirf als "Gag".

GR HATZL (SPÖ) trat für eine umfangreiche Diskussion auch innerhalb der Parteien ein. Eine Urabstimmung im Gemeindebau über die Öffnung lehnte Hatzl ab, das nächste Mal könnte dann nicht nur über Ausländer, sondern auch über Behinderte, Kinder und sozial Schwache abgestimmt werden.

ABSTIMMUNG: In namentlicher Abstimmung wurde der Antrag der Koalitionsparteien, im Interesse einer besseren Durchmischung und Integration der Ausländer im öffentlichen und gemeinnützigen Wohnbau ein Maßnahmenpaket auszuarbeiten, mit den Stimmen der Koalitionsparteien, SPÖ und ÖVP, angenommen.

Ein Antrag der Grünen zur Öffnung der Gemeindebauten für AusländerInnen wurde in namentlicher Abstimmung mit Mehrheit abgelehnt. (Forts.) fk/be

(RK vom 24.04.1997)