Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 21.10.1997:
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Wiener Landtag (3)

Wien, (OTS) Finanzstadträtin Mag. Brigitte Ederer (SPÖ) und Landeshauptmann-Stellvertreter Dr. Bernhard Görg (ÖVP) meldeten sich mit einer Mitteilung zum Thema "Wien in der EU - aktuelle Fragen in der europäischen Integration" zu Wort. Die Erweiterung der EU in Richtung Mittel- und Osteuropa überwinde endgültig den ...

Wien, (OTS) Finanzstadträtin Mag. Brigitte Ederer (SPÖ) und Landeshauptmann-Stellvertreter Dr. Bernhard Görg (ÖVP) meldeten sich mit einer Mitteilung zum Thema "Wien in der EU - aktuelle Fragen in der europäischen Integration" zu Wort.

Die Erweiterung der EU in Richtung Mittel- und Osteuropa überwinde endgültig den unsichtbaren Graben, der Europa jahrzehntelang durchzogen hatte, sagte StR. Ederer. Die Osterweiterung sei auch als ganz wichtiges Projekt der Friedenssicherung zu sehen. Es reiche freilich nicht, die Osterweiterung zu befürworten und sich keine Gedanken um die entstehenden Kosten und die wirtschaftlichen Auswirkungen zu machen. Zu den Kosten sagte Ederer, es müsse klargestellt sein, daß die gegenwärtigen Mitgliedstaaten nicht über ihre wirtschaftlichen Möglichkeiten hinaus belastet würden. Auch müsse es unter den Mitgliedstaaten zu Anpassungen der Gemeinschaftsfinanzierung kommen. Wie Ederer weiter ausführte, dürfe trotz größtmöglichem Kostenbewußtsein das Prinzip der Solidarität nicht aus den Augen verloren werden. Ein gemeinsames Europa erfordere in einem sinnvollen Ausmaß die Unterstützung Schwächerer.

Wien fordere in bezug auf die Verwirklichung der vollen Freizügigkeit der Arbeitnehmer Übergangsregelungen. Volle Freizügigkeit könne es erst geben, wenn das Lohnniveau ein gewisses Mindestniveau, gemessen am EU-Durchschnitt, erreicht habe. Durch die geographische Nähe zu Osteuropa stelle sich das Problem der Unternehmensabwanderung, auch das grenzüberschreitende Anbieten von Dienstleistungen sei leicht möglich. Wien fordere die Schaffung einer explizit auf diese Räume ausgerichteten EU- Förderung.

Zur Währungsunion sagte Ederer, diese sei eines der entscheidenden Projekte der europäischen Integration. Sie werde einen wesentlichen Beitrag zur politischen Stabilität Europas leisten. Eine Reihe von Voraussetzungen werde sichern, daß der Euro eine harte Währung sein werde. Dazu gehörten die Konvergenzkriterien, der Stabilitätspakt und vor allem die strikt auf Währungsstabilität ausgerichteten Zielsetzungen der Europäischen Zentralbank.

Der Beitritt zur Währungsunion erfordere eine Reihe von konkreten Vorbereitungsmaßnahmen. Dies betreffe die Umstellung der Verwaltung von Schilling auf den Euro. Dabei wurde entschieden, daß die Verwaltung der Gemeinde bis zum 31. Dezember 2001 in Schilling zu führen sei, um die Kosten der Führung von zwei Rechenwerken zu vermeiden. Die erforderlichen Gesetzesänderungen müßten im Landtag bis 31. Dezember 2001 sichergestellt sein. Wien unterstütze alle Anstrengungen, die Umstellung für die Konsumenten zu erleichtern und zu verhindern, daß es durch die Umstellung zu ungerechtfertigten Preiserhöhungen komme.

Die österreichische Bevölkerung habe vor zweieinhalb Jahren mit überwältigender Mehrheit "Ja" zu Europa gesagt, und jeder Tag seit dem Beitritt habe bewiesen, daß diese Entscheidung richtig war, betonte Landeshauptmann-Stellvertreter Dr. Görg. Die Teilnahme Österreichs war und sei ein wesentlicher Schritt in Richtung Frieden und Prosperität. Dies, obwohl Europa kein Rezept gegen Arbeitslosigkeit gefunden habe. Wer behaupte, das bessere Rezept wäre die Nichtteilnahme gewesen, der lüge oder sage dies wider besseren Wissens. Ohne diese Entscheidung würden internationale Investoren Wien links liegenlassen und die Stadt hätte eine galoppierende Arbeitslosigkeit.

Er bekenne sich dazu, am Euro zum frühesten Zeitpunkt teilzunehmen, sagte Görg. Er kenne viele Kritiker, die dem Euro zwar positiv gegenüberstünden, denen die "große europäische Idee" jedoch fehle. Diese Suche nach einer europäischen Idee sei allerdings so sinnlos wie die Suche nach dem Ungeheuer von Loch Ness. Im übrigen könnte die Währungsunion eine Vorstufe einer Währungsunion auf der ganzen Welt sein.

Zur Herausforderung der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit meinte Görg, das anglo-amerikanische Modell sei nicht das richtige Rezept für Europa. Aber auch jede Arbeitszeitverkürzung bei gleichem Lohn sei ein schlechtes Rezept. Er appellierte an alle Verantwortlichen, alle Kraft für die Schaffung von Arbeitsplätzen einzusetzen.

Die EU stehe vor Verteilungskämpfen zwischen Nettozahlern und Nettoempfängern, zwischen ländlichen und städtischen Gemeinden. Die Stadt Wien müsse alles tun, damit die Interessen Wiens und des Wiener Umlandes nicht überhört würden. In der Europäischen Union gebe es erste Überlegungen, Strukturfonds in Richtung Städte zu verändern. Görg berichtete über eine zweitägige Städtekonferenz, die im November 1997 bzw. im Mai 1998 in Wien abgehalten werden solle und bei der eine Deklaration zur Städtepolitik das Thema sein werde. Aus Wiener Sicht beinhalte die Osterweiterung besondere Risken, so könne er sich eine komplette Niederlassungsfreiheit nicht vorstellen. Daher begrüße er eine Initiative mit den Städten Berlin, Stockholm und Helsinki mit dem Ziel, gemeinsame Anliegen der Osterweiterung zu formulieren.

Görg sprach sich abschließend für Verbesserungen im Bereich der Telekommunikation aus, auch Verkehrsfragen seien als Standortvorteil eminent wichtig. Es gelte auch, beim Vertreten der Interessen zu einem gemeinsamen Handeln mit dem Umland zu kommen. (Forts.) ull/vo

(RK vom 21.10.1997)