Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 12.12.1997:
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Wiener Landtag (2)

Wien, (OTS) Auf Vorschlag des Liberalen Forums fand eine Aktuelle Stunde zum Thema "Die Abschaffung der Proporz-Regierung in Wien" statt. LAbg. Mag. Gabriele Hecht (LIF) kritisierte, daß von 14 Stadtsenatsmitgliedern neun regieren und fünf zuschauen würden. Diese Zuschauer seien mit 120.000 Schilling im Monat in ...

Wien, (OTS) Auf Vorschlag des Liberalen Forums fand eine Aktuelle Stunde zum Thema "Die Abschaffung der Proporz-Regierung in Wien" statt.

LAbg. Mag. Gabriele Hecht (LIF) kritisierte, daß von 14 Stadtsenatsmitgliedern neun regieren und fünf zuschauen würden. Diese Zuschauer seien mit 120.000 Schilling im Monat in ihrem Amt sachlich nicht begründbar. Kontrolle und Information im Stadtsenat seien nur Ausreden. Kontrollrechte sollten allen Parteien gewährt werden und nicht an nichtamtsführende Stadträte gebunden sein. Hecht kündigte einen Antrag ihrer Partei im Parlament an, der auf eine Änderung der Bundesverfassung abzielt und in der Folge eine klare Trennung von Regierung und Opposition ermöglichen soll. Gleichzeitig müßten die Kontroll- und Minderheitsrechte gestärkt werden. LAbg. Dr. Alkier (LIF) wiederholte das Argument, daß nichtamtsführende Stadträte nur fürs Zuschauen bezahlt würden. Das LIF habe angeboten, eine kostenlose Beobachterfunktion im Stadtsenat ausüben zu wollen. Das Angebot wurde aber nicht angenommen. Auch Alkier urgierte mehr Kontrollrechte in Wien.

Das LIF bewege sich auf einen gefährlichen Weg, erklärte LAbg. Mag. Chorherr (G). Die nichtamtsführenden Stadträte abzuschaffen, würde noch weniger Kontrolle bedeuten. Er zitierte mehrere Beispiele, wo die Grünen durch ihre kontrollierende Stadtratstätigkeit Mißstände aufzeigen konnten. Zuerst müßten die Kontrollrechte ausgebaut werden, erst dann könnte man über die Abschaffung der nichtamtsführenden Stadträte reden. StR. Friedrun Huemer (G) berichtete über ihre Erfahrungen im Stadtsenat, wo, so Huemer, die Regierenden kein Interesse an Kontrolle hätten. Die Verärgerung des LIF, weil es keinen Stadtrat erreicht habe, sei verständlich, aber die Forderung nach Abschaffung der nichtamtsführenden Stadträte sei unverständlich. Auch Huemer betonte, daß zuerst die Kontrollrechte in Wien ausgebaut werden müßten.

Genaugenommen gebe es in Wien keine Proporzregierung, meinte LAbg. Dr. Ulm (ÖVP), da die nichtamtsführenden Stadträte keine Verantwortung trügen. Die Trennung von Opposition und Regierung allein schaffe noch nicht mehr Kontrollrechte. Ulm verwies auf die Bundesverfassung, in der die bestehenden Regierungsformen festgeschrieben sind, räumte aber ein, daß eine klare Trennung von Opposition und Regierung politisch wünschenswert sei. LAbg. Dr. Tschirf (ÖVP) betonte die Wichtigkeit der Diskussion über eine Ausweitung der Demokratie. Er plädierte für eine Stärkung der Rechte der Bürger gegenüber der Verwaltung und für mehr Rechtsstaatlichkeit. Der Proporz sei für die ÖVP kein Anliegen, sollte aber nur ein Teil einer umfassenden Demokratiediskussion sein. Als positives Beispiel für den erfolgreichen Kampf gegen die Parteibuchwirtschaft nannte Tschirf den Kulturstadtrat Marboe.

LAbg. Dipl.-Ing. Dr. Pawkowicz (FPÖ) warf dem Liberalen Forum politische Wehleidigkeit vor. Ein Beschneiden der Kontrollrechte im Stadtsenat komme der SPÖ sicher sehr entgegen. Das LIF würde somit die Arbeit der SPÖ erledigen. Er zitierte aus mehreren Aussendungen, die dokumentierten, daß auch das Liberale Forum in den Stadtsenat wollte. Es sei aber vom Wähler nicht mit den notwendigen Stimmen ausgestattet worden. Pawkowicz empfahl dem LIF den Weg der FPÖ, die vor Jahren noch mit nur zwei Gemeinderäten in Wien vertreten war und durch ihre politische Arbeit nun großen Erfolg habe. StR. Herzog (FPÖ) sprach von einem Neidkomplex des LIF. Nicht die Verfassung sondern der Wähler habe verhindert, daß das LIF im Stadtsenat vertreten sei. Er zitierte aus den Paragraphen der Bundesverfassung und warnte vor Eingriffen.

LAbg. Hatzl (SPÖ) sagte, daß man heute durchaus darüber nachdenken müsse, ob Regierungsformen, die nach 1945 gut und richtig waren, heute noch aktuell seien. Nicht in der Landesregierung vertreten zu sein, bedeute nicht, auch von der Kontrolle ausgeschlossen zu sein, betonte Hatzl. Die politische Arbeit geschehe hauptsächlich in den Ausschüssen. Die SPÖ sage ein klares Ja zum Ausbau der Kontrollrechte, zur Abschaffung der Proporzsysteme, zu mehr rechtlicher Klarheit und mehr Demokratie. Aber nur "Rosinen für die Opposition" könne es nicht geben. Das vom Wähler gegebene Mandat könne nicht durch die Verfassung umgekehrt werden. LAbg. Dr. Stürzenbecher (SPÖ) unterstrich, daß sicher keine Gefahr der Geheimbündelei gegeben sei. Er erinnerte daran, daß der damalige Wiener Vizebürgermeister Mayr bereits vor Jahren für eine Abschaffung des Proporzsystems eingetreten sei, allerdings damals auf wenig Gegenliebe in den Bundesländern stieß. Die nichtamtsführenden Stadträte bezeichnete er als Luxus, eine Änderung sollte angestrebt werden. (Forts.) js/rr

(RK vom 12.12.1997)