Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 23.01.1998:
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Wiener Landtag (2)

Wien, (OTS) Auf Vorschlag der Grünen fand eine Aktuelle Stunde zum Thema "Warum verhindern SPÖ und ÖVP die Einführung von Untersuchungsausschüssen in Wien?" statt. LAbg. Mag. Chorherr (G) meinte, Wien sei demokratiepolitisches Entwicklungsland. Sowohl im Nationalrat als auch in den meisten Bundesländern sei die ...

Wien, (OTS) Auf Vorschlag der Grünen fand eine Aktuelle Stunde zum Thema "Warum verhindern SPÖ und ÖVP die Einführung von Untersuchungsausschüssen in Wien?" statt.

LAbg. Mag. Chorherr (G) meinte, Wien sei demokratiepolitisches Entwicklungsland. Sowohl im Nationalrat als auch in den meisten Bundesländern sei die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses möglich. Eine Entschuldigung, wie von Stadtrat Rieder nach dem Fall Teleges, sei eindeutig zu wenig. Das "Njet" der SPÖ müsse durchbrochen werden. Die ÖVP habe als Oppositionspartei mehrmals Untersuchungsausschüsse gefordert, nun habe sie dies scheinbar vergessen und biete in diesem Zusammenhang ein "bürgerliches Trauerspiel". Der Name des neuzuschaffenden Gremiums sei nicht wichtig, es müsse aber jede Partei vertreten sein, die Einsetzung dieses Gremiums müßte ein Minderheitenrecht werden, Akteneinsicht und Wahrheitspflicht müßten garantiert sein. LAbg. Kenesei (G) plädierte ebenfalls für die Einrichtung von Untersuchungsausschüssen, denn es müsse vor allem die politische Verantwortung geklärt werden, was durch das Kontrollamt nicht möglich sei. Auch die SPÖ sollte ein Interesse haben, hier Klarheit zu schaffen.

LAbg. Pöschl (LIF) betonte, daß ein ordentliches Verwalten besser sei als stadträtliche Entschuldigungen. In Wien würden die, die kontrolliert werden sollen, bestimmen, ob oder wie sie kontrolliert werden wollen. Kontrollrechte seien Minderheitenrechte, erklärte Pöschl und skizzierte einen möglichen Ausweg aus verfassungsmäßigen Schwierigkeiten: Laut Geschäftsordnung könne eine Kommission eingesetzt werden. Die Rahmenbedingungen für die Arbeit dieser Kommission sollten nach den Bedingungen erfolgen, die Mag. Chorherr skizziert habe. LAbg. Dr. Alkier (LIF) erklärte, die Affäre Teleges gehe weit über die Zeit von Stadtrat Rieder zurück und weit über das Gesundheitsressort hinaus. Der Redner kritisierte die Definition des Bürgermeisters in dieser Angelegenheit, "die Stadt ist Opfer und nicht Täter", und verwies darauf, daß die SPÖ seit vielen Jahren in dieser Stadt die Verantwortung trage, auch für die Mißstände.

LAbg. Dr. Tschirf (ÖVP) hob hervor, daß das Liberale Forum konstruktive Vorschläge zum Thema mache, bei den Grünen vermisse er jedoch jeden positiven Ansatz. Der Redner verwies auf die Arbeit seiner Partei in der Stadtregierung, insbesondere auf die gelungene Entpolitisierung im Kulturbereich durch Stadtrat Marboe, die bürgernahe Stadtplanung im Ressort von Vizebürgermeister Görg und die Vorsitzführung der 1. Landtagspräsidentin. Die Probleme, die durch Zivil- und Strafrecht und die Stadtverfassung bei der Einrichtung von Untersuchungsausschüssen gegeben seien, können nicht wegdiskutiert werden. Tschirf warf den Grünen vor, substantielle Verhandlungen zu verhindern. LAbg. Mag. Karl (ÖVP) betonte, die Einführung von Untersuchungsausschüssen würde von SPÖ und Grünen verhindert werden. Die Grünen würden Verfassung, Gesetze und Geschäftsordnung ignorieren und konstruktive Verhandlungen dadurch erschweren. Auch den Grünen sei es nicht gelungen, in ihren Vereinbarungen mit der SPÖ, diese von der Notwendigkeit von Untersuchungsausschüssen zu überzeugen. Die ÖVP bekenne sich zum Ausbau der Kontrollrechte, sie müßten aber verfassungskonform sein.

Der 2. Landtagspräsident Mag. Kabas (FPÖ) warf der SPÖ vor, den Ausbau der Kontrolle zu verhindern, weil sie zahlreiche Mißstände zu verantworten habe. Die Einrichtung von Untersuchungsausschüssen sei dringend notwendig, weil damit nicht nur besser aufgeklärt werden könne, sondern auch die politische Verantwortung geklärt würde. Daß diese politische Verantwortung auch in Rücktritte münden könne, sei offensichtlich der Grund, warum sich die SPÖ vor der Einrichtung von Untersuchungsausschüssen sträube. Das Schweigen der ÖVP zu diesem Thema sei zwar verständlich, aber bedauerlich. LAbg. Dr. Serles (FPÖ) stellte fest, daß der Fall Teleges mit unzureichendem Instrumentarium behandelt wurde. Dem Kontrollamt gelang zwar eine gewisse Aufklärung, die politische Verantwortung konnte es aber nicht klären. Nur Untersuchungsausschüsse könnten hier Klärungen bringen.

LAbg. Schuster (SPÖ) verwies darauf, daß es im Fall Teleges laut Kontrollamtsuntersuchung keine Verbindung zu einer Parteienverantwortlichkeit gebe. Das Thema Untersuchungsausschüsse sei durch die Grünen vorzeitig ohne Dringlichkeit in die Öffentlichkeit getragen worden, während bereits Parteiengespräche über einen Ausbau der Kontrolle laufen. Auch die SPÖ sei an einer gut funktionierenden Kontrolle sehr interessiert. Wien sei in diesem Zusammenhang kein Entwicklungsland. Untersuchungsausschüsse könnten nicht eingeführt werden, weil der Wiener Landtag keine Budgethoheit habe und es u.a. auch die Stadtverfassung nicht zulasse. Die SPÖ sei für den Ausbau der Oppositionsrechte, öffentliche Schauprozesse dürfe es aber nicht geben. LAbg. Hatzl (SPÖ) betonte, die SPÖ habe sich immer zu Minderheitenrechten bekannt und dies auch in der Praxis bewiesen. Hatzl wandte sich gegen eine Verpolitisierung des Kontrollamtes und des Rechnungshofes und verwies auf die laufenden Parteiengespräche über den Ausbau der Kontrolle. Im Zusammenhang mit dem Fall Teleges erwähnte Hatzl, daß die Aufträge an diese Firma immer einstimmig in den jeweiligen Gemeinderatsausschüssen erfolgten. (Forts.) js/rr

(RK vom 23.01.1998)