Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 25.06.1998:
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Svihalek präsentiert Studie zur Bekämpfung des Fluglärms

Wien, (OTS) StR. Fritz Svihalek hat am Donnerstag gegenüber der Rathauskorrespondenz die Ergebnisse der vor rund eineinhalb Jahren gemeinsam mit dem Flughafen Schwechat in Auftrag gegebenen Fluglärmstudie bekannt gegeben. Das Projekt wurde von Universitätsprofessor Dr. Ing. Manfred Fricke und Dipl.-Ing. Norbert ...

Wien, (OTS) StR. Fritz Svihalek hat am Donnerstag gegenüber der Rathauskorrespondenz die Ergebnisse der vor rund eineinhalb Jahren gemeinsam mit dem Flughafen Schwechat in Auftrag gegebenen Fluglärmstudie bekannt gegeben. Das Projekt wurde von Universitätsprofessor Dr. Ing. Manfred Fricke und Dipl.-Ing. Norbert Gronak (GFL - Gesellschaft für Luftverkehrsforschung bR, Berlin) durchgeführt. Die GFL hat bereits für den neuen Flughafen München erfolgreiche Lösungen ausgearbeitet.

Über Fluglärm klagten vor allem die Bevölkerung im 22. Bezirk (Eßling) und die Bürger in Teilen der Bezirke im Süden Wiens (Bezirke: 5, 6, 10 bis 15, und 23). Umweltstadtrat Fritz Svihalek: "Es ist ein Anliegen der Stadt Wien, die Lärmbelästigungen durch den Flughafen für die Wiener und Wienerinnen möglichst gering zu halten. Ich werde alles tun, damit sich Flughafenbetreiber, Flughafensicherung und Fluglinien an einen Tisch setzen, um die vorgeschlagenen Maßnahmen möglichst rasch zu realisieren."

Mögliche Maßnahmen zur Verbesserung der Fluglärmsituation

Eine Verbesserung zur Fluglärmsituation kann nach der Expertenstudie hauptsächlich durch zwei Maßnahmen erreicht werden: Einerseits soll der "Gleitpfad", also der Winkel, in dem die Flugzeuge die Landebahn anfliegen, von derzeit drei Grad auf dreieinhalb Grad erhöht werden. Das würde die Lärmbelästigung um bis zu eineinhalb Dezibel reduzieren. Lärmtechnisch optimiert werden können auch die Abflugrouten. Der Handlungsspielraum dabei ist allerdings ein geringerer, da die Flughafensicherung bereits in den letzten Jahren alternative Abflugrouten entwickelt hat, die kaum über das Wiener Stadtgebiet führen. Weitere Verbesserungen sind jedoch in einzelnen Bereichen möglich.

Weniger Lärm durch steileren Anflugwinkel bei der Landung

Die Grundüberlegung ist einfach: Erfolgt der Landeanflug in einem steileren Winkel, so ist die Maschine weiter weg und damit nicht so stark hörbar. Ausschlaggebend dafür, in welcher Höhe sich die Maschine in der jeweiligen Phase des Landeanflugs befindet, ist der "Gleitpfad". Das ist jener Winkel, in dem die Maschine zur Landebahn gleitet. Wie groß dieser Winkel sein darf, wird einerseits durch internationale gesetzliche Vorgaben, aber auch durch die Technik bestimmt. Vorgegeben wird der Gleitwinkel elektronisch und mit Hilfe des Instrumental Landing Systems (ISL).

Der Gleitpfad in Wien Schwechat hat derzeit einen Winkel von drei Grad. Er könnte auf maximal dreieinhalb Grad angehoben werden, ohne internationale Bestimmungen zu verletzen. Eine der technischen Voraussetzungen ist, daß der Pilot die Piste aus einer Höhe von mindestens 73 Metern und einer Entfernung von 800 Metern mit freiem Auge erkennen kann. Bei guten Sichtverhältnissen ist das ohnehin der Fall, bei sehr schlechter Sicht muß das eine entsprechende Befeuerung der Landebahn garantieren, die aber in Wien Schwechat nicht in jeder Landerichtung zur Verfügung steht.

Das bedeutet für den Flughafen Wien, daß bei Anflügen in Pistenrichtung 11, das ist die westliche Einflugschneise von Steinhof bis Simmering, der Gleitpfad auf einen Winkel von dreieinhalb Grad erhöht werden kann. Denn in dieser Pistenrichtung sind bei schlechter Sicht ohnehin keine Landungen möglich. Die Lärmbelastung würde um bis zu eineinhalb Dezibel sinken, da das betroffene Stadtgebiet in einer größeren Höhe überflogen wird.

Anders ist das bei der Pistenrichtung 16, die über Eßling führt und auch bei Null-Sicht-Verhältnissen angeflogen werden kann. Hebt man dort den Gleitwinkel an, würde das wesentliche Einschränkungen für den Flugverkehr bedeuten: Bei sehr schlechter Sicht kombiniert mit Süd- oder Südostwind könnte aus Sicherheitsgründen auf dem Flughafen Wien Schwechat nicht mehr gelandet werden.

Weitere Verbesserung bisheriger lärmmindernder Startrouten

"Lärmarme" Abflugrouten wurden von der Flugsicherung in Wien bereits ausgearbeitet und müssen von den Fluglinien eingehalten werden. Kaum ein abfliegendes Verkehrsflugzeug quert deshalb die Großstadt Wien - und das, obwohl der meiste Flugverkehr von Schwechat in Richtung Westen geht. Der Grund dafür: Knapp einen Kilometer nach dem Ende der Startbahn müssen die Flugzeuge eine Kurve nach links, etwa in Richtung Mödling, drehen. Um die Lärmbelastung von startenden Jets noch mehr zu reduzieren, schlagen die Gutachter vor, die Routenführung weiter zu optimieren. Dann können Wohngebiete in Wien und Niederösterreich noch besser umflogen werden.

Verschwenken der Flugbahn beim Anflug bringt in Wien keine Lärmentlastung

Als Endanflug werden die letzten 20 Flugkilometer vor der Landung bezeichnet. Durch ein Verschwenken des Endanfluges könnte man theoretisch erreichen, daß auf den letzten Kilometern weniger dicht besiedelte Gebiet überflogen werden. In der Studie wurde deshalb untersucht, wie sich ein Verschwenken des Endanfluges um plus fünf oder minus fünf Grad auf die Lärmsituation auswirkt. Die Ergebnisse sind allerdings ernüchternd: Die Lärmbelastung wird von den derzeit betroffenen Wohngebieten lediglich in andere dichtbesiedelte Stadtgebiet verschoben.

Nachtflugverbot würde sich negativ auf Wirtschaft und Arbeitsplätze auswirken - die Lärmminderung wäre minimal

Nachtflüge sind am Flughafen Wien Schwechat derzeit so geregelt, daß die lauten ICAO-Kapitel 2-Flugzeuge zwischen 22.30 Uhr und 6.00 Uhr weder starten noch landen dürfen. Dabei geht der Flughafen Wien ähnlich vor, wie das auch auf vergleichbaren anderen EU-Flughäfen gehandhabt wird. Außerdem wurde bei der EU in Brüssel bereits beantragt, dieses Nachtflugverbot weiter auszuweiten, und zwar von 22 Uhr bis 6.30 Uhr.

In der Studie wurde untersucht, wie sich ein Nachtflugverbot auf den Flughafen Wien Schwechat lärmtechnisch und ökonomisch auswirkt. Demnach wären von einem Nachtflugverbot nur etwa 200 An- und Abflüge pro Woche betroffen, jährlich ergäbe das eine Summe von etwa 10.500 Maschinen. Zum Vergleich: untertags landen und starten in Schwechat pro Jahr insgesamt rund 150.000 Jets. Wegen der geringen Anzahl der betroffenen Flüge wären auch die positiven Auswirkungen auf die Lärmsituation kaum spürbar. Abgesehen davon müssen vom Nachtflugverbot Jets mit nicht geplanten Verspätungen ausgenommen werden, da man sie nicht bis zum Ende des Nachtflugverbotes über Wien kreisen lassen kann. Aus umwelttechnischer Sicht ist nach Ansicht der Autoren ein generelles Nachtflugverbot objektiv nicht zu begründen.

Gegen ein Nachtflugverbot sprechen auch die negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft. Ein Drittel der Nachtflüge betrifft ausschließlich Frachttransporte und Mischtransporte. Grundsätzlich orientieren sich die An- und Abflugzeiten von Frachttransporten an den betrieblichen Rahmenbedingungen der Unternehmen. Wie Erfahrungen in Deutschland zeigten, führen Nachtflugverbote dazu, daß einzelne, große Unternehmen ihre ursprünglichen Standorte komplett schließen und in andere Länder verlagern. So hat beispielsweise der Frachtkarrier TNT kürzlich aus diesem Grund seinen Frachturmschlagplatz vom Flughafen Köln/Bonn nach Lüttich in Belgien verlegt. Für den Flughafen Wien Schwechat wäre bei einem generellen Nachtflugverbot also mit weitreichenden wirtschaftlichen Konsequenzen und dem Verlust von Arbeitsplätzen zu rechnen.

Maßnahmen zum Lärmschutz am Wiener Flughafen: Überwachungsanlage schnappt Lärmsünder - alte "Lärmbomber"

verboten

Jährlich werden am Flughafen Wien Schwechat rund 150.000 Starts und Landungen registriert. 1997 wurden fast zehn Millionen Passagiere und rund 150.000 Tonnen Fracht befördert. Die Starts und Landungen werden auf zwei Pisten aufgeteilt. Bei Landeanflügen wird grundsätzlich darauf geachtet, daß möglichst wenige Flüge über dicht besiedeltes Gebiet führen. Nur wenn der Wind vom Osten oder Südosten kommt, werden zehn Prozent aller Landeanflüge direkt über Wien (Luftlinie Hietzing-Simmering) vom Westen her nach Schwechat geleitet, 32 Prozent überqueren das Stadtgebiet lediglich an seinem äußersten nördlichen Rand (über Wagram- Neueßling-Groß Enzersdorf, NÖ). Startende Jets überfliegen in der Regel nicht das Wiener Stadtgebiet. Sie müssen kurz nach dem Start eine Kurve ziehen und so das Überfliegen Wiens vermeiden.

Generell haben An- und Abflüge in Wien Schwechat lärmschonend zu erfolgen. Ob die Piloten die entsprechenden Bestimmungen auch einhalten, wird von einer speziellen Fluglärmüberwachungsanlage kontrolliert. FANOMOS heißt die millionenteure Anlage mit insgesamt zwölf Meßstellen, wobei zwei davon in Wien errichtet wurden und zwar in Simmering (11. Bezirk) und in Eßling (22. Bezirk). Das Überwachungssystem mißt die Schallimmission der Jets und verfolgt die Flugwege via Radar. Jede Flugspur wird aufgezeichnet, jede Abweichung sofort registriert. Wird von den Piloten nicht lärmschonend geflogen, drohen Sanktionen, sofern nicht technische Gebrechen oder Notsituationen die Ursache waren.

Nächtens dürfen keine lauten Flugzeuge in Wien Schwechat landen

Die Fluglinien setzen verstärkt lärmarme Flugzeugtypen (ICAO- Kapitel 3) ein. In der Nacht dürfen in Wien Schwechat grundsätzlich nur mehr solche lärmarme Flugzeuge landen und starten, die den Kapitel 3-Grenzwerten entsprechen. Für die lauten Tupolew 134 und 135, die Boing-Maschinen der Serien 737-200 und der Serie 727 ist deshalb der Wiener Flughafen in der Nacht tabu. Noch geringere Geräuschemissionen als die Kapitel 3-Flugzeuge haben die Jets der neuesten Generation, die ebenfalls immer öfter von Airlinern geflogen werden. Damit wird gesichert, daß trotz ständig steigender Zahl der Flugbewegungen die Fluglärmzonen in etwa unverändert bleiben. In Zukunft wird die Tendenz zu "leisen" Flugzeugen weiter steigen, die Entwicklung noch besserer Triebwerke wird von den Herstellern forciert. Die Flugindustrie arbeitet außerdem intensiv an neuen Satellitennavigationssystemen, die den Fluglärm ebenfalls reduzieren werden. Denn sobald diese Systeme in allen Flugzeugtypen installiert sind, werden noch steilere Gleitpfade und ein präziseres Umfliegen von Wohngebieten möglich.

Ergebnisse der Fluglärmstudie werden kommenden Montag im Wiener Rathaus öffentlich diskutiert

Die Ergebnisse der Studie werden Montag, den 29. Juni, ab

15.30 Uhr, im Grauen Salon (Stiege 8) des Wiener Rathauses im
Rahmen einer Podiumsdiskussion mit Bürgerinitiativen, NGOs und Stadt- sowie Verkehrsplanern erörtert. Rede und Antwort stehen neben Prof. Fricke und Dipl.-Ing. Gronach auch noch Ing. Christian Röhrer (Flughafen Wien AG, Leiter Bereich Umwelt), Christian Woborsky (Austro Control, Leiter Tower Wien), der Flottenchef der AUA, Kapitän Christian Korherr sowie Landtags- und Gemeinderatsabgeordneter Paul Zimmermann (Mitglied des Umweltausschusses). (Schluß) hl/vo/rr

(RK vom 25.06.1998)