Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 23.10.1998:
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Wiener Gemeinderat (2)

Wien, (OTS) Im Anschluß an die Fragestunde meldete sich Bgm. Dr. Häupl (SPÖ) mit einer Mitteilung zu Wort. Die RK bringt im folgenden den Wortlaut der Mitteilung. Mitteilung des Bürgermeisters "Sehr geehrte Damen und Herren Gemeinderäte! In den letzten Monaten und Wochen haben die Ergebnisse ...

Wien, (OTS) Im Anschluß an die Fragestunde meldete sich Bgm. Dr. Häupl (SPÖ) mit einer Mitteilung zu Wort. Die RK bringt im folgenden den Wortlaut der Mitteilung.

                   Mitteilung des Bürgermeisters

"Sehr geehrte Damen und Herren Gemeinderäte!

In den letzten Monaten und Wochen haben die Ergebnisse des Korneuburger Strafprozesses gegen die Schwechater Baugesellschaft und damit im Zusammenhang die ersten abschließenden Prüfergebnisse des Wiener Kontrollamtes zu einer ersten schonungslosen Aufklärung von Unkorrektheiten beigetragen. Gleichzeitig wurde aber auch in der öffentlichen Diskussion mit vorliegenden Indizien, Beweisen, als auch mit simplen Behauptungen zum Teil in einer von einer gewissen Unschärfe geprägten Art und Weise umgegangen.

Ich will daher hier und jetzt die wesentlichsten Klarstellungen wiederholen und zur Klärung des Stands der Dinge die Maßnahmen, die die Stadt Wien ergriffen hat und ergreifen wird, zusammenfassen.

Voranstellen möchte ich, daß ich in keiner Weise bereit bin, Bestechlichkeiten, Kartellabsprachen und rechtswidrige Handlungen zu dulden und auf der Basis der Ermittlungsergebnisse der Wirtschaftspolizei, der Staatsanwaltschaft, der Gerichtsbarkeit und den weiteren Prüfergebnissen des Kontrollamtes die notwendigen externen und internen Konsequenzen ziehen werde.

Bereits zu Beginn der Ermittlungen gegen die SBG wurden von der Stadt Wien sofort die Kontakte zum Untersuchungsrichter hergestellt und in der Folge eine genaue Prozeßbeobachtung des Korneuburger Prozesses durch die Zivilrechtsabteilung der Magistratsdirektion eingerichtet, um schnellstmöglich über alle Informationen zu verfügen und so auf aktuelle Entwicklungen unverzüglich mit rechtlichen Schritten reagieren zu können. Zwischen dieser Abteilung, dem Kontrollamt, der Stadtbaudirektion und der Justizbehörden bestand von Beginn an ständiger Kontakt und Informationsaustausch. Die Informationen nach dem jeweils aktuellen Ermittlungsstand sind

1. Grundlage für die Überprüfungen des Kontrollamtes,

2. Gegenstand von Prüfungen der Verwaltungsrevision und

3. Grundlage für die Zivilrechtsabteilung, um sofort finanzielle Ansprüche sowohl auf dem Zivil- als auch auf dem Strafrechtsweg und auch in vorprozessualen Gesprächen mit dem betroffenen Unternehmen geltend zu machen.

Diese vorprozessualen Gespräche haben bislang in drei Fällen dazu geführt, daß involvierte Baufirmen Schadensgutmachungen in der Höhe von insgesamt 17,9 Millionen Schilling an die Stadt Wien geleistet haben. In der Strafsache gegen Herrn Graf hat sich die Stadt Wien als Privatbeteiligter angeschlossen und zunächst im Strafverfahren, in der Folge auch im Konkursverfahren ihre Forderungen gegenüber der Firma SBG angemeldet sowie vorliegende Bankgarantien abgerufen. Sollten Schadenersatzforderungen gerichtlich durchzusetzen sein, wird der Zivilrechtsweg nicht nur gegen verantwortliche Firmenfunktionäre, sondern auch gegen Bedienstete der Stadt Wien beschritten werden. Das heißt, wer rechtswidrig und schuldhaft der Stadt einen Schaden verursacht hat, wird zur Kasse gebeten, gleichgültig ob es sich um einen Firmenvertreter oder einen städtischen Mitarbeiter handelt. Sämtliche Verdachtsmomente gegen Bedienstete des Magistrats der Stadt Wien werden auf der Grundlage der Prüfergebnisse des Kontrollamtes und der Erhebungen der Justiz einer disziplinar- und dienstrechtlichen Prüfung unterzogen.

Die vorliegenden Vorwürfe haben aber nicht nur straf-, disziplinarrechtliche und schadenersatzrechtliche Relevanz, sondern sind auch für die Bewertung der Zuverlässigkeit von Bietern nicht ohne Folgen.

Aufgrund der Bestimmungen des Wiener Landesvergabegesetzes hat die Stadt Wien Unternehmen nicht nur dann von der Teilnahme an Vergabeverfahren auszuschließen, wenn die berufliche Zuverlässigkeit durch rechtskräftiges Urteil in Frage gestellt ist, sondern auch dann, wenn die Stadt Wien schwere Verfehlungen im Rahmen der beruflichen Tätigkeit eines Unternehmens nachweislich feststellt. Da das Kontrollamt in Bezug auf das Bauvorhaben der MA 28 aus dem Jahre 1992 betreffend die Straßenbauarbeiten Europaplatz das Vorliegen einer Bieterabsprache als erwiesen festgestellt hat, waren die rechtlich vorgegebenen Konsequenzen zu ziehen. Die betroffenen Unternehmen waren daher vorerst von der Vergabe von Aufträgen auszuschließen. Erst wenn die einzelnen Unternehmen geeignete vertrauensbildende Maßnahmen setzen, kann die Stadtbaudirektion die Zuverlässigkeit der Unternehmen als gegeben erachten und Vergaben an diese wieder zulassen.

Da es sich in dieser Angelegenheit um eine komplexe Rechtsmaterie handelt, habe ich unter dem Vorsitz des anerkannten Vergaberechtsexperten und Mitglied des Verfassungsgerichtshofes Univ.-Prof. Dr. Korinek eine Arbeitsgruppe zur Klärung der Frage eingesetzt, nach welchen Kriterien die vergebenden Stellen in Hinkunft Bieter zu behandeln haben, gegen die der Vorwurf eines Fehlverhaltens erhoben wurde. Der Schlußbericht dieser Arbeitsgruppe liegt mir vor.

Dieser Schlußbericht hält eindeutig fest, daß derartige Verfehlungen den Bewerbern oder Bietern die Zuverlässigkeit nehmen und solange zum Ausschluß der Unternehmen von der Teilnahme am Vergabeverfahren führen, als diese Unternehmen nicht durch ihre vertretungsbefugten Organe eidesstattlich erklären

  • erstens durch geeignete personelle und organisatorische
    Maßnahmen Vorsorge gegen eine Wiederholung der Verfehlung
    getroffen zu haben und
  • zweitens einen allenfalls eingetretenen Schaden entweder
    gutzumachen oder die Schadenersatzverpflichtung dem Grunde und
    der Höhe nach anzuerkennen oder im Fall der Strittigkeit
    vorbehaltlich einer gerichtlichen Entscheidung eine adäquate
    Sicherstellung - z.B. eine Bankgarantie - zu bieten.

Der Wiedereintritt der Zuverlässigkeit ist demnach nicht schon dann anzunehmen, wenn die vertretungsbefugten Organe eines Unternehmens sich von einem einmal gesetzten Fehlverhalten distanzieren. Vielmehr werden sie darzulegen haben, daß sie konkrete organisatorische und personelle Maßnahmen gesetzt haben, die geeignet sind, Fehlverhalten zu unterbinden. Jedenfalls müssen personelle Konsequenzen sicherstellen, daß in ein früheres Fehlverhalten verwickelte Personen nicht mehr in die Lage kommen können, an der Vorbereitung und Legung von Angeboten an die Stadt Wien mitzuwirken.

Ich gehe davon aus, daß die Wiener Bauwirtschaft all diese strengen Kriterien erfüllen wird, ich gehe aber auch davon aus, daß die involvierten Baufirmen von sich aus Aktivitäten setzen, die geeignet sind, das notwendige Vertrauen wiederherzustellen.

Die vorliegenden Kontrollamtsberichte lassen auch strukturelle Mängel bei der Vergabe von Aufträgen bzw. bei der Überprüfung von Auftragsdurchführungen durch die Stadt Wien erkennen. Es wurde bereits im Zusammenhang mit den Ergebnissen der Prüfung des Kontrollamtes in der Causa Teleges nach europaweiter Ausschreibung ein Auftrag an die Firma IBB vergeben, die derzeit die Aufbau- und Ablauforganisation des bestehenden Systems der Leistungskontrolle auf ihre Effizienz hin untersucht. Sowohl die Schwachstellenanalyse als auch der zu erstellende Maßnahmenkatalog sollen bis 30. November dieses Jahres vorliegen.

Unvorgreiflich der Ergebnisse dieser Untersuchung habe ich folgende Neuorganisation des Vergabewesens im Magistrat angeordnet:

1. Die Erstellung von exakten Leistungsverzeichnissen als Grundlage für die Ausschreibung hat durch die mit der Planung beauftragten Ziviltechniker zu erfolgen.

2. Die von den Fachdienststellen erstellten Ausschreibungen für kleinere Projekte sind stichprobenweise durch Ziviltechniker zu überprüfen.

3. Für die Vorbereitung der Vergabe von Leistungen mit Kosten von mehr als 1 Mill. Euro sind in den Fachdienststellen Vergabekommissionen unter Beteiligung von dienststellenfremden Fachleuten einzurichten.

4. Bei der Bauaufsicht sind verstärkt Ziviltechniker einzusetzen.

5. Eine begleitende Kontrolle durch Ziviltechniker ist bei Bauvorhaben mit einem Gesamtauftragswert von mehr als 5 Mill. Euro obligatorisch.

6. Darüber hinaus ist die Einrichtung einer magistratsinternen Baurevision nach dem Vorbild einer "Konzernrevision" vorzubereiten, von der über die bereits bestehende Mißstandsprüfung hinaus in den Dienststellen der Stadt Wien auch der Projektsablauf und die Durchführung der Bauvorhaben überprüft und evaluiert werden.

Weiters befindet sich derzeit die Novelle zum Wiener Landesvergabegesetz in der öffentlichen Begutachtung, die einen verbesserten Bieterschutz enthält. Somit wird es möglich sein, die Zuschlagserteilung in strittigen Fällen zu blockieren, bis der Vergabekontrollsenat entschieden hat.

Zu der Frage der Einrichtung von Untersuchungsausschüssen kann ich mitteilen, daß die Gespräche zwischen der ÖVP und der SPÖ inzwischen weit gediehen sind. Ein erstes Ergebnis ist, daß wir uns über die Schaffung entsprechender Einrichtungen im Rahmen der bestehenden Bundesverfassung bis Ende des 1. Quartals 1999 geeinigt haben." (Forts.) red

(RK vom 23.10.1998)