Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 23.10.1998:
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Wiener Gemeinderat (5)

Wien, (OTS) GR Mag. Gabriele Hecht (LIF) verwahrte sich dagegen, die Schuld am Baukartell den Baufirmen zuzuschieben und den Aufdeckern eine Schmutzkübelkampagne vorzuwerfen. Bis heute gebe es nicht einmal noch eine Untersuchung vom Magistrat, um die wirkliche Schadenshöhe festzustellen. Sie betonte, daß politische ...

Wien, (OTS) GR Mag. Gabriele Hecht (LIF) verwahrte sich dagegen, die Schuld am Baukartell den Baufirmen zuzuschieben und den Aufdeckern eine Schmutzkübelkampagne vorzuwerfen. Bis heute gebe es nicht einmal noch eine Untersuchung vom Magistrat, um die wirkliche Schadenshöhe festzustellen. Sie betonte, daß politische Verantwortung auch dann gegeben sei, wenn kein schuldhaftes Handeln des verantwortlichen Politikers vorläge. Gemeinsam mit der FPÖ und den Grünen brachte sie einen Antrag auf Einsetzung einer Arbeitsgruppe ein, die, gebildet aus dem Dezernat 4, dem Referat 4/3, dem Kontrollamt, MD-Z sowie je einem Vertreter der im Gemeinderat vertretenen Parteien und Mitgliedern der Bauwirtschaft, über eine Reform vom Vergaberecht und Vergaberichtlinien beraten solle. Aufgrund des Abschlußberichtes dieser Arbeitsgruppe solle eine Neufassung des Vergaberechtes erarbeitet werden.

GR Kenesei (G) meinte, er könne einige Personen in der SPÖ nicht von der Verantwortung freisprechen, durch Untätigkeit das Baukartell zugelassen zu haben. Als Beispiel nannte er Klubobmann Hatzl, der die von den Grünen schon vor Monaten vorgelegten Beweise lange als dürftig bezeichnet habe und erst nach der Firmensperre durch den Baudirektor eine lückenlose Aufklärung forderte. Er wies darauf hin, daß schon 1992 der Gemeinde von Experten Baulos für Baulos vorgerechnet worden sei, daß Wiens U- Bahn im internationalen Vergleich zu teuer gebaut wurde.

GR Mag. Neuhuber (ÖVP) betonte, die heutige Sitzung habe gezeigt, wie wichtig die ÖVP als hygienischer Politfaktor sei. Ohne die ÖVP wäre es nie so rasch zur Lösung der prinzipiellen Möglichkeit von Untersuchungsausschüssen gekommen. Es dürfe allerdings weder zu Vorverurteilungen noch zu tribunalsähnlichen Ausschußpraktiken kommen. Auch bezweifelte er, ob allein durch tätige Reue und Wiedergutmachung auch die moralische Vertrauensbasis zwischen Gemeinde und den betroffenen Baufirmen wiederherzustellen sei. Im Bezug auf die Neuordnung des Vergaberechtes forderte er eine größere Transparenz der Entscheidungen, eine Vollzugspraxis, die die Bedürfnisse der Klein- und Mittelbetriebe berücksichtige, die Trennung von Vergabe und Kontrolle sowie eine frühere Bekanntgabe der Vergabeabsicht seitens der Gemeinde.

GR Dr. Serles (FPÖ) zeigte sich entsetzt darüber, daß die Bausperre zu einem Zeitpunkt gekommen sei, wo es für ernsthafte Bemühungen zur Arbeitsplatzsicherung bereits zu spät war. Durch die Tolerierung des Baukartells sei die SPÖ Verursacher der Arbeitslosigkeit am Bau. Preisabsprachen nach Muster des Europaplatzes seien kein Einzelfall gewesen, sondern ein System zur Auftragsvergabe, ermöglicht durch das systematische Versagen ganzer Magistratsabteilungen. "Serviceleistungen" der MA 28, wie gezielte Indiskretionen oder Erstellung von Leistungsverzeichnissen in Kooperation mit dem nachmaligen Billigstbieter, seien schlicht Korruption, für die Klubobmann Hatzl die politische Verantwortung trage. Schließlich forderte Serles die Aufhebung der Bausperren für jene Betrieb, die bereit wären, ihre ins Baukartell verwickelten Manager zu entfernen. (Forts.) rö/rr

(RK vom 23.10.1998)