Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 09.09.1999:
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Wiener Gemeinderat (2)

Wien, (OTS) Auf Antrag der Freiheitlichen Partei fand eine Aktuelle Stunde zum Thema "Kinder schützen - Zukunft sichern" statt. GR Ing. Peter Westenthaler (FPÖ) erinnerte an das kürzliche milde Urteil gegen einen Kinderschänder. Das Urteil sei ein Skandalurteil und unverständlich. Die Politik dürfe beim Thema ...

Wien, (OTS) Auf Antrag der Freiheitlichen Partei fand eine Aktuelle Stunde zum Thema "Kinder schützen - Zukunft sichern" statt.

GR Ing. Peter Westenthaler (FPÖ) erinnerte an das kürzliche milde Urteil gegen einen Kinderschänder. Das Urteil sei ein Skandalurteil und unverständlich. Die Politik dürfe beim Thema Kindesmissbrauch nicht länger zuschauen. Gegen Kinderschänder seien daher schärfere Maßnahmen nötig. Er könne keine Gnade für die Mörder der Kinderseelen dulden, sprach sich Westenthaler für lebenslängliche Urteile bei schweren Fällen sowie für eine Melde- und Anzeigepflicht aus. Weiters sollte eine zentrale Sexualstrafdeliktskartei errichtet werden. Er regte auch an, die Namen der Kinderschänder zu veröffentlichen. StR. Karin Landauer (FPÖ) sagte, die SPÖ-Politik der letzten Jahre habe dazu beigetragen, dass immer mehr Familien zerbrächen. Bei Kindesmissbrauch würden die Täter "gehätschelt". Aber das Opfer habe Rechte, die Kinder müssten geschützt werden und nicht die Täter. Die Rednerin forderte Verbesserungen der Rahmenbedingungen für die Familie.

GR Dr. Rüdiger Stix (ohne Klubzugehörigkeit) betonte, seine politische Gruppe sei gegen jede Art von Gewalt, lehne aber die Heuchelei der FPÖ ab. Man müsse vernünftig die Problematik diskutieren.

Kinder schützen sei gut, sagte GR Mag. Gabriele Hecht (LIF), sie wolle aber ihre Kinder auch vor den Ideen der FPÖ schützen. Die Taktik der FPÖ sei "primitiv", sie zeige, wie Kinder als Objekte im Wahlkampf benutzt würden. Die Ängste der Eltern würden schamlos für die eigene Politik missbraucht. Die FPÖ agiere "wie ein Rattenfänger, mit einer wohlklingenden Melodie verführe sie die Menschen und führe sie ins Verderben". GR Mag. Alexandra Bolena (LIF) bezeichnete Kindesmissbrauch als verabscheuungswürdig. Allerdings würde das Schüren des Volkszornes den Kindesmissbrauch nicht verhindern. Psychologen sagten, dass die Haltung der FPÖ den Kindern schade. Bei "lebenslang" würden die Anzeigen sinken, das könnte möglicherweise die FPÖ als Erfolg bezeichnen, dabei würde allerdings nur die Dunkelziffer steigen.

GR Susanne Jerusalem (G) sprach von "niveaulosen Vorstellungen" der FPÖ. Sie verwies darauf, dass die meisten Sexualdelikte bei Kindern innerhalb der Familie bzw. im Bekanntenkreis stattfänden. Daher sei eine Strafverschärfung kontraproduktiv, weil weniger angezeigt würde. Sie forderte die Errichtung einer Ambulanz "Rund um die Uhr" in der MA 11. GR Mag. Maria Vassilakou (G) meinte, Kindesmissbrauch sei durch drakonische Strafen nicht zu vermeiden, man müsse die Kinder, die Mütter, die Tanten und die Großmütter stärken. Sie verwahrte sich gegen die Hetzkampagne der Freiheitlichen und forderte Schutz für die Kinder, die in den Parks als "Tschuschenkinder" beschimpft würden. Sie forderte Antirassismus und Antidiskriminierungsgesetze.

GR Dr. Wolfgang Ulm (ÖVP) sagte, der Auftritt der FPÖ habe der Sache nicht gedient. Er verwies darauf, dass die Anhaltung von Straftätern dem Schutz der Gesellschaft diene, aber auch die Chance bieten solle, den Täter zu heilen. Die Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher sei auf unbestimmte Zeit möglich, diese Einweisung gebe es allerdings nur bei einer Abartigkeit höheren Grades. Der Redner regte an, in weiteren Debatten dies zu präzisieren. Es gelte, den Familien zu helfen und ein familienfreundliches Klima zu schaffen. GR Prof. Walter Strobl (ÖVP) betonte, der beste Schutz für die Kinder sei eine intakte Familie. Familienpolitik bezeichnete er als eine Frage der Richtungsentscheidung. Die Familie sei als kleinste Zelle der Gemeinschaft zu sichern. Er erinnerte an die Steuerreform, die die ÖVP durchgesetzt habe und die den Familien mehr Geld bringe. Die ÖVP mache eine reale Familienpolitik und unterscheide sich von den linken Vorstellungen einer Lesben-Schwulenpolitik. Auch der FPÖ- Kinderbetreuungsscheck bringe den Familien nichts, weil er nicht finanzierbar sei. Er verwies auf die ÖVP-Familienpolitik, die Karenzgeld für alle fordere, weil jede Mutter und jedes Kind gleich viel wert seien.

GR Martina Malyar (SPÖ) sagte, sie sei selbst Mutter von zwei Töchtern und Lehrerin und sie sei schwerst betroffen über sexuelle Ausbeutung und Gewalt in der Familie. Kindesmissbrauch sei kein Tabuthema mehr, es komme zu immer mehr Anzeigen. Ihr gehe es darum, den Opfern zu helfen, denn die Opfer litten ihr ganzes Leben darunter und litten auch unter schweren psychischen Schäden. Die Partnerschaft in der Familie müsse ernst genommen werden. GR Mag. Sonja Wehsely (SPÖ) betonte, nicht die Zahl der Kindesopfer sei gestiegen, sondern die Zahl der Anzeigen. Die Stadt Wien nehme den Schutz der Opfer ernst, dies zeige das Programm der schonenden Befragung, der Vertrag zwischen Wien und der Rechtsanwaltskammer über kostenlosen Beistand und der Sozialhilfefonds für Opfer. Polizeistaatmethoden, wie sie die FPÖ wolle, hälfen den Opfern nichts. Sie trete dafür ein, die Kinder als gleichberechtigte Partner zu betrachten und sie zu lehren, "Ja" und "Nein" zu sagen, und Autoritäten zu hinterfragen. (Forts.) fk/vo

(RK vom 09.09.1999)