Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 05.11.1999:
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Wiener Gemeinderat (2)

Wien, (OTS) Auf Antrag der SPÖ fand eine Aktuelle Stunde zum Thema "Nahversorgung in Wien" statt. GR Komm.-Rat Fritz Strobl (SPÖ) verwies auf die Bedeutung der Nahversorgung für die Lebensqualität der gesamten Bevölkerung. Der Großteil der Nahversorgungsbetriebe seien aber Kleingewerbetreibende, die der starken ...

Wien, (OTS) Auf Antrag der SPÖ fand eine Aktuelle Stunde zum Thema "Nahversorgung in Wien" statt. GR Komm.-Rat Fritz Strobl (SPÖ) verwies auf die Bedeutung der Nahversorgung für die Lebensqualität der gesamten Bevölkerung. Der Großteil der Nahversorgungsbetriebe seien aber Kleingewerbetreibende, die der starken Konkurrenz durch die Großbetriebe und Einkaufszentren ausgesetzt seien. Die Kleinbetriebe seien aber auch wichtig für die Beschäftigung, 73 Prozent aller Lehrlinge werden in diesen Betrieben ausgebildet. Die verstärkte Hilfe für diese Nahversorgungsbetriebe zeige bereits erste Erfolge und gebe zahlreichen Branchen echte Überlebenschancen. Der Redner lud die anderen Fraktionen ein, einen gemeinsamen Arbeitskreis zum Thema Nahversorgung zu bilden. GR Gerhard Göbl (SPÖ) meinte, nur die Liberalisierung alleine sei kein Lösungsansatz, Lebensmittelkontrolle und Konsumentenschutz sowie Konzessionsprüfungen etwa bei Installateuren oder Elektrikern könnten nicht abgeschafft werden. Durch den Einsatz der SPÖ sei es auch gelungen, zahlreiche weitere Pläne für Einkaufszentren einzudämmen.

GR Dr. Rüdiger Stix (ohne Klubzugehörigkeit) verwies darauf, dass das Internet neue Distributionswege anbiete. Als echter Liberaler und echter Freiheitlicher lehne er planwirtschaftliche Maßnahmen ab. Er warnte vor dem Gießkannenprinzip und forderte auf, die Kleinbetriebe steuerlich zu pauschalieren.

GR Mag. Gabriele Hecht (LIF) zeigte sich fasziniert, dass die Regierungsparteien ihre eigene Politik kritisierten. Die Probleme der Nahversorgung gebe es bereits seit vielen Jahren, aber keine Lösungsansätze der Stadtregierung. Es stimme, die Konkurrenz steige, aber die Kaufkraft der Bevölkerung bleibe gleich und viel Kaufkraft fließe in das Umland. Die vorgeschlagene Nahversorgungsoffensive schade den Betrieben nicht, sie bringe aber keine Lösung für die Zukunft. Ebenso argumentierte GR Dr. Wolfgang Alkier (LIF), Defensivstrategien seien für ihn kein Lösungsansatz, das Geschäftesterben gehe weiter. Das LIF wolle Wien zum Einkaufszentrum Europas entwickeln, dazu bedürfe es attraktiver Geschäftsstraßen, der gezielten Förderung von Einkaufszentren, einer Liberalisierung der Öffnungszeiten. Die Wirtschaftsförderung müsse neu überdacht werden, außerdem müsste eine überregionale Politik zwischen Wien, Niederösterreich und dem Burgenland entwickelt werden.

GR Mag. Christoph Chorherr (G) meinte, die SPÖ "weine Krokodilstränen" über das Totalversagen der Koalitionsregierung. Ein Shopping-Center nach dem anderen entstehe, dazu kommen die großen Multiplex-Zentren, gleichzeitig sterben traditionelle Einkaufsstraßen. Man müsse aufhören, die großen Einkaufsmeilen zu genehmigen. Weiters forderte Chorherr eine Änderung des Mietrechtes, da es derzeit bei der Übergabe von Geschäften zu signifikanten Mietenerhöhungen komme. GR Günter Kenesei (G) kritisierte die Regierungsfraktionen, die bisher nichts Konkretes für die Nahversorgung geleistet haben. Er sage Ja zur Diskussion, aber die müsse umfassend sein. Er frage sich, wer die Stadtregierung durch Jahrzehnte hindurch daran gehindert habe, ihre eigenen Wünsche und Vorstellungen zu verwirklichen. Konkret kritisierte Kenesei, dass die Stadtplanung es in den letzten Jahrzehnten verabsäumt habe, in den neuen Wohnsiedlungen genügend Platz für die Nahversorgungsbetriebe zu schaffen.

GR Mag. Hilmar Kabas (FPÖ) kritisierte, dass in den letzten Jahren vieles schief gegangen sei. Die jetzige Aktion komme spät, für einige bereits zu spät. In den letzten fünf Jahren seien 6.000 Nahversorgungsbetriebe zu Grunde gegangen, in ganzen Straßenzügen sei das Geschäftssterben zu beobachten, es zeige sich keine Trendwende ab. Als Ursache ortete der Redner die Belastungspolitik, die hohen Lohnnebenkosten, die Überbürokratisierung, die oft schikanösen Vorschriften und deren schikanöse Handhabung, eine verstaubte Gewerbeordnung sowie die jahrelange verfehlte Stadtplanung und die falsche Verkehrspolitik. StR. Walter Prinz (FPÖ) forderte, die Rahmenbedingungen für die Nahversorgungsbetriebe zu verbessern. Die neue Förderungsaktion halbiere aber die Förderung dieser Betriebe. Das Gießkannenprinzip sei falsch, die Betriebe bräuchten mehr effektive Beratung.

GR Komm.Rat Gerhard Pfeiffer (ÖVP) befasste sich mit der historischen Entwicklung der Nahversorgung in den Städten und verwies darauf, dass es nun neue Formen des Einkaufens, wie etwa die Erlebniseinkaufswelten gebe. Die klassische Nahversorgung umfasse fast 40 Branchen und es sei in Wien gelungen, das "Sterben" dieser Betriebe zu verhindern. Man müsse langfristig denken, die Interessen der Konsumenten berücksichtigen, neue Formen des Marketing einführen, um die Vielfalt zu erhalten. Außerdem müsse alles unternommen werden, um die Hemmnisse abzubauen und die Flexibilität zu erhalten. GR Mag. Franz Karl (ÖVP) meinte, die Nahversorgung sei nicht nur eine Frage der Wirtschaft, sondern auch ein Problem der Konsumenten. Wo die Nahversorgung nicht funktioniere, seien vor allem die sozial Schwächeren betroffen. Stadtverwaltung und Wirtschaftskammer hätten gemeinsam viel unternommen, um die Nahversorgung zu sichern. Die Förderungsmittel seien aufgestockt worden. GR Karl sprach sich für den Ausbau der Hauszustellungen und eine Ausweitung der Öffnungszeiten der Nahversorgungsbetriebe aus, erteilte aber der Forderung nach Sonntagsöffnungszeiten eine klare Absage. (Forts.) fk/rr

(RK vom 05.11.1999)