Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 24.11.1999:
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Wiener Gemeinderat (2)

Wien, (OTS) Auf Vorschlag des LIF fand eine Aktuelle Stunde zum Thema "Ein Haus der Geschichte in Wien - Ort der Begegnung für Menschen, die die Geschichte suchen, Symbol für ein neues Österreich". GR Mag. Gabriele Hecht (LIF) verwies auf Leon Zelman, den Ideengeber für diese Initiative. "Nie wieder" sei gerade ...

Wien, (OTS) Auf Vorschlag des LIF fand eine Aktuelle Stunde zum Thema "Ein Haus der Geschichte in Wien - Ort der Begegnung für Menschen, die die Geschichte suchen, Symbol für ein neues Österreich".

GR Mag. Gabriele Hecht (LIF) verwies auf Leon Zelman, den Ideengeber für diese Initiative. "Nie wieder" sei gerade heute von größter Bedeutung, da es den Anschein habe, dass das nicht mehr gesichert sei. Man müsse daher alles tun, um sich mit der jüngsten Geschichte intensiv auseinander zu setzen. Vor allem mit dem Beginn, denn Auschwitz sei das Ende gewesen. Mechanismen und Methoden müssten für die Jugend durchschaubar gemacht werden. Daher sei ein Haus der Geschichte oder der Toleranz dringend notwendig. Dieses Haus sollte drei Bereiche umfassen, einen erzieherischen, mit neuesten Unterrichtsmethoden und Bibliothek, eine Ausstellung, in der persönliche Schicksale dokumentiert werden sollen und als dritten Bereich die Forschung und Dokumentation. Von den zwei Ministervorschlägen (Gehrer: Haus der Geschichte, Einem: Haus der Toleranz) gebe sie dem Einem-Vorschlag den Vorzug. Die Rednerin plädierte für das Palais Epstein als Ort, weil es Symbol für die Geschichte Österreichs sei. GR Marco Smoliner (LIF) sprach - zur Grünen Forderung nach einem Anti- Rassismus-Gesetz und erst anschließender Museums-Diskussion - von einem Irrtum der Grünen, denn selbstverständlich sei ein Anti- Rassismus-Gesetz wichtig und aktuell, aber die sachliche Auseinandersetzung mit der Geschichte in einem Haus der Toleranz sei ein wichtiger Baustein in der Mauer zur Abwehr von Hetze und Rassismus. Man solle sich, wie es Leon Zelman verlangt, aufrichtig und ehrlich der Geschichte stellen.

Es gebe jetzt Wichtigeres, als über Museen zu diskutieren, erklärte Stadträtin Dr. Friedrun Huemer (G). Österreich brauche jetzt ein Anti-Rassismus-Gesetz. Nach der beispiellosen Hetze und der Wahlplakate der FPÖ verlange diese Partei nun, dass alle Ausländer in Österreich einen Ausweis erhielten und ihren Fingerabdruck bei der Polizei hinterließen. Österreich brauche dieses Gesetz dringend, um allen Menschen gleiche Rechte zu sichern. Rassismus müsse unter Strafe gestellt werden. Man dürfe mit diesen legistischen Maßnahmen keinesfalls länger warten, es müsse dringend eine Grenze gegen Rassismus gezogen werden. Danach könne man gerne über ein Museum diskutieren. Auch GR Susanne Jerusalem (G) betonte, dass die Grünen ein Haus der Toleranz wollen. Aber ein Symbol für ein neues Österreich könne es nur geben, wenn es auch ein neues Österreich gebe. Die Rednerin wiederholte die Kritik an der FPÖ, unterstrich die Forderung nach einem Anti-Rassismus-Gesetz und forderte das Wahlrecht für Ausländer. Nun komme es auf die SPÖ an, die dem Druck der FPÖ Stand halten müsse. Die Zeit des Nationalsozialismus und der Ermordung der Juden sei immer ein Kapitel gewesen, über das nie gesprochen worden sei. Daher müsse man sich jetzt umso intensiver damit auseinander setzen.

Es sei Aufgabe des Parlaments, sich mit allen gesellschaftlichen Strömungen auseinander zu setzen, aber ein Gesetz gegen Rassismus sei nicht der richtige Weg, erklärte GR Dr. Johannes Hahn (ÖVP). Beim Anti-Rassismus seien alle Menschen gefordert, ihre Stimme zu erheben. Man müsse sich unbedingt dem Problem widmen, ein Gesetz führe aber eher zur Aufschaukelung dieses Themas. Der Redner plädierte für ein Haus der Geschichte im Geist der Toleranz, in dem beide Konzepte verbunden werden. Die Geschichte Österreichs bestehe eben nicht nur aus sieben Jahren Nazi-Zeit. Hahn brachte auch einen neuen Standortvorschlag in die Diskussion, wobei er sich für den Platz der ehemaligen Kunsthalle auf dem Karlsplatz aussprach, wo mit neuer Architektur ein derartiges Haus entstehen könnte. Auch GR Dr. Andreas Salcher (ÖVP) sprach sich für ein Haus der Geschichte aus, in dem die drei Bereiche Erste Republik, Drittes Reich, Zweite Republik dargestellt werden sollten. Er wandte sich auch gegen alle Meinungen, dass eine Konzeptvariante die andere zerstören würde. Man solle auch nicht mit dem Maßband der politischen Korrektheit messen, wenn man die einzelnen Stellungnahmen beurteile. Die ÖVP sei für Toleranz, aber gegen Toleranz gegenüber Intoleranz.

Aufschaukelungen in der Tagespolitik erfolgten immer wieder durch die Grünen, erklärte StR. Johann Herzog (FPÖ). Die Museumsidee stelle nicht zuletzt auch ein Versagen der institutionellen Bildung dar. Der Redner verwies darauf, dass eine Machbarkeitsstudie über ein Haus der Toleranz im Palais Epstein zurück gezogen wurde. Leon Zelman selbst habe gesagt, er wolle kein Holocaust-Museum. Die FPÖ trete für eine Gesamtschau der Geschichte ein, so wie dies u.a. bereits von Univ.-Prof. Dr. Karner vorgeschlagen wurde. Es sollte also ein Haus der Geschichte entstehen, als Standort sei das Arsenal geeignet. GR Komm.Rat Gert Wolfram (FPÖ) stellte die Frage, wieso das Palais Epstein als symbolträchtig angesehen werde. Nach der Erbauung durch Baron Epstein habe dieser zehn Jahre darin gewohnt und dann sei das Gebäude als Firmensitz, Stadtschulrat, Reichsbauamt, russische Kommandantur und wieder Stadtschulrat in Verwendung gewesen. Hinter den unterschiedlichen Konzepten von "Haus der Toleranz" und "Haus der Geschichte" vermutete der Redner Proporzabsichten. Jene, die Toleranz fordern, sollten auch selbst mehr Toleranz an den Tag legen, stellte Wolfram fest.

Dass die FPÖ gegen ein Haus der Toleranz sei, sei für ihn durchaus verständlich, erklärte GR Ernst Woller (SPÖ). Der Ausweis für Ausländer und der geforderte Fingerabdruck seien ein weiteres Drehen an der Verhetzungsschraube. Angesichts dieser hetzerischen Politik sei es daher wichtig, ein Haus der Toleranz und ein Antirassismusgesetz zu schaffen. Die Diskussion über zwei Konzepte sei keine Katastrophe, aber die Idee des Hauses der Toleranz sei zuerst da gewesen und sei auch die umfassendere, weil es hier um die Geschichte Mitteleuropas gehe und um das Leid, das Juden, Roma oder Sudetendeutschen zugefügt wurde. Woller verwies auf hochrangige Experten, die sich ebenfalls für ein Haus der Toleranz ausgesprochen hätten. Diese Initiative sei die kritischere und aufklärerische. Toleranz sei der richtige Weg. GR Dr. Michael Ludwig (SPÖ) wies das Proporz-Argument der FPÖ zurück, die FPÖ solle besser einen inhaltlichen Beitrag zum Thema leisten. Zu den Grünen und Liberalen meinte er, die SPÖ brauche keine Nachhilfe in Demokratie und Toleranz. Die Idee eines Hauses der Geschichte, eines Hauses der Toleranz und eines Holocaust-Museums sollte miteinander verknüpft werden und in ein Konzept gegossen werden. Auch Dr. Ludwig sprach sich gegen das Tolerieren der Intoleranz aus. (Forts.) js/rr

(RK vom 24.11.1999)