Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 29.06.2000:
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Wiener Gemeinderat (1)

Wien, (OTS) Die Sitzung des Gemeinderates am Donnerstag begann mit einer Fragestunde. In der ersten Anfrage wollte GR Marianne Klicka (SPÖ) von StR. Dr. Sepp Rieder (SPÖ) wissen, wie er die Auswirkungen des Belastungspakets der schwarz-blauen Regierung auf das Wiener Gesundheitswesen beurteile. Dieses Maßnahmenpaket ...

Wien, (OTS) Die Sitzung des Gemeinderates am Donnerstag begann mit einer Fragestunde. In der ersten Anfrage wollte GR Marianne Klicka (SPÖ) von StR. Dr. Sepp Rieder (SPÖ) wissen, wie er die Auswirkungen des Belastungspakets der schwarz-blauen Regierung auf das Wiener Gesundheitswesen beurteile. Dieses Maßnahmenpaket sei in keiner Weise geeignet, eine grundlegende Reform des Gesundheitswesens zu bewirken bzw. dessen Finanzierung auf Dauer sicherzustellen oder die finanzielle Lage der Sozialversicherungen zu stabilisieren, sagte Rieder. Es sei eher eine Antireform, die die Struktur des österreichischen Gesundheitswesens gefährde und nur den Zweck habe, aus dem Gesundheitswesen Geld zu beschaffen, das die Regierung für andere Zwecke einsetzen wolle. Als Beispiel dafür nannte er die kommende Ambulanzgebühr, von der behauptet werde, dies sei eine Maßnahme, mit der man Strukturveränderungen bewirken und Patienten zum niedergelassenen Arzt "umleiten" wolle. Dies funktioniere nur, wenn der Patient auch die Möglichkeit habe, zum Arzt zu gehen. Ab Freitag und jedenfalls Samstag und Sonntag hätten Patienten jedoch keine Chance, offene Ordinationen zu finden. Rieder forderte eine gesetzliche Preisregelung bei Medikamenten und kritisierte Maßnahmen der Bundesregierung wie das Bettenabbauprogramm, die Kürzung der Mittel für die AUVA, die Kürzung der Laufzeit des Krankengeldes und das Zurückdrängen der erfolgreichen Politik "Therapie statt Strafe" im Drogenbereich.

Die zweite Anfrage, gerichtet von GR Mag. Gabriele Hecht (LIF) an StR. Mag. Brigitte Ederer (SPÖ), behandelte den Rückkauf der Wiener Messe. Die Fragestellerin erkundigte sich nach den strategischen Vorgaben, die dem Kauf der Messegesellschaft zum jetzigen Zeitpunkt zu Grunde lägen. Ederer wies darauf hin, dass die Stadt Wien im Interesse des prosperierenden Wirtschaftsstandortes und der Umwegrentabilität bereit sei, die Voraussetzungen für einen international konkurrenzfähigen Messestandort zu schaffen. Schon jetzt gebe es durch die bestehenden Messeveranstaltungen einen Kaufkraftzufluss von 1,6 Milliarden Schilling. Aufgabe der Stadt Wien werde es aber nicht sein, Messen durchzuführen. Dafür solle es einen internationalen Partner - wobei zwei designierte Interessenten vorhanden seien - geben. Die Messegesellschaft solle daher in eine Besitzgesellschaft im Mehrheitseigentum der Stadt und eine Betreibergesellschaft, an der Wien aber keine Anteile haben sollte, "gespalten" werden. Durch diese Konstruktion solle eine Einflussnahme der Stadt Wien auf die ausschließlich nach wirtschaftlichen Kriterien zu gestaltenden Veranstaltungen ausgeschlossen werden. Potente Mitbetreiber gebe es aber nur, wenn entsprechende Investitionen gesichert würden, erklärte Ederer. Zum Preis und den Verbindlichkeiten beim Rückkauf der Messegesellschaft wies sie darauf hin, dass diese unter dem damaligen Vbgm. Mayr um 287 Millionen Schilling sowie den Verbindlichkeiten verkauft worden war. Sollte der Gemeinderat heute zustimmen, werde man die Messegesellschaft um rund 100 Millionen Schilling übernehmen, die Verbindlichkeiten betragen 620 Millionen Schilling. Ederer unterstrich dabei, dass alleine der Eigengrund der Messe von 155.000 Quadratmetern selbst bei einem niedrig angesetzten Preis von 4.500 Schilling pro Quadratmeter 697 Millionen Schilling wert sei, allein dies rechtfertige den Kaufpreis, dazu kämen noch 217.000 Quadratmeter Bestandgrund. Die Stadt mache mit dem Grundstücks- und Hallenkauf ein gutes Geschäft.

Auf die Aussage von Bgm. Dr. Michael Häupl (SPÖ), durch die Lobau werde es keine Autobahn geben, bezog sich GR Mag. Christoph Chorherr (G) in der dritten Anfrage: Ob die BürgerInnen Wiens davon ausgehen könnten, dass Häupl alles tun werde, um den Bau einer Autobahn durch bzw. unter der Lobau zu verhindern? Häupl erinnerte daran, dass er in einem Chat gefragt worden sei, was er von einer Autobahn durch die Lobau halte, und erwidert hatte, er halte nichts davon, was auch stimme. Der ernste Hintergrund bei der Frage einer Nordostumfahrung sei aber der: Es stehe außer Zweifel, dass angesichts des Verkehrsaufkommens in Ostösterreich neben dem Bahnausbau, den er forciere, auch der Straßenbau nötig sei, darunter eine entsprechende Autobahn-Anbindung von Prag und Brünn. "Wir müssen begreifen, dass wir in ein neues Mitteleuropa hineingerückt sind, das auch Auswirkungen auf den Verkehrsinfrastrukturausbau hat", unterstrich der Bürgermeister. Er stimme daher mit jenen überein, die sagten, man brauche eine Nordostumfahrung der Stadt; er wolle, dass es möglich sei darüber nachzudenken. Er sei überzeugt, dass sich mit der Notwendigkeit der Nordostumfahrung auch eine technische Kompatibilität des hochwertigen Guts Nationalpark und Naturschutzgebiet Lobau herstellen ließe. So sei ein Tunnel unter Berücksichtigung von Faktoren wie Grundwasserströmung etwas, das man sich ansehen sollte - Fachleute verträten die Auffassung, er sei ohne Beeinträchtigung des Nationalparks durchaus möglich. Er, Häupl, wolle jedenfalls nichts anderes, als dass man über den Straßenausbau ebenso diskutiere wie über den Eisenbahnausbau und nicht von vornherein Straßenvarianten wie die Nordostumfahrung ablehne. (Forts.) hrs/vo

(RK vom 29.06.2000)