Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 30.06.2000:
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Wiener Landtag (2)

Wien, (OTS) Auf Vorschlag der SPÖ gab es eine Aktuelle Stunde unter folgendem Titel: "Die gesetzlichen Interessensvertretungen wie Landwirtschaftskammer, Wirtschaftskammer, Arbeiterkammer, etc. haben für die Bewohner und Beschäftigten im Bundesland Wien eine große Bedeutung. Es erfüllt daher mit Sorge, dass von ...

Wien, (OTS) Auf Vorschlag der SPÖ gab es eine Aktuelle Stunde unter folgendem Titel:

"Die gesetzlichen Interessensvertretungen wie Landwirtschaftskammer, Wirtschaftskammer, Arbeiterkammer, etc. haben für die Bewohner und Beschäftigten im Bundesland Wien eine große Bedeutung. Es erfüllt daher mit Sorge, dass von Vertretern der Bundespolitik Maßnahmen angekündigt werden, welche die Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Interessensvertretungen, insbesondere der Arbeiterkammer, reduzieren. Eine solche Vorgangsweise könnte für das Land Wien nur eine schwer zu korrigierende Gefährdung der Interessen Wiens bedeuten."

LAbg. Johann Driemer (SPÖ) kritisierte die Angriffe der Bundesregierung gegen die Arbeiterkammer und riet "Hände weg von der Arbeiterkammer-Autonomie". Eine Gefährdung dieser Autonomie käme auch einer Gefährdung des sozialen Friedens gleich. Die AK finanziere sich durch die Beiträge der Arbeitnehmer, eine finanzielle Aushungerung würde eine Schwächung der Sozialpartnerschaft bedeuten. Die Regierung benutze die Attacke auf die AK nur, um von ihrem riesigen Belastungspaket auf dem Rücken der Arbeitnehmer abzulenken. Der Redner wies auf die deutlichen Verluste der FPÖ bei den Arbeiterkammerwahlen hin und würdigte die Leistungen der AK. Die AK sei nicht mehr wegzudenken, erklärte Driemer und plädierte für starke Arbeiterkammern. LAbg. Rudolf Hundstorfer (SPÖ) meinte zur FPÖ gewandt: "Arbeitnehmerrechte sind Ihnen ein Dorn im Auge". Eine Senkung der Arbeiterkammerumlage würde auch zu einer Senkung der AK-Leistungen führen und sei daher falsch. Die FPÖ missbrauche die Kammern parteipolitisch, weil sie eine Absenkung der Beiträge verlange. Die FPÖ, so der Redner, sei der Großindustrie verpflichtet und ziehe dem kleinen Arbeitnehmer das Geld aus der Tasche.

LAbg. Mag. Christoph Chorherr (G) sprach von einem etwas sperrigen Titel der Aktuellen Stunde, der es erschwere, auf den Kern der Sache zu kommen. Chorherr kritisierte die Subventionsmillionen für die Wiener Landwirtschaftskammer, die zwar nur wenige Bauern vertrete, aber selbst eine große Interessensvertretung sei. Vehement kritisierte er weiters eine Werbeaktion der Wirtschaftskammer, die in zwei Tageszeitungen in einer Beilage "peinliches Lob" für den scheidenden Wirtschaftskammerpräsidenten mit Beiträgen der Wirtschaftstreibenden finanziere.

LAbg. Dr. Matthias Tschirf (ÖVP) betonte, dass starke Arbeiterkammern gebraucht würden, die ÖVP habe dies auch immer vertreten. Er erinnerte dabei daran, dass der Rechtsschutz für Arbeitnehmer auf Initiative der ÖVP geschaffen wurde. Eindringlich wandte er sich aber gegen einen Missbrauch der Arbeiterkammern für parteipolitische Zwecke. Die AK sollte wieder eine überparteiliche Organisation werden und nur der Arbeit für alle Arbeitnehmergruppen verpflichtet sein. Die AK sei nicht dazu da, "um das Kriegsbeil gegen die Regierung auszugraben", sie solle ein Anwalt der Arbeitnehmer und nicht der parteipolitischen Interessen sein. LAbg. DI Dr. Herlinde Rothauer (ÖVP) kritisierte, dass unter dem Titel der Aktuellen Stunde offensichtlich der Arbeiterkammerwahlkampf weitergeführt werden solle. Kammern hätten nicht nur für Bewohner und Beschäftigte in Wien große Bedeutung, sondern selbstverständlich auch für Unternehmer. Durch billige Polemik von SP-Gewerkschaftern würde den Arbeiterkammern Schaden zugefügt. Rothauer hob die Arbeit der Wirtschaftskammer und deren Dienstleistungen für die Unternehmen hervor und verwies auch auf die Erneuerungsbemühungen, wo es auch zu einer Reduktion der Beitragsleistungen komme.

Würde der Titel dieser Aktuellen Stunde wirklich stimmen, was müssten dann etwa die Bewohner von Berlin, Madrid oder Paris sagen, wo es überhaupt keine Kammern gibt, stellte Zweiter Landtagspräsident Johann Römer (FPÖ) fest. Er erinnerte daran, dass sich die SPÖ lange gegen die Einführung des Rechtsschutzes für Arbeitnehmer in der Arbeiterkammer gewehrt habe, weil man fürchtete, dass dann die Gewerkschaft Mitglieder verlieren würde. Über Sparsamkeit zu diskutieren sei sicher auch in der Arbeiterkammer legitim. Niemand wolle die Leistungen der AK schmälern, aber eine Überprüfung, welche Leistungen gebraucht würden und welches Geld dafür eingesetzt werden solle, müsste stattfinden. Die Arbeiterkammer werde parteipolitisch missbraucht, um "Gräuelpropaganda gegen die Arbeit der Regierung" zu machen. Dies schade den Kammern und den Arbeitnehmern. LAbg. Komm.Rat Gert Wolfram (FPÖ) übte ebenfalls Kritik an der parteipolitischen Ausrichtung der AK und ihrer Zeitung. Die FPÖ sei für starke Interessensvertretungen, aber gegen deren parteipolitische Benutzung. Der Reformwille in der Handelskammer sei nur auf Drängen der FPÖ zustande gekommen. Er räumte ein, dass die FPÖ einmal die Kammern abschaffen wollte, jetzt gebe es Zustimmung zu Reformen. Auch die AK müsse sich daher reformieren.

Die Landwirtschaftskammern in ganz Österreich würden Subventionen erhalten, erklärte LAbg. Dr. Rüdiger Stix (ohne Klubzugehörigkeit). Bei der Wirtschaftskammer gebe es Reformbedarf. Die Arbeiterkammer erbringe exzellente Leistungen in der Beratung, die AK-Publikationen würden jedoch einen kritikwürdigen Eindruck von zu viel moralisierender Politik erwecken. (Forts.) js/rr

(RK vom 30.06.2000)