Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 14.12.2000:
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Wiener Gemeinderat (2)

Wien, (OTS) Auf Vorschlag der SPÖ fand eine Aktuelle Stunde zum Thema "Helfen statt strafen - Hände weg von der Fristenlösung" statt. Leider werde das Thema nach 25 Jahren wieder aktuell, kritisierte GR Martina Ludwig (SPÖ). Nach der "Gemeinsamen Obsorge-Diskussion" breche die neue Bundesregierung nun die " ...

Wien, (OTS) Auf Vorschlag der SPÖ fand eine Aktuelle Stunde zum Thema "Helfen statt strafen - Hände weg von der Fristenlösung" statt.

Leider werde das Thema nach 25 Jahren wieder aktuell, kritisierte GR Martina Ludwig (SPÖ). Nach der "Gemeinsamen Obsorge-Diskussion" breche die neue Bundesregierung nun die "Fristenregelung-Diskussion" vom Zaun. Ein Herr Frauenminister wolle, dass der Mann beim Schwangerschaftsabbruch mitentscheiden könne. Es gehe hier eindeutig um den Versuch der Entmündigung der Frauen und das Zurückdrängen ihres Selbstbestimmungsrechtes. Der Schritt zum Schwangerschaftsabbruch sei für keine Frau eine leichte Entscheidung, es bedürfe aber eines menschenwürdigen Rahmens, um Kinder zu gebären und groß zu ziehen. Ludwig forderte ein Ende dieser Debatte, die Möglichkeit eines legalen Schwangerschaftsabbruches in ganz Österreich, mehr Beratung und Aufklärung, Gratiskondome für alle und die Zulassung von Mifegyne.

Der Herr Frauenminister habe ein großes Ressort und viele Probleme und widme sich ausgerechnet dem sensibelsten Frauenthema, ohne Lösungen anzubieten, stellte GR Mag. Gabriele Hecht (Liberaler Landtagsklub) fest. Für den Interessenskonflikt der Frau in diesem Zusammenhang gebe es keine wirkliche Lösung. Die Fristenlösung sei nur ein Kompromiss, allerdings ein guter. Man sollte die Fristenlösung daher nicht in Frage stellen. Nur die Frau selbst könne letztlich entscheiden. Abtreibungen sollten vermieden werden, aber nur durch Hilfe und nicht durch Strafe.

Etwas gegen Diskriminierung zu tun sei zwar positiv, erklärte GR Alessandra Kunz (G), die FPÖ sei aber auch hier nicht glaubwürdig. So wie bei den Maßnahmen zur Entschädigung für Zwangsarbeiter seien es keine inhaltlichen Anliegen dieser Partei, sondern bedeuteten lediglich Imagepolitur. Auch die SPÖ sei nicht besonders glaubwürdig, wenn sie einerseits dieses Thema wähle, andererseits aber Zuschüsse für Betreuungseinrichtungen für Schwangere gestrichen würden.

Niemand wolle die Fristenlösung abschaffen, betonte GR Mag. Franz Karl (ÖVP). Der Slogan "Mein Bauch gehört mir" sei in Ordnung, aber das Kind gehöre eben nicht alleine der Frau. Konkret gehe es um die eugenische Indikation, die Möglichkeit der Abtreibung von ernsthaft geschädigten Kindern bis buchstäblich eine Minute vor der Geburt. Dies erinnere an das Nazi-Regime, in dem auch die Vernichtung behinderten Menschenlebens an der Tagesordnung war. Auch behinderte Kinder haben ein Recht auf Leben, er sage klar Nein zu "töten statt lieben".

Es gehe hier auch um ein Werteurteil der Gesellschaft, sagte StR. Karin Landauer (FPÖ), einen gesellschaftlichen Konsens, bei dem eine neue Definition versucht werde. Sie zitierte die FPÖ- Nationalratsabgeordnete Partik-Pablé, Mutter eines behinderten Kindes, und bezeichnete die eugenische Indikation als behindertenfeindlich und Verachtung menschlichen Lebens. Es gehe bei der vom Frauenminister ausgelösten Diskussion nicht um die Fristenlösung. Dank der Politik der SPÖ lebe man heute in einer Kindervermeidungsgesellschaft. Behindertes Leben sei nicht weniger wert als nichtbehindertes. Sie forderte positive Maßnahmen.

GR Dr. Rüdiger Stix (ohne Klubzugehörigkeit) erklärte, dass die Debatte zu diesem Thema nicht mit der Aktuellen Stunde zu Ende sein sollte. Es sei eine sehr heikle Diskussion, mit dem Thema müsse man sich gewissenhaft beschäftigen.

Es würden zwei Diskussionen vermischt, sagte GR Marco Smoliner (Liberaler Landtagsklub). Mit der Thematisierung der eugenischen Indikation werde der Versuch unternommen, die Fristenlösung zu kippen. Der Redner verwahrte sich dagegen, die eugenische Indikation in die Nähe des dritten Reiches zu rücken, dies würde einer Verharmlosung des Kindermordes unter Hitler gleich kommen. Behinderte seien ihr ganzes Leben lang diskriminiert und würden an einem selbstbestimmten Leben gehindert.

Die behinderten Menschen würden sich benützt fühlen mit dieser Diskussion, sagte GR Jutta Sander (G). Sie zitierte ausführlich die Grüne Nationalratsabgeordnete Petrovic, wonach die Anwendung des Strafrechtes sicher falsch sei, niemand für eine Abtreibung zu verurteilen sei, aber auch nicht dazu animiert werden sollte. Sie kritisierte die zu niedere Behinderteneinstellungsquote der Stadt Wien und die mangelhafte Hilfestellung für Behinderte.

Ein sehr sensibles Thema, stellte auch GR Maria Hampel-Fuchs (ÖVP) fest. Nicht die Bundesregierung, sondern die SPÖ habe heute die Fristenlösung zur Debatte gestellt. Wie menschlich die Gesellschaft sei, zeige vor allem ihr Umgang mit Behinderten. Insgesamt eigne sich diese Thematik nicht für eine kurzfristige Behandlung in einer Aktuellen Stunde oder als Wahlkampfthema. Eine hochrangig besetzte Kommission sollte Überlegungen anstellen.

Es gebe keinen Angriff der Bundesregierung auf die Fristenlösung, betonte GR Heidrun Schmalenberg (FPÖ). Man sollte mit diesem Thema keine Parteipolitik betreiben, mehr Sachlichkeit würde auch den betroffenen Frauen mehr helfen. Es gebe eine Diskussion über Gesetzesformulierungen, die eine Diskriminierung für Behinderte darstellten. Die von der SPÖ propagierte Aktion "Halbe-Halbe" sollte nicht nur bei der Hausarbeit, sondern auch bei der Verantwortung und der Mitsprache für Kinder gelten.

Hier gelte besonders die Devise "Wehret den Anfängen", erklärte GR Josefa Tomsik (SPÖ). Auch die FPÖ- Nationalratsabgeordnete Partik-Pable halte diese Diskussion für mehr als entbehrlich. Die SPÖ habe immer gegen die Kriminalisierung der Frauen und Ärzte gekämpft. Sie beschrieb die frühere Situation von Frauen, die sich eine illegale Abtreibung nicht leisten konnten und warnte davor, soziale und medizinische Indikationen zu vermischen. Frauen müssten in dieser Frage allein und frei entscheiden können. (Forts.) js/vo

(RK vom 14.12.2000)