Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 14.06.2002:
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Brüssel: Kommission ändert Parlamentslinie bei Schwellenwerten

Wien (RK). Die Europäische Kommission (EK) hat nunmehr einen geänderten Richtlinienentwurf zum Öffentlichen Auftragswesen vorgelegt und ist damit Spekulationen über eine mögliche Rücknahme des Vorschlags entgegengetreten. In der Änderungsrichtlinie modifiziert sie das Votum des Parlaments (EP) an für die Kommunen ...

Wien (RK). Die Europäische Kommission (EK) hat nunmehr einen geänderten Richtlinienentwurf zum Öffentlichen Auftragswesen vorgelegt und ist damit Spekulationen über eine mögliche Rücknahme des Vorschlags entgegengetreten. In der Änderungsrichtlinie modifiziert sie das Votum des Parlaments (EP) an für die Kommunen entscheidenden Stellen, so macht sie etwa die Erhöhung der Schwellenwerte rückgängig.

Die Anhebung der Schwellenwerte war für die EK der Hauptgrund, eine Rücknahme der Richtlinie über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Liefer-, Dienstleistungs- und Bauaufträge zu erwägen. Noch kurz vor der Abstimmung im EP im Jänner d.J. hatte Binnenmarkt-Kommissar Frits Bolkestein diesen Schritt angekündigt; dass es nun doch anders gekommen ist und die EK vor der Debatte im Rat eine Änderungsrichtlinie präsentiert hat, dürfte daran liegen, dass sie mit den Vorschlägen des EP im wesentlichen einverstanden ist nur eben nicht bei den Schwellenwerten. Der modifizierte Richtlinienvorschlag vom Mai 2002, der gemäß Art.250 Abs.2 EG in das laufende Legislativverfahren eingebracht wurde enthält u.a. folgende zentrale Punkte:

Ausnahme der Vergabevorschriften bei Inhouse-Geschäften

Der entsprechende Änderungsvorschlag des EP wurde von der EK im neuen Vorschlag übernommen. In einem neuen Artikel 19a solle es künftig heißen: "Diese Richtlinie gilt nicht für öffentliche Aufträge, die ein Auftraggeber an eine von ihm rechtlich getrennte Stelle vergibt, deren Anteile allein dieser Auftraggeber besitzt, sofern diese Stelle gegenüber dem Auftraggeber nicht autonom entscheiden kann, weil dieser über sie eine Kontrolle ausübt wie über seine eigenen Dienststellen und sofern diese Stelle ihre Tätigkeit nur für den Auftraggeber verrichtet, der ihre Anteile innehat". Dienstleistungsaufträge, die aufgrund eines Ausschließlichkeitsrechtes vergeben werden hierunter können sämtliche Leistungen der Daseinsvorsorge fallen sollen ebenfalls nicht unter die Vergaberichtlinien fallen (Art. 19).

Kommission soll Verhältnis Dienstleistungskonzession/Public-Private-Partnership klären

Laut einem in Übereinstimmung mit dem EP formulierten neuen Erwägungsgrund soll die Kommission die Möglichkeit prüfen, "die Rechtssicherheit im Bereich der Konzessionen und der öffentlich/privaten Partnerschaften zu erhöhen und, falls sie es für erforderlich hält, einen Vorschlag für einen Rechtsakt vorzulegen". Tatsächlich ist das Verhältnis Vergaberecht/Konzessionsrecht auf europäischer Ebene bislang unklar. Eine zurückliegende Mitteilung der EK über Auslegungsfragen bei Konzessionen im Gemeinschaftsrecht aus dem Jahr 2000 konnte den Mangel an Rechtsklarheit nicht beseitigen.

Keine Anhebung der Schwellenwerte

Die EK begründet dies damit, dass durch eine Anhebung den Wirtschaftsteilnehmern der EU "ohne Grund" weniger öffentliche Aufträge angeboten würden. Das bei europaweiten Ausschreibungen vorzunehmende Verwaltungsverfahren sei nicht aufwendiger als das auf nationaler Ebene durchzuführende Verfahren unterhalb der Schwellenwerte. Im übrigen sei eine einseitige Anhebung nicht mit den internationalen Verpflichtungen der EU in der WTO vereinbar und die EU würde "eindeutig" an Glaubwürdigkeit verlieren, wenn man einerseits die Anhebung der Schwellenwerte fordere, sich aber andererseits für die Öffnung der Märkte einsetze.

Finanzdienstleitungen sollen doch unter Vergaberecht fallen

Zwar hatte das EP bei der Kreditaufnahme der öffentlichen Hand und bei Finanzdienstleistungen eine Ausnahme von der Vergabevorschriften gefordert, jedoch hat dies die EK in ihrem Änderungsvorschlag nicht berücksichtigt: "Dieser Ausschluss hätte zur Folge, dass jede Projektfinanzierung einer öffentlich- rechtlichen Körperschaft ohne Ausschreibung auf europäischer Ebene vergeben werden könnte. Dies läuft dem Ziel der Liberalisierung der Finanzdienstleitungen zuwider und ist nicht durch die Volatilität der Zinssätze gerechtfertigt", heißt es in der Begründung seitens der EK. (Schluss) pz

(RK vom 14.06.2002)