Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 05.05.2004:
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Kommission plant zwangsweise Liberalisierung der Daseinsvorsorge

Wien (RK). Das lang erwartete Grünbuch zu öffentlich-privaten Partnerschaften und den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen der Europäischen Kommission wurde am Dienstag veröffentlicht. Es handelt sich um eine Zusammenfassung bekannter EuGH-Urteile, vermengt mit ...

Wien (RK). Das lang erwartete Grünbuch zu öffentlich-privaten Partnerschaften und den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen der Europäischen Kommission wurde am Dienstag veröffentlicht. Es handelt sich um eine Zusammenfassung bekannter EuGH-Urteile, vermengt mit Wettbewerbsdenken.

"Für normale Gemeinden wird das Eingehen von Public-Private- Partnerships durch die Unübersichtlichkeit der Regelungen und das damit verbundene Risiko, vor den EuGH gezerrt zu werden, nahezu unmöglich gemacht", erklärte Städtebund-Generalsekretär Erich Pramböck Mittwoch nach erster Durchsicht des 24-Seiten-Papiers.

Public-Private-Partnerships sind Modelle, um unter Einbeziehung privater Anbieter Leistungen in den Bereichen Verkehr, öffentliche Gesundheit, Bildung, öffentliche Sicherheit, Abfallbewirtschaftung und Wasserversorgung anzubieten. Die öffentliche Hand kann so dauerhafte Lösungen zu vernünftigen Preisen anbieten, dabei von privatem Know-how profitieren bzw. gegebenenfalls von privaten Finanzierungen. Die Beteiligung der Gemeinden garantiert die Nachhaltigkeit und Dauerhaftigkeit der Leistung, die Qualität und die Flexibilität gegenüber Bürgerwünschen.

"Für den Österreichischen Städtebund ist klar: Die Europäische Kommission sollte diese Tendenz nicht für weitere Liberalisierungsschritte im Bereich der Daseinsvorsorge missbrauchen und die Kommunen zwangsweise zu Ausschreibungen zu verpflichten - gleichgültig, ob dies sinnvoll ist oder nicht. Bei einer Reihe von Leistungen - Wasserversorgung, soziale Dienstleistungen, Kinderbetreuung - handelt es sich um hochsensible Bereiche. Nicht alles im Leben ist Wettbewerb und Markt. Öffentliche Dienstleistungen müssen für alle Menschen offen stehen", so Pramböck.

"Der vorliegende Text kann als Versuch gewertet werden, unter dem Titel der Klärung der Situation die Erbringung von Dienstleistungen für die Bürger mittels einfacher Kooperationen von Gemeinden und Privaten, wie sie derzeit gang und gäbe sind, zu verunmöglichen. Die Kommunen sind die bürgernächsten öffentlichen Dienstleister. Wir brauchen im Sinne der Subsidiarität Entscheidungsfreiheit, auf welche Art wir Leistungen der Daseinsvorsorge erbringen und wie wir die Gemeindeentwicklung gestalten. Es darf nicht übersehen werden, dass - je mehr Private eingebunden sind - der Koordinationsaufwand dramatisch ansteigt und die Flexibilität abnimmt", so der Städtebund-Generalsekretär.

Die Kommission macht mit ihrem Grünbuch deutlich, wohin die Reise aus ihrer Sicht gehen sollte. Binnenmarktkommissar Fritz Bolkestein hatte gestern erklärt: "Die Zunahme von ÖPP spiegelt im Übrigen eine allgemeinere Tendenz hinsichtlich der Rolle des Staates in der Wirtschaft wider: Der Staat verabschiedet sich von seiner Funktion als direkter Akteur und geht zu Organisation, Regulierung und Controlling über."

Pramböck: "Das entspricht nicht dem österreichischen Selbstverständnis. Das ist eine anmaßende Behauptung der Kommission, dass wir uns von der Leistungserbringung verabschiedet haben sollen. Der Ton macht die Musik. Die Kommission will die Gemeinden einfach zwingen, sich aus der Leistungserbringung für die Daseinsvorsorge zu verabschieden. In der Sichtweise der Kommission stehen nicht Nachhaltigkeit und gute Qualität der Leistungen im Vordergrund, sondern das Wettbewerbsrecht und die Interessen von Großunternehmen. Gemeinden von durchschnittlicher Größe werden analog zum Kommissionstext nur unter größten Schwierigkeiten Public-Private-Partnerships eingehen können - mit dem vollen Risiko, aufgrund der Unübersichtlichkeit der Rechtslage vor dem Europäischen Gerichtshof zu landen."

Das Papier könne so verstanden werden, dass es in seinen Auswirkungen einer Finanzierung von Rechtsanwälten und einer Beschäftigung der Gerichte gleichkäme. Die Bürger und die örtliche Wirtschaft würden kaum profitieren.

Der Österreichische Städtebund werde das Papier kritisch analysieren und Gegenvorschläge erstatten, die auf einer Reihe bewährter österreichischer Lösungen basieren, schloss Pramböck.

  • Das Grünbuch ist im Internet abrufbar:
    http:/ /europa.eu.int/comm/internal_market/ppp

(Schluss) me

  • Rückfragehinweis:
    Österreichischer Städtebund
    Presse und Kommunikation
    Mag. Michael Eipeldauer
    Tel.: 4000/89 990, Handy: 0664/826 84 36

(RK vom 05.05.2004)