Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 19.09.2005:
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Mariahilf: Vorbild für alltags- und frauengerechtes Bauen

Mariahilf: Vorbild für alltags- und frauengerechtes Bauen

Copyright: Christian Fürthner

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Wien (RK). "Gender Mainstreaming" - auch wenn dieser (etwas sperrige) Begriff nicht einfach zu übersetzen ist, so verbirgt sich dahinter ein gesellschaftspolitisch bedeutender Ansatz, durch den die Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Gesellschaft hergestellt werden soll. Für die Stadt- und Verkehrsplanung ...

Wien (RK). "Gender Mainstreaming" - auch wenn dieser (etwas sperrige) Begriff nicht einfach zu übersetzen ist, so verbirgt sich dahinter ein gesellschaftspolitisch bedeutender Ansatz, durch den die Chancengleichheit von Frauen und Männern in der Gesellschaft hergestellt werden soll. Für die Stadt- und Verkehrsplanung bedeutet das, dass sich die Maßnahmen gezielt an den unterschiedlichen Lebensbedingungen der Menschen orientieren - je nach Geschlecht, Alter oder Tätigkeit. 60 Prozent aller Fußwege werden in Wien von Frauen zurückgelegt. Unter dem Motto "Stadt fair teilen" wurde im Herbst 2001 auf Initiative der damaligen Frauenstadträtin Renate Brauner und Planungsstadtrat Rudi Schicker das Projekt "Gender Mainstreaming-Musterbezirk" gestartet. Mariahilf war von Beginn an mit Überzeugung dabei und wurde 2002 zum Pilotbezirk ausgewählt, ab 2003 wurden Planungs- und Baumaßnahmen in Mariahilf, die den öffentlichen Raum betreffen, unter dem Aspekt des Gender Mainstreaming durchgeführt.

Im Rahmen eines Rundganges durch Mariahilf konnten sich am Montag Frauenstadträtin Sonja Wehsely, Stadtrat Rudi Schicker und Bezirksvorsteherin Renate Kaufmann anhand einiger beispielhafter Maßnahmen von den Erfolgen des Pilotprojektes überzeugen und gleichzeitig eine umfassende Broschüre der Leitstelle Alltags- und Frauengerechtes Planen und Bauen dazu präsentieren. Diese Broschüre führt die umgesetzten Maßnahmen in Mariahilf anschaulich vor Augen und zeigt, wie Gender Mainstreaming in der täglichen Planungsarbeit für den öffentlichen Raum funktionieren kann.****

Die Planung und Umsetzung der Projekte ist unter der Prämisse der "Alltagstauglichkeit" erfolgt. An dem Pilotprozess waren sieben Magistratsabteilungen beteiligt, die von der Leitstelle koordiniert wurden. Maßnahmen wie ausreichende Gehsteigbreiten, hell beleuchtete Straßen, Parks und Durchgänge, sichere Querungsmöglichkeiten bei Kreuzungen, Aufstiegshilfen bei Stiegenanlagen und zusätzliche Sitzgelegenheiten sorgen jetzt dafür, dass der Bezirk sicher und bequem benützt werden kann. Es sind häufig Personen mit Kleinkindern oder Einkaufstaschen, Kinder und Jugendliche ebenso wie ältere und gebrechliche Menschen oder Personen mit besonderen Bedürfnissen, die in der unmittelbaren Wohnumgebung zu Fuß unterwegs sind. Als leise VerkehrsteilnehmerInnen sind sie auf eine Stadtplanung, die verschiedene Perspektiven und Bedürfnisse berücksichtigt, besonders angewiesen. Zur Zeit läuft die europäische Woche der Mobilität. Für die Stadt ist - neben der Forcierung der Umweltverbund-Verkehre - auch in diesem Zusammenhang besonders wichtig, dass gerade die schwächeren VerkehrsteilnehmerInnen eine Lobby erhalten.

"Die Alltags-Bedürfnisse von Frauen unterscheiden sich von jenen der Männer: Frauen benutzen häufiger öffentliche Verkehrsmittel, legen eine Vielzahl von Alltagswegen in ihrer direkten Wohnumgebung zu Fuß zurück und sie leisten - auch wenn ich mir wünsche, dass es anders wäre - immer noch den Großteil der familiären Versorgungsarbeit. Das heißt: Sie sind es, die mit Kinderwägen, Einkaufstasche und Kindern an der Hand unterwegs sind. Dieses Faktum berücksichtigt eine alltags- und frauengerechte Stadtplanung. Defizite im öffentlichen Raum, die Männer in ihrer alltäglichen Mobilität vielleicht nur wenig einschränken, können für Frauen zu einem sehr großen Ärgernis werden. Es ist zu hoffen, dass dem Modellbezirk Mariahilf viele weitere Bezirke folgen. Denn mein Ziel als Frauenstadträtin ist es, Wien zur frauengerechtesten Stadt Europas zu machen", so Stadträtin Sonja Wehsely dazu.

"Gender Mainstreaming ist ein wichtiger Beitrag zur Qualitätssicherung im Handeln der Verwaltung - wir haben es im öffentlichen Straßenraum getestet und es hat bestens funktioniert! Die Magistratsdienststellen waren mit großem Engagement dabei, die Erfolge in Mariahilf können sich sehen lassen. Und das Positive ist: Es kostet nicht mehr, als herkömmliche Umbaumaßnahmen. Selbstverständlich fließen dabei auch die Wünsche und Ideen der BürgerInnen in die Planungen ein. Wir werden daher in den nächsten fünf Jahren dieses Pilotmodell so adaptieren, dass es als Standard für alle Bezirke anwendbar ist. ", betonte Stadtrat Rudi Schicker dazu.

Soziale und technische Fragestellungen zu verknüpfen, die Übersetzung von oft komplexen Alltagsbedürfnissen war die besondere Herausforderung des Gender Mainstreaming Pilotprozesses. Jetzt liegen gut handhabbare und handfeste Methoden die den Qualitätsanspruch von Gender Mainstreaming auch international vorbildlich im konkreten Planungsalltag einlösen.

Die Maßnahmen im Pilotbezirk

Bezirksvorsteherin Renate Kaufmann erklärte die Maßnahmen im Bezirk: "Drei Jahre arbeiten wir im Bezirk erfolgreich an der fairen Stadtgestaltung. In unseren Planungen nehmen wir auf alle Bedürfnisse der Menschen Rücksicht, besonders auf jene der Schwächsten. Letztendlich profitieren dann alle Mariahilferinnen und Mariahilfer davon. Wir werden daher weiterhin an der Chancengleichheit im öffentlichen Raum festhalten und damit die Lebensqualität im 6. Bezirk steigern."

Gezielte Verbreiterung von Engstellen am Gehsteig

Ausreichend breite Gehsteige sind für FußgängerInnen - vor allem mit Einkaufs- oder Kinderwagen - erforderlich, damit sie sich komfortabel im öffentlichen Raum bewegen können. Im Masterplan Verkehr 2003 wurde daher eine Mindestgehsteigbreite von 2 Metern festgelegt. Zahlreiche Gehsteige in Mariahilf wurden bereits adaptiert, wie beispielsweise in der Hofmühlgasse, der Schmalzhofgasse und der Millöckergasse. In der Gumpendorfer Straße auf Höhe Nr. 69 ist der Gehsteig 3,5 m breit, sodass auch die Fahrgäste der Buslinien bequem ein- und aussteigen können.

Sicherer Schulweg - selbstständige Kinder

Die Druckknopfampel an der Kreuzung Corneliusgasse / Kaunitzgasse wurde neu programmiert. Während die FußgängerInnen vorher mitunter 90 Sekunden auf Grün warten mussten, springt die Ampel jetzt (beinahe) sofort nach dem Drücken um. Zudem wurden die Gehsteige der Kreuzung Corneliusgasse/Kopernikusgasse vorgezogen und eine Fahrbahnaufdopplung errichtet.

Verweilen und Ausrasten - Zwischenstopps werden leichter

Am Magdalenenspitz wurde - unter Einbeziehung der Bevölkerung - ein kleiner Platz mit einer Wiese, Bäume und Sitzgelegenheiten als Treffpunkt geschaffen. Neue Bäume spenden Schatten, die neuen Stühle sind so gestaltet, dass sie auch von älteren Menschen bequem genutzt werden können. Insgesamt wurden in Mariahilf an 13 Standorten neue behindertengerechte Sitzgelegenheiten errichtet. Auch der Vorplatz der U6-Station Gumpendorfer Straße soll umgestaltet werden und neben Bäumen und Sitzmöglichkeiten auch eine bessere Beleuchtung erhalten.

Fahren statt Stiegen steigen

Der neue Amonlift, der im Jänner 2005 in Betrieb genommen wurde, verbindet - erstmals in Wien - zwei Straßen: Die FußgängerInnen gelangen jetzt mühelos von der Stiegengasse zur Windmühlgasse. Der Lift, der in seinem gläsernen Kubus bis zu acht Personen transportieren kann, ist - vor allem für Väter und Mütter mit Kinderwagen oder Kleinkindern, für ältere oder gehbehinderte Personen aber auch für RadfahrerInnen und alle, die schwerere Lasten zu transportieren haben - eine bequeme Alternative zur bestehenden 56 Stufen umfassenden Stiege. Die überwundene Höhe beträgt knapp sieben Meter. Die Kosten des Lifts betrugen rund 250.000,- Euro, die Pläne stammen vom Architekturbüro Dieter Henke & Marta Schreieck.

Die Broschüre "Stadt Fair Teilen - Gender Mainstreaming in Mariahilf" ist zu beziehen über: MD BD, Leitstelle Alltags- und Frauengerechtes Planen und Bauen Tel.: 4000/82663, Email: hrb@mbd.magwien.gv.at

rk-Fotoservice: www.wien.gv.at/

(Schluss) lac/gb

(RK vom 19.09.2005)