Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 24.05.2006:
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Wiener Gemeinderat (8)

Wien (RK). Bgm. Dr. Michael Häupl (SPÖ) erklärte, dass das Thema Integration von der Wiener Stadtverwaltung im Rahmen der gegebenen Zuständigkeiten und vielfach darüber hinaus sehr ernst genommen werde. Die Mehrzahl der von den Vorrednern angesprochenen Kritikpunkte betreffe jedoch weitgehend den Bund. Zu den ...

Wien (RK). Bgm. Dr. Michael Häupl (SPÖ) erklärte, dass das Thema Integration von der Wiener Stadtverwaltung im Rahmen der gegebenen Zuständigkeiten und vielfach darüber hinaus sehr ernst genommen werde. Die Mehrzahl der von den Vorrednern angesprochenen Kritikpunkte betreffe jedoch weitgehend den Bund. Zu den einzelnen Punkten der Anfrage meinte Häupl, dass der im Ausmaß von 120 Stunden angebotene "Mini-Deutschkurs" für 5jährige Kinder eine große Herausforderung darstelle. Bei der vorgezogenen Schuleinschreibung zu Beginn des Jahres wurde bei rund 2.500 Kindern ein Sprachdefizit festgestellt, umso wichtiger sei die frühe Sprachförderung. Diese könne u.a. durch einen kontinuierlichen Besuch sowie möglichst frühen Eintritt in den Kindergarten, durch die Beherrschung der Muttersprache sowie durch die Festigung der kulturellen Identität erfolgen. Aus diesem Grund setze man u.a. folgende Maßnahmen um: Betonung der Notwendigkeit des frühen Kindergartenbesuchs in Vereinen und Vereinszeitungen für MigrantInnen, Unterstützung von muttersprachlichen BetreuerInnen in Kindergärten, Entwicklung einer Sprachkompetenzbox, Sprachförderprogramme mit wissenschaftlicher Evaluierung, ein Bildungsportfolio, das Fortschritte im sprachlichen Bereich transparent macht.

Die 111 zusätzlichen Lehrerdienstposten werden ausschließlich im Volksschulbereich eingesetzt, zusätzlich zu Begleit-, Stütz-, Beratungs- und muttersprachlichen LehrerInnen, betonte der Bürgermeister. Zudem werde es Spezialkurse für schulische QuereinsteigerInnen im Ausmaß von elf Wochenstunden, Förderung der Schul- und regionalen Beratungsstellen für ausländische SchülerInnen, Sommerdeutschkurse für QuereinsteigerInnen geben. Unter dem Titel "StartWien" werden Maßnahmen für Jugendliche, die erst nach der Schulpflicht nach Österreich kommen, gefördert, u.a. durch den Verein Interface. Alleine im Jahre 2006 könne in Kooperation mit dem Verband Wiener Volksbildung und Interface ein Kursprogramm für ca. 1.000 Jugendliche angeboten werden.

Der Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund an Höheren Schulen sei ständig im Steigen begriffen. Derzeit haben bereits etwa 25 Prozent aller Gymnasiasten an der Unterstufe von Allgemein Bildenden Höheren Schulen Migrationshintergrund. Von den 3.112 Schülern, die derzeit eine Sonderschule besuchen, haben 43,8 Prozent Migrationshintergrund, in Volksschulen seien es 46,5 Prozent, in Hauptschulen 55,4 sowie an Polytechnischen Schulen 52,7 Prozent, erklärte Häupl.

Zum Wunsch der Oppositionspartei, dass mit Finanzmitteln des Landes Wien die Versäumnisse der Bundesregierung wettgemacht werden sollten, meinte der Bürgermeister, dass man einen Blick nach Oberösterreich machen sollte, wo die Grünen die Regierungsverantwortung tragen. Dabei sei zu erkennen, dass die Forderungen, die die Grünen in Wien aufstellen, plötzlich nicht mehr gelten. Wien hat in Nachverhandlungen seit dem Finanzausgleich 2000 erreicht, dass 934 zusätzliche LehrerInnen eingesetzt werden, Oberösterreich hingegen habe im selben Zeitraum 183 zusätzliche LehrerInnen erhalten.

Wie wichtig das Thema Integration sei, zeige sich daran, dass die Wiener Stadtverwaltung zahlreiche Maßnahmen setze, um die Situation zu verbessern. So gehöre z.B. die Institutionalisierung der Elternarbeit in Wien sowie die Elternpartizipation im Schulgeschehen zu den langfristigen Zielen, die durch Veranstaltungen und themenorientierte Kleingruppenarbeit gefördert werden sollen. Ab Herbst werde es in Migrantenvereinen und Schulen Infoveranstaltungen und Vortragsreihen zu ausgewählten Themen geben.

Schon jetzt bestehen in Wien mehr Möglichkeiten, einen Hauptschulabschluss auch nach Beendigung der Schulzeit nachzuholen, als in jedem anderen Bundesland. Zur PISA-Studie stellte Häupl die Frage, was österreichweit getan werde, um jene 20 Prozent Schüler mit sehr schwacher Leseleistung zu fördern und zu unterstützen. Zusammenfassend führte der Bürgermeister folgende Punkte für Wien an: Konsequente Umsetzung des derzeit in Ausarbeitung befindlichen Bildungsplans in allen Wiener Kindergärten, Sprachoffensive im vorschulischen Bereich, Verbesserung der Situation an Wiener Volksschulen, Fortsetzung des erfolgreichen Weges von Nachverhandlungen, um die Kürzungen des Jahres 2000 durch die Regierung Schüssel wieder ausgleichen zu können.

Debatte zur Dringlichen Anfrage

In der Diskussion in Beantwortung der Dringlichen Anfrage sagte GR Susanne Jerusalem (Grüne), dass die Grünen unterscheiden können, wo die Verantwortung beim Bund, wo bei Wien liege. In Wien heiße der Vater der Misere Bürgermeister Häupl, auf Bundesebene die Mutter Gehrer. Wien trage einen Teil der Schuld, dass Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache schlecht Deutsch sprechen, so gebe es etwa zuwenig Förderung im Kindergarten und auch der Förderunterricht im Ausmaß von elf Stunden sei zuwenig. Obwohl die SPÖ zu verstehen gegeben habe, dass die Muttersprache gut beherrscht werden muss, um eine weitere Fremdsprache zu erlernen, gebe es Kürzungen beim muttersprachlichen Unterricht. Im Zusammenhang mit der Förderung ganztägiger Schulformen erklärte die Abgeordnete, dass nur 9,5 Prozent der außerordentlichen Schüler von privaten und öffentlichen Volksschulen eine Ganztagesschule besuchen. Die Grünen fordern eine wissenschaftliche Evaluation des Wiener Pflichtschulsystems unter Beiziehung von Fachleuten, um festzustellen, ob das System zu einer Chancengerechtigkeit führen kann, so Jerusalem.

GR Veronika Matiasek (FPÖ) betonte, dass sie Sorge um die Wiener Kinder habe, die durch das katastrophale Schulsystem unter die Räder kommen. So habe die Studie zur Integrationswilligkeit gezeigt, dass verheerende Zustände vorherrschen. So könne Integration nur dann erfolgreich sein, wenn eine Anpassung an unsere Sprache, Sitten und Gebräuche stattfinde. Wenn MigrantInnen in Wien leben möchten, müssen sie sich anpassen, da dies nicht passiert, habe die Integration versagt, kritisierte Matiasek. So mangle es nicht an externen Betreuungs- und Beratungsangeboten für MigrantInnen, sondern daran, dass sie entweder nicht angenommen oder falsch umgesetzt werden. Zentrale Forderung sollte sein, dass kein Kind in eine Regelschule aufgenommen werde, das dem Unterricht in deutscher Sprache nicht folgen könne. Zudem sollte deutsch auf dem Schulhof zur Regel werden. So sei nicht nur das Erlernen deutscher Sprache, sondern auch deren Anwendung in allen Lebensbereichen wichtig, sagte die Abgeordnete. Sie stellte einen Beschlussantrag, der Speiseplan für Kindergärten, Schulen und Kindertagesheime der Stadt Wien solle weiterhin den Essgewohnheiten der Wiener Kinder angepasst bleiben. (Forts.) ef/rr

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(RK vom 24.05.2006)