Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 14.12.2007:
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Wiener Gemeinderat (8)

Wien (RK). Als Begründung der eingebrachten Dringlichen Anfrage "Versäumnisse und Systemmängel beim Wiener Jugendamt und der Wiener Jugendwohlfahrt" gab GR Karin Praniess-Kastner (ÖVP) die fehlende Reaktion der Wiener SPÖ-Stadtregierung im publik gewordenen Fall eines 8-jährigen Mädchens aus Wien-Favoriten an, sowie ...

Wien (RK). Als Begründung der eingebrachten Dringlichen Anfrage "Versäumnisse und Systemmängel beim Wiener Jugendamt und der Wiener Jugendwohlfahrt" gab GR Karin Praniess-Kastner (ÖVP) die fehlende Reaktion der Wiener SPÖ-Stadtregierung im publik gewordenen Fall eines 8-jährigen Mädchens aus Wien-Favoriten an, sowie die damit im Zusammenhang stehende Stellungnahme, es seien keine Fehler passiert. Der tragische Vorfall sei Anlass bestehende Institutionen, den aktuellen Gegebenheiten und Bedürfnissen anzupassen und eine zusätzliche Sensibilisierung zu erzeugen.

Bei der Beantwortung der Dringlichen Anfrage stellte Bürgermeister Dr. Michael Häupl (SPÖ) wiederholt fest, dass es sich im angesprochenen Fall um einen höchst bedauerlichen und zutiefst bedauernswerten handle. Auch die Fälle in den Bundesländern seien zutiefst bedauernswert. Natürlich sei die Causa Anlass, die Arbeit in diesem Bereich grundsätzlich zu hinterfragen und das System zu überprüfen. Im konkreten Fall sei er davon überzeugt, dass kein gravierender Fehler des Wiener Jugendamtes passiert sei, dass aber eine personelle Aufstockung notwendig sei. Die mediale Darstellung, was jahrelange gewaltsame Übergriffe der Mutter auf die Tochter anlange, habe nicht den Tatsachen entsprochen. Auch wäre es in der Schule nicht zu Absenzen gekommen.

Die bestehenden kommunalen Strukturen der Jugendwohlfahrt seien bestens geeignet, den Anforderungen und Entwicklungen zu entsprechen, Wiener Institutionen und Einrichtungen im europäischen Vergleich durchaus herzeigbar. Der verstärkte Einsatz von SchulpsychologInnen, diverse neue Formen von Beratungen hätten bereits eine hohe Akzeptanz bei allen Schulpartnern. Personelle Kürzungen hätten nicht stattgefunden, eher im Gegenteil, es sind in den nächsten Jahren weitere Dienstposten vorgesehen, auch budgetär wurde aufgestockt. Häupl verwehrte sich dagegen, dass es immer wieder Personen gebe, die aus dem Elend eines Kindes politisches Kapital schlagen. In Wien werde alles dazu getan, dass Kindern eine bestmögliche Kindheit und Jugend ermöglicht wird. Es bedürfe aber der nötigen menschlichen Sensibilität, wie man auf Missstände aufmerksam macht und diese auch vom System her hinterfragt.

GR Karin Praniess-Kastner (ÖVP) sagte, sie halte den Willen zur Personalaufstockung für dringend notwendig. Die Wiener Stadtregierung müsse dabei die nötigen Rahmenbedingungen schaffen. Mindestens 36 zusätzliche SozialarbeiterInnen wären in den Regionaldiensten sowie 10 SozialarbeiterInnen für Verbindungsdienste in den Wiener Gemeindespitälern notwendig. Auch gebe es zuwenig Pflegeeltern in Wien, und ein erhöhtes Budget löse noch lange keine Probleme.

GR Veronika Matiasek (FPÖ) betonte, dass es gut und richtig war, dass dieses Thema auf den Tisch gekommen sei. Auch wenn der Sachverhalt medial nicht richtig dargestellt war, sei es gut, dass man dieses Thema generell in diesem Gremium diskutiere. Befremdlich war die Stellungnahme der Sozialarbeiterin im ORF, natürlich gebe es immer wieder Fehler des Systems, aber grundsätzlich zu sagen, das wäre ein Normalfall, sei doch einigermaßen schockierend. Wichtig sei eine personelle Aufstockung, extrem gut ausgebildetes Personal sowie eine gewisse Sensibilität von Nachbarn, Lehrern, Freunden und Verwandten, besser einmal mehr als zuwenig hinzuschauen.

GR Claudia Smolik (Grüne) betonte, dass sich die Wiener Grünen nicht dem politischen Sündenbock suchen und Schuldzuweisungen abgeben, nicht anschließen. Die MitarbeiterInnen der MA 10 und MA 11 täten alles in ihrer Macht mögliche. Die Grenze der Belastbarkeit sei aber erreicht, speziell aufgrund der hohen Fluktation im Personalbereich und der immer komplizierteren Entscheidungen im Job. Eine nötige Aufstockung des Personals und die geforderten 36 Dienstposten seien daher absolut nötig. Auch verstärkte Kontrollen sowie der Einsatz der Wiener Kinder- und Jugendpsychiatrie wären zusätzlich wünschenswert. Die angesprochenen Missstände sollten gesellschaftspolitisch und nicht auf dem Rücken der Betroffenen gelöst werden.

GR Mag. Sybille Straubinger (SPÖ) sagte, dass sich wohl alle einig wären, dass Kinder und Jugendliche bestmöglich geschützt werden sollten und Misshandlungen bzw. Gewalt aufgedeckt werden müssten. Die Änderungen im Jugendwohlfahrtsgesetz hätten viel bewirkt, dennoch sei es nach wie vor eine Gratwanderung, wann und wie weit der Staat in die Familie eingreifen darf. Der Vorwurf, dass es zuwenig Personal und Budget gebe, könne nicht gelten gelassen werden. In den nächsten Jahren sind Personalaufstockungen vorgesehen, auch das Budget wurde maßgeblich erhöht. Neuen Anforderungen zur Gewalt- und Misshandlungsbekämpfung werde auch laufend durch neue Institutionen (Eltern-Kind-Zentren, Familienzentren, Familiencoaching) Rechnung getragen. Auch die notwendige Aufklärung und Kampagnen zur Bekämpfung von Übergriffen habe einen guten Beitrag zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit geleistet. Was die geforderte Anzeigenpflicht anlange, so stelle sich die Frage, ob die Konsequenzen und Auswirkungen dabei nicht auch gegenteilige Wirkung habe. Die Arbeit der engagierten SozialarbeiterInnen sowie der Institutionen der Wiener Kinder- und Jugendwohlfahrt zähle zu einer der besten im europäischen Vergleich, dieses System schlecht zu reden, wäre politischer Missbrauch. (Forts.) lei/spa

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(RK vom 14.12.2007)