Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 02.07.2010:
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"Mahnwache" von Ines Doujak am Morzinplatz eröffnet

"Mahnwache" von Ines Doujak am Morzinplatz eröffnet

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Temporäres Kunstprojekt im öffentlichen Raum von 2. Juli bis 1. Oktober 2010


Heute, Freitag, wurde das Projekt MAHNWACHE von Ines Doujak am Wiener Morzinplatz eröffnet. Das Projekt ist das erste einer Reihe von künstlerischen Interventionen, die sich mit dem Ort und dem Gedenken an die Verfolgung sexueller Minderheiten im 3. Reich auseinandersetzt, die in der Ermordung tausender homosexueller Männer ihren Gipfel erreichte. Mit der künstlerischen Intervention soll die Diskriminierung von Lesben, Schwulen und Transgender-Personen thematisiert werden.

Bis 1. Oktober 2010 wird die MAHNWACHE jeden Freitag von 17 bis 18 Uhr am Morzinplatz stattfinden. Anlässlich der jährlichen Regenbogenparade wird auch am Samstag, den 3. Juli eine MAHNWACHE stattfinden.

Ines Doujak begreift Gedenken und Erinnerung als einen nicht abgeschlossenen, sondern stets auf Erneuerung und Veränderung basierenden Prozess. Demzufolge begegnet die Künstlerin dem Gedenken mit einer Mahnwache, und schafft damit ein Projekt, das sich durch Beweglichkeit auszeichnet. Jede Woche freitags von 17 bis 18 Uhr stehen Personen mit Bildtafeln für eine Stunde am Morzinplatz, an dem sich während des 3. Reichs die Gestapo-Leitstelle Wien befand. Die Bildtafeln zeigen Collagen, deren Basis Photos schreiender Personen sind, die aus dem Ohr bluten.

"Erinnerung ist ein aktiver Prozess, den Ines Doujak mit ihrer Intervention befördert und in seiner Widersprüchlichkeit in Frage stellt", so auch Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny. "Das lange verdrängte und verschwiegene Verbrechen der Verfolgung Homosexueller während des Nationalsozialismus darf niemals vergessen werden. Deswegen war es uns wichtig, ein Zeichen im öffentlichen Raum zu setzen, um diesem Erinnern einen Platz im Hier und Jetzt zu schaffen. Ich freue mich besonders, dass mit diesem Projekt die kritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit durch Kunst im öffentlichen Raum fortgesetzt wird".

Die für Antidiskriminierung zuständige Stadträtin Sandra Frauenberger erklärt: "Der Stadt Wien ist es ein wichtiges Anliegen, auch jener Menschen würdig zu gedenken, die aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Identität verfolgt, inhaftiert, mit dem 'Rosa Winkel' stigmatisiert und zu tausenden ermordet wurden. Die Lehre, die wir aus diesem dunklen Kapitel unserer Geschichte ziehen müssen, ist, dass wir niemals wegschauen dürfen, wenn anderen Menschen Leid geschieht, wenn ihnen Missachtung, Stigmatisierung, Entrechtung und Verfolgung widerfahren."

Zusätzlich zu den Tafeln der MAHNWACHE werden Postkarten aus einer 8-teilige Serie verteilt, die eine breite Öffentlichkeit adressieren, der hiermit auch die Möglichkeit zur aktiven Einschreibung in das Projekt eingeräumt wird. Auf den Postkarten bekommt das, was die Personen auf den Bildern ausstoßen, eine Gestalt: Schlangen. In der Bibel und der christlichen Ikonographie ist die Schlange die Personifizierung, Verbildlichung des Bösen und des Teufels. Gleichzeitig ist die Schlange in anderen Kulturen Sinnbild für Heilung (s. Äskulapstab der Mediziner) und Klugheit, ist Glücksbringer und Statthalter der Ahnen. Die Methodik der Collage erlaubt Doujak, keine bestimmte Lesart vorzugeben, sondern die Schlange als ein allen BetrachterInnen verfügbares, zu einer direkten oftmals sehr starken emotionalen Reaktion herausforderndes Bild zu verwenden.

Ines Doujak, geboren 1959 in Klagenfurt, lebt und arbeitet in Wien.

Kunstschiene am Morzinplatz

Der Morzinplatz im 1. Bezirk wird ein Ort für zeitgenössische Kunst: Temporäre Kunstwerke am Standort des ehemaligen Gestapo-Hauptquartiers sollen der homosexuellen und transgender Opfer des Nationalsozialismus gedenken. Matthias Herrmann, Fotokünstler und Leiter der Klasse für Kunst und Fotografie an der Akademie der bildenden Künste, ist Kurator für die neue Kunstschiene. Matthias Herrmann, der vorerst für zwei Jahre bestellt wurde, plant ab dem Sommer 2010 sowohl nationale als auch internationale KünstlerInnen einzuladen, sich mit dem Thema und dem Ort kritisch auseinanderzusetzen. "Die temporäre, in regelmäßigen Abständen wechselnde Bespielung durch zeitgenössische Künstler garantiert, dass der Ort nicht zum immobilen Denkmal erstarrt", betont Matthias Herrmann. Zudem bleibe damit das Thema der Diskriminierung und Verfolgung auf Grund gleichgeschlechtlicher Orientierung in seiner historischen Dimension im Bewusstsein wie auch aktuelle Perspektiven dargestellt werden, so der Kurator. Die Intention des Konzeptes ist es, Kunst im öffentlichen Raum als Seismogramm gesellschaftspolitischer Befindlichkeiten zu nutzen und die schreckliche Geschichte des Morzinplatzes dauerhaft im kollektiven Bewusstsein zu verankern. Gerade jene Opfer, die im Zusammenhang mit den nationalsozialistischen Gewaltverbrechen häufig vergessen werden, sollen durch die künstlerische Markierung des Ortes eine öffentliche Sichtbarkeit erhalten, die ihnen bislang vielfach verwehrt wurde.

Weitere Presseinformationen unter www.koer.or.at/cgi-bin/page.pl?id=255;lang=de

Rückfragehinweis für Medien

  • Büro Stadträtin Sandra Frauenberger
    Mediensprecherin Mag.a Marianne Lackner
    Tel.: +43 1 4000 81853
    mailto: marianne.lackner@wien.gv.at
  • Jakob Scholz
    Mediensprecher StR. Dr. Andreas Mailath-Pokorny
    Tel.: 01 4000-81192
    mailto: jakob.scholz@wien.gv.at
  • Katharina Murschetz
    KÖR Kunst im öffentlichen Raum Wien
    Tel.: 01 521 89 1221
    mailto: presse@koer.or.at