Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 29.06.2018:
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40. Wiener Gemeinderat (1)

Die NEOS haben eine Sitzung des Gemeinderats verlangt zum Thema „Roter Immobilien-Skandal Semmelweis: Wer profitiert? Stadt Wien muss jetzt rasch eingreifen!“. Diese Sitzung auf Verlangen begann heute, Freitag, um 9 Uhr. Fragestunde und Aktuelle Stunde entfielen.

GR Christoph Wiederkehr, BA (NEOS) nannte die jüngst angekündigte Bausperre am Areal einen „ersten wichtigen Schritt“. Das ändere aber nichts daran, dass Rot-Grün hier einen „dubiosen Immo-Deal“ zu verantworten und kritische Fragen „jahrelang unter den Teppich gekehrt“ habe. Unter dem Deckmantel der Ansiedlung einer renommierten Schule seien Grundstücke ohne Vergabeverfahren und weit unter Wert verkauft worden. Zudem habe jener Gutachter, der die Liegenschaften geschätzt habe, dort selbst ein ganzes Zinshaus mit zehn Wohnungen um lediglich 500.000 Euro gekauft. Es sei höchste Zeit, dass Bürgermeister Michael Ludwig von der SPÖ „erklären muss, was er von der Sache gewusst hat“ und die Stadt-Verantwortlichen alle Dokumente rund um den Grundstücksverkauf offenlegten. Die Stadt verkaufe immer wieder Grund ohne Bieterverfahren, das sei „systemimmanent“. In einem Antrag forderte Wiederkehr das Etablieren einer Klage des Interessensverbandes, damit Verfahrensgrundsätze bei Verkäufen von Bauten und Grundstücken von der Stadt künftig nicht umgangen werden könnten und somit Unregelmäßigkeiten bei Grundstücksverkäufen verhindert würden. In einem zweiten Antrag forderte er das Senken der Wertgrenzen, ab welchen der Gemeinderat solchen Verkäufen zustimmen muss.

GR Dr. Wolfgang Ulm (ÖVP) erinnerte an die Serie von unregelmäßigen Grundstücksverkäufen durch die Stadt – etwa den Prater-Vorplatz, das „ViertelZwei“ und das Media Quarter Marx. Immer wieder gehe die Stadt Deals mit „Oligarchen“ ein und gerate in die Nähe der „Geldwäsche“ – „warum lässt sich Wien auf so etwas ein?“. Der Stadt entstünde durch Grundstücksverkäufe ohne Bieterverfahren „enormer Vermögensschaden“, welche im Übrigen auch gesetzlichen Bestimmungen und der Stadtverfassung widersprächen. Diese sehe nämlich unter anderem die „Wirtschaftlichkeit“ des Handelns vor – die Stadt „darf also gar nicht billig verkaufen“. Die nunmehrige Bausperre am Semmelweis-Areal sei eine Notmaßnahme, aber der „beträchtliche Schaden“ sei bereits angerichtet, aufgrund „fataler Versäumnisse“ in der Vergangenheit. Ulm vermutete, dass der Immobilien-Käufer und Eigentümer nie echtes Interesse hatte, dauerhaft eine Schule zu etablieren. Nachdem er den Grund weit unter Marktpreis gekauft hatte, würden die Pavillons nun „verfallen“ und eine Zwangsversteigerung stehe im Raum. Der Stadt Wien empfahl Ulm, den damaligen Kaufvertrag anzufechten und Strafanzeige zu erstatten – wenn die Stadt der Meinung sei, vom Käufer „arglistig getäuscht“ worden zu sein. Die ÖVP hätte in der Semmelweis-Causa über Jahre immer wieder Anfragen an die Verwaltung gerichtet und sei „im Kreis geschickt“ worden – der Bürgermeister habe auf den Krankenanstaltenverbund (KAV) verwiesen; dieser an die Magistratsabteilung 69, das Liegenschaftsmanagement; die MA 69 habe auf das Gesundheitsressort verwiesen und dieses wiederum auf den KAV. Nicht nur deshalb richte die ÖVP ein Prüfansuchen an den Stadtrechnungshof, um die Verantwortlichkeiten rund um die Immobilien-Abwicklung am Semmelweis-Areal zu prüfen.

GR Mag. Christoph Chorherr (Grüne) fand es bemerkenswert, dass ausgerechnet ÖVP und NEOS – jene Fraktionen, „die immer der Meinung sind, dass es Private besser können als die Kommune“ – sich nun über die rechtlichen Streitigkeiten innerhalb dieser privaten Investorengruppe echauffierten. Tatsächlich habe die Stadt mit dem Verhängen der Bausperre ein klares Signal gesetzt, und stehe auch zur ursprünglichen Idee aus dem Jahr 2012: Damals habe man den Grund bewusst günstiger verkauft, um das Schaffen der (privaten) Musikschule zu ermöglichen. Damals, heute und auch weiterhin sei es Wille der Stadt, dass eine Schule an dem Standort bleibe; entsprechend sei die „Nutzung für den Bildungszweck“ auch im Grundbuch und dem Vertrag mit dem Grundstückskäufer festgehalten. Die Stadt werde nun alle rechtlichen Mittel ausschöpfen, dass diese vertragliche Vereinbarung auch eingehalten werde. Im Übrigen habe die Stadt seit damals, also dem Jahr 2012, schon Konsequenzen gezogen: Statt Grundstücke zu verkaufen, erteile die Gemeinde nur mehr Baurechte – so geschehen zum Beispiel am Otto-Wagner-Areal und beim ehemaligen Sophienspital.

GR Ing. Udo Guggenbichler, MSc (FPÖ) meinte, es müsse sich beim Semmelweis-Deal „doch um eine rot-grüne Sache handeln und nicht nur um eine rote“ angesichts der Tatsache, dass sein Vorredner Chorherr von den Grünen „der SPÖ hier so die Mauer macht“. Wenn der „Nutzungszweck Bildungseinrichtung“ wirklich im Grundbuch stehe, warum brauche es dann eine Bausperre? Grundstücke seien weit unter Wert „verscherbelt“ worden, und es habe viele Mitwisser gegeben – vom damaligen Bürgermeister Häupl über den damaligen Währinger Bezirksvorsteher Homole („hat die Interessen der Bezirksbevölkerung nicht verteidigt“) bis hin zum Sachgutachter, der im Zuge des Immobilien-Verkaufs ein Zinshaus um eine halbe Million Euro gekauft habe: „Heute kostet dort eine Wohnung eine Million.“ Die versprochene „ordentliche Bürgerbeteiligung“ bei der Gestaltung des Areals habe sich letztlich auf „die Bepflanzung der Geh-Achse“ beschränkt. Guggenbichler brachte eine Reihe von Anträgen ein. Diese beinhalteten folgende Forderungen: Offenlegung sämtlicher Unterlagen betreffend den Grundstücksverkauf und die Weiternutzung; Einbringung einer Sachverhaltsdarstellung betreffend die Verkaufsverhandlungen bei der Staatsanwaltschaft; Anfechtung des Kaufvertrags durch Stadt und KAV wegen Täuschung und Wegfalls der Vertragsgrundlage; Nachforschungen über etwaige strafrechtlich relevante Vorgänge rund um die Investorengruppe und Berichterstattung darüber an den Gemeinderat; Ausarbeitung eines Nachnutzungskonzeptes für das Areal unter Einbeziehung der AnrainerInnen.

(Forts.) esl

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