Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 26.11.2018:
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44. Wiener Gemeinderat (6)

Spezialdebatte GGr. Finanzen, Wirtschaft, Digitalisierung und Internationales

GRin Mag. Ulrike Nittmann (FPÖ) erinnerte an die herrschende Hochkonjunktur: für den Bund und das Land Wien würden dieselben wirtschaftlichen Rahmen gelten. Die schwarz-blaue Bundesregierung schaffe es dabei aber, einen Budget-Überschuss zu erwirtschaften, während sich Wien im kommenden Jahr noch tiefer verschulde. Der von der SPÖ propagierte „Wiener Weg“ bedeute Intransparenz und Schuldenmachen. Offiziell würden 188 Millionen Euro an Neuverschuldung ausgewiesen – das strukturelle Defizit werde aber nicht angeführt, laut Nittmann läge die Neuverschuldung tatsächlich bei 515 Millionen Euro. Auch argumentiere die Stadtregierung stets mit den Werten, die für künftige Generationen geschaffen würden; es seien aber ebendiese jungen Menschen, welche die Schulden später zurückzahlen müssten.

GR Mag. Thomas Reindl (SPÖ) befürchtete, dass die Phase der Hochkonjunktur schon bald zu Ende gehen könnte – die Menschen würden das in ihren Geldbörsen auch auf Grund der sozial kalten Maßnahmen der schwarz-blauen Bundesregierung zu spüren bekommen. Dass der Bund etwa die „Aktion 20.000“ gestrichen habe und dem AMS Mittel kürze, mache es Wien nicht leichter, gute Arbeitsmarktpolitik zu betreiben. Immerhin verzeichne Wien einen Rekordstand bei den Beschäftigten-Zahlen, und die Zahl der Arbeitslosen sinke seit Monaten kontinuierlich. Das 92 Milliarden Euro schwere Wiener Bruttoregionalprodukt sei im europäischen Spitzenfeld, genauso wie die 5,15 Milliarden Euro an nachfragewirksamen Investitionen, welche die Stadt im kommenden Jahr tätigen werde. „Für diese Zahlen brauchen wir uns nicht verstecken, der Wirtschaftsmotor Wien strahlt weit über die Grenzen hinaus.“ Die Opposition beklage am vorliegenden Budgetentwurf mangelnde Transparenz und fehlende Foren zum Einbringen der eigenen Meinung – Reindl erinnerte daran, dass das Budget in Sitzungen des Finanzausschusses und des Stadtsenats Thema gewesen sei. In diesen Gremien hätte die Opposition aber inhaltlich nichts zum Thema eingebracht.

GR DI Dr. Stefan Gara (NEOS) bezog sich in seiner Rede auf die Wiener Standortpolitik. Diese sei zwar „gut, aber nicht exzellent“. Dass sich internationale Betriebe in Wien niederließen, sei nicht die ganze Wahrheit – die echten internationalen Top-Unternehmen zöge es nicht nach Wien. Dafür gäbe es laut Gara zahlreiche Gründe, etwa die hohen Lohnnebenkosten oder den eklatanten Fachkräftemangel etwa im IT-Bereich. Wien sei in den Bereichen Wirtschaft, Wissenschaft und Innovation insgesamt zu dünn aufgestellt, um namhafte Player an den Standort zu locken. Es brauche aber diese global tätigen Unternehmen, um jene 50.000 Jobs zu schaffen, von denen Wirtschaftsstadtrat KommR Peter Hanke (SPÖ) immer spreche.

GR Mag. Manfred Juraczka (ÖVP) freute sich süffisant über die Aussage der SPÖ, die städtischen Schulden seien mit dem Kredit eines Häuslbauers zu vergleichen, der sich mit den Fremdmitteln Werte für die Zukunft aufbaue. Es sei immerhin jahrelange Forderung der ÖVP, für mehr Eigentum im Wohnbau zu sorgen. Das Problem an den 188 Millionen Euro Schulden, welche die Stadt im kommenden Jahr zusätzlich aufnehmen werde, sei die Tatsache, dass damit keine neuen Großprojekte – etwa ein neues Nationalstadion – finanziert würden, „sondern sich die Stadt am eigenen System abarbeitet“. Die Frage sei legitim, aus welchen Töpfen große anstehende Ausgaben wie der Bau eines neuen internationalen Busterminals oder die Sanierung des AKH finanziert werden sollten. Die SPÖ kritisiere die schwarz-blaue Bundesregierung für ihren Budgetüberschuss und meine, das gehe in Zeiten der Hochkonjunktur „ja quasi von selbst“ – warum sei der Überschuss in Wien dann nicht möglich?, fragte Juraczka rhetorisch. Vom neuen Finanzstadtrat Hanke hätte er sich mehr Mut beim „Anpacken der Wiener Frühpensionitis“ gewünscht. Wenn die ÖVP von mehr Transparenz im Budget spreche, meine sie vor allem das fehlende Interpellationsrecht im ausgelagerten Bereich, was bereits Altbürgermeister Häupl als „systemischen Webfehler“ bezeichnete. In einem Antrag forderte Juraczka das Schaffen eines Budgetdienstes, welcher die Abgeordneten unterstützen solle.

GR Peter Kraus, BSc (Grüne) antwortete auf den Vorwurf, der Budgetplan sehe keine Großprojekte vor: Wien habe in den vergangenen Jahren die Infrastruktur für die Größe einer Stadt wie Graz gebaut. Entstanden seien etwa Kindergärten und Schulen für 280.000 neue Wienerinnen und Wiener – um diese Größe sei die Stadt in den vergangenen Jahren gewachsen. Ihm sei es ein Anliegen, KMUs und EPUs stärker zu unterstützen und die Kreativwirtschaft gezielter nach Wien zu locken. Um die Herausforderungen der Digitalisierung zu bewältigen, brauche es eine starke europäische Zusammenarbeit. 73 Prozent der Wiener Exporte gingen an Länder innerhalb der EU. „Wir brauchen diese Zusammenarbeit in Europa. Die ÖVP gefährdet mit ihrem Spiel mit dem Nationalismus unseren Standort.“

GR Mag. Dr. Alfred Wansch (FPÖ) sagte, Wiens Schuldenpolitik „zerstört den sozialen Wohnbau“. Als Beispiel nannte er jene 170 Millionen Euro, welche laut Wansch aus dem Topf der Wohnbauförderung gezogen worden seien, um damit Löcher bei der Finanzierung des KH Nord zu stopfen. Dass die Hälfte der städtischen Gebarung außerhalb des Budgets passiere und somit jeder zweite Euro außerhalb der Kontrolle durch den Gemeinderat ausgegeben werde, nannte Wansch die „rote Flucht aus dem Budget“. Durch das Gründen von Unternehmungen, Fonds, Anstalten öffentlichen Rechts und Kapitalgesellschaften werde der Opposition im Gemeinderat Stück für Stück die Einsichtsmöglichkeit und Kontrolle entzogen. Er zitierte aus dem Vertrag der „Wiener Stadtwerke Planvermögen GmbH“, worin von einem Fondsvolumen in Höhe von einer Milliarde Euro die Rede sei. Er fragte sich, welche weiteren „spekulativen Papiere noch herumgeistern“ würden.

(Forts.) esl/hul/ord

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