Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 25.01.2019:
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34. Wiener Landtag (2)

Aktuelle Stunde zum Thema „Menschenrechte und Antidiskriminierung stehen für das Land Wien nicht zur Diskussion“

LAbg. Mag.a Barbara Huemer (Grüne) kritisierte FPÖ-Innenminister Kickl scharf: Mit seinen Aussagen zur Menschenrechtskonvention und seiner Auffassung, das Recht hätte der Politik zu folgen und nicht umgekehrt, würde der Minister „an den Grundfesten der Demokratie rütteln und das Selbstverständnis der zweiten Republik in Frage stellen“. Die Aussagen seien „ein Tabubruch“. Die Aussagen würden viele aufrütteln und vor Augen führen, dass „Demokratie und Rechtsstaat das höchste Gut“ seien, das es zu verteidigen gelte.

LAbg. Christoph Wiederkehr, MA (NEOS) sagte: „Innenminister Kickl ist rücktrittsreif – und das schon lange.“ Nicht er, sondern das Parlament mache die Gesetze – Kickl könne sich nicht über die Gesetzte stellen. Seine Partei hätte deshalb – unterstützt von kritischen Stimmen aus allen politischen Lagern - im Parlament ein Misstrauensvotum in Gang gebracht. Wien sei eine weltoffene Stadt, mit der Vielfalt kämen allerdings auch viele Herausforderungen. Die FPÖ nutze diese Vielfalt, um zu polarisieren und zu spalten, sagte Wiederkehr. Eine gezielte Politik gegen Minderheiten oder AusländerInnen führe auch zu einer Radikalisierung und Abschottung von Bevölkerungsgruppen. Er sprach sich generell gegen eine „Diskriminierungspolitik“ aus – und nahm auch die rot-grüne Stadtregierung in die Pflicht: Der „Wien-Bonus“ sei auch ein „Diskriminierungs-Malus“ der Wienerinnen und Wiener gegenüber Bürgerländerinnen und Burgenländern oder Niederösterreicherinnen oder Niederösterreichern bevorzuge.

LAbg. Mag.a. Caroline Hungerländer (ÖVP) sagte, sie sei überrascht, dass die Grünen das Thema Menschenrechte für die Aktuelle Stunde wählten, wo es doch auch in Wien Menschenrechtsverletzungen gebe. Verantwortlich dafür sei die Stadtregierung selbst, sie habe mit ihrer Integrationspolitik dafür gesorgt, dass es auch in Wien Fälle der Zwangsehe gebe, über ein Kopftuchverbot diskutiert werden müsse und Christen bedroht würden. Hier vermisse sie einen Aufschrei der Stadtregierung. Die Bundesregierung mache das „einzig Richtige“, und setze Maßnahmen, die die Opfer schützten. Eine Diskussion über die Abschiebung straffällig gewordener Flüchtlinge sei laut Hungerländer legitim, denn „Opferschutz geht vor Täterschutz“. Die Stadtregierung zeige kein klares Vorgehen gegen den „politischen Islam“.

Landeshauptmann-Stv. Dominik Nepp (FPÖ) warf Rot-Grün vor, Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) „anzupatzen“ und bezeichnete die Art der Diskussionsführung seitens der Stadtregierung als„ falsch, scheinheilig und heuchlerisch“. Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) befinde sich „seit Jahren im Wandel“, sagte Nepp. So seien immer wieder Passus gestrichen worden, z.B. betreffend das Recht auf Leben und die Todesstrafe. Das Argument von Rot-Grün, die EMRK sei unveränderbar, wollte er deshalb nicht gelten lassen. Nepp meinte, die Stadtregierung würde sich nur gegen Änderungen internationaler Verträge wehren, wenn diese nicht in ihrem Interesse seien. Bei der Genfer Flüchtlingskonvention oder dem Schengen-Abkommen habe sie keine Probleme damit. Nepp warf der Stadtregierung zudem vor, im Jahr 2015 „Trauer, Tod und Terror“ verursacht zu haben, weil sie Abkommen nicht eingehalten habe. Heute gebe es in Wien Diskriminierung auf offener Straße, wenn muslimische Männer „meterweit vor ihren Frauen gehen“. Nepp vermisste hier einen Aufschrei seitens Rot-Grün. Er wünschte sich, dass straffällige Asylwerber abgeschoben werden: „Das ist der Grundkonsens der Vernunft.“

LAbg. Dr. Kurt Stürzenbecher (SPÖ) zitierte einige Artikel aus österreichischen Tageszeitungen, in denen andere MinisterInnen der Bundesregierung die Aussagen Kickls kritisiert und zurückgewiesen hätten. Daran lasse sich erkennen, dass es eine breite Verurteilung von Kickls Aussage gebe. Zur These, die EMRK sei nicht in Stein gemeißelt, sagte Stürzenbecher: Natürlich könne man sie theoretisch ändern. Dafür sei aber die Zustimmung aller 47 Staaten nötig. Man müsse also versuchen, innerhalb der gegebenen Rechtsordnung Probleme zu lösen. Sonst könne man nur aus der EMRK austreten, das wäre aber eine „Katastrophe“, so Stürzenbecher. Er hoffte, dass sich „davon wenigstens die ÖVP distanziert“. Die Aussage Kickls, Politik habe Vorrang vor dem Recht, sei „Unsinn“: Natürlich könne Politik Recht ändern, aber immer in der Stufenordnung der Rechtsordnung - das hätten seine VorrednerInnen Nepp und Hungerländer nicht verstanden. Zum Thema Diskriminierung sagte er: Mittlerweile müsse der Verfassungsgerichtshof alle von der Stadt Wien gesetzten Maßnahmen gegen Diskriminierung umsetzen, weil Schwarz-Blau „die Menschenrechte missachtet“. Konkret sprach er die „Ehe für alle“ an, die das Innenministerium anders auslege und Ausnahmen bei Auslandsbeziehungen einführen wolle. Wien sei Menschrechtsstadt, sagte Stürzenbecher. Schon im Jahr 2014 habe der Gemeinderat die Wiener Erklärung der Menschenrechte unterzeichnet. Menschenrechte seien „das Wichtigste, was es überhaupt gibt für ein Leben in Menschenwürde“, schloss er.

LABg. Markus Ornig, MBA (NEOS) sagte, auch in Wien gebe es Diskriminierung: Als Beispiel nannte er eine „Vienna First“-Philosophie, die die Stadtregierung mit dem „Wien-Bonus“ lebe. Mit dem „Wien-Bonus“ wolle die Stadtregierung jene WienerInnen bevorzugen, die länger in der Stadt wohnten. Genau das sei aber diskriminierend, so Ornig. Er sah dadurch die „weltoffene Stadt Wien“ in Gefahr. Der Wien-Bonus betreffe unter anderem die Bereiche Pflege, Wirtschaft und Wohnbau. Das zeige, dass Rot-Grün „in Wahrheit nichts gegen Diskriminierung in Wien“ unternehme.

LAbg. Mag. Manfred Juraczka (ÖVP) sagte, es stehe unter der „türkisblauen Regierung, nicht zur Diskussion, dass die Verfassung, die Grundprinzipien der EU und die Grund- und Menschenrechte Gültigkeit haben“. Heute aber gehe es um die Abschiebung „schwerstkrimineller Gewalttäter“: Kickl trachte danach, alle rechtlichen Möglichkeiten auszuschöpfen, kriminelle Straftäter abzuschieben – das sei zu begrüßen. Die Bundesregierung achte den Rechtsstaat und sei „Hüterin der Demokratie“, so Juraczka. Anders als „manche Mitglieder der Wiener Landesregierung, die sich vor laufende Kameras stellen, und ankündigen, ein neues Gesetz nicht umzusetzen“, schloss er.

LAbg. David Ellensohn (Grüne) mahnte: „Rechtsextreme und Rechtskonservative haben schon immer Angriffe auf die EMRK gestartet“. Die ursprüngliche Idee der Menschenrechte sei es gewesen, sich nach dem zweiten Weltkrieg auf gemeinsame Regeln zu einigen, „damit sich der Schrecken des NS nicht wiederholt“, so Ellensohn. Die Devise habe gelautet: „Nie Wieder Faschismus!“ Die Menschenrechte müssten der „Kompass der politischen Arbeit“ sein, jetzt würden sie bedroht. Sie seien „Schutzschild gegen Hasspolitik, garantieren gleiches Leben für alle Menschen, sind Commitment, dass Menschen gleichberechtig leben können, eine Rote Linie gegen Folter, Ausgrenzung, Ausbeutung und Diskriminierung“. Sie seien „Anker des sozialen Zusammenhalts“, allein deshalb seien sie nicht verhandelbar. Laut Ellensohn sei Menschenrechtsbildung „dringend nötig“. Diese Aufgabe übernehme das Menschrechtsbüro der Stadt Wien und sorge damit dafür, dass junge Menschen um ihre eigenen und die Rechte anderer Bescheid wüssten. Wien sei für Ellensohn eine Menschrechtsstadt und er wolle dafür kämpfen, dass Menschenrechte „in Wien und Europa und überall gültig bleiben“.

LAbg. Elisabeth Schmidt (FPÖ) sagte zu ihrem Vorredner Ellensohn: Er trage den „White Ribbon“ gegen Gewalt an Frauen, stelle sich aber gegen Maßnahmen des Innenministeriums, die den Schutz von Frauen weiter vorantreiben würden. Kickl stelle „Weichen in die richtige Richtung“, indem er straffällige Asylwerber abschieben wolle und damit Sicherheit bewahre. Zur Menschenrechtskonvention sagte sie: Eine Evaluierung internationaler Vereinbarungen und Konventionen sei grundsätzlich nicht schlecht, denn wenn nötig, muss darüber diskutiert werden. „Eingesessene Rechte“ müssten vor dem Hintergrund aktueller Gegebenheiten betrachtet werden, so Schmidt. Der Artikel 3 der EMRK betreffend Sicherheit und Freiheit sei nicht mehr gegeben in Wien, meinte sie, denn WienerInnen könnten „nicht mehr angstfrei spazieren gehen“. Dass die Bundesregierung „teils überaltete Konstrukte erkennt und die nötigen Schlüsse daraus zieht“ sei „eine erfrischende Neuigkeit“.

LABg. Safak Akcay (SPÖ) mahnte: „Menschenrechte sind nicht verhandelbar“. Die Stadt Wien habe eine klare Position dazu. Menschenrechte hätten seit jeher das Fundament politischer Entscheidungen in Wien dargestellt und auch diese Stadtregierung gestalte Wien nach menschenrechtlichen Prinzipien. Mit der Deklaration der Stadt Wien über die Menschenrechte 2014, die im Gemeinderat beschlossen wurde, habe sich Wien klar positioniert und ein Zeichen gesetzt. Auch für Frauenrechte und -sicherheit tue Wien viel: Letztes Jahr sei etwa das 40-jährige Bestehen der Frauenhäuser gefeiert worden. Als weiteres Beispiel nannte sie den 24-Stunden-Notruf. Akcay sagte, Probleme könnten nicht gelöst werden, wenn ein universelles Wertesystem wie Menschenrechte in Frage gestellt werde. Probleme könne man nur lösen, wenn „offen und auf Augenhöhe diskutiert und aktiv gegen Hass, Hetze, Frauenfeindlichkeit, Gewalt, Islamophobie, Antisemitismus“ aufgetreten werde.

Novelle des Wiener Schulgesetzes – WrSchG

LAbg. Mag.a. Bettina Emmerling, MSc (NEOS) bezeichnete die geplante Novelle als „Türschildpolitik“: Es stehe einiges drin, aber das „Kompetenzwirrwarr“ gehe weiter. Es gebe jetzt Bildungsdirektionen, die an Weisungen des Bildungsministers und Landeshauptmanns gebunden seien. Zudem würden BildungsdirektorInnen vom Bundesministerium auf Vorschlag des Landeshauptmannes/der Landeshauptfrau für fünf Jahre bestellt. Emmerling hob aber auch einige positive Aspekte hervor: Forcierung der digitalen Bildung sowie das Aufbrechen der 50-Minuten-Schulstunde. Positiv fand sie auch, dass Bewegung ins Wiener Schulsystem gekommen sei: Als Beispiele nannte sie die Soforthilfe-Hotline und Schulkooperationsteams für Wiener Schulen mit SozialarbeiterInnen und SozialpädagogInnen. Wichtig sei es, „fix vor Ort“ SchulsozialarbeiterInnen in „Brennpunktschulen“ einzusetzen. Sie brachte einen Antrag betreffend die Aufstockung von SchulsozialarbeiterInnen ein.

LAbg. Sabine Schwarz (ÖVP) kündigte an, der Novelle nicht zustimmen zu werden und begründete dies damit, dass Familien nach wie vor kein Mitbestimmungsrecht bei der Wahl der Betreuungsform – also ob Ganztagsschule oder offene Schule - hätten. Dieses Recht müsse den Familien zukommen, forderte sie, nicht der Politik. Das Argument, dass verschränkte Ganztagsschulen für Chancengleichheit sorgten, wollte sie nicht gelten lassen: So gebe es Zugangsregelungen zu diesen Schulen, die u.a. vorschrieben, dass beide Eltern berufstätig sein müssten. Schwarz forderte in ihrer Rede außerdem eine Aufstockung der SchulsozialpädagogInnen in Wien. Diese hätten ein besseres „pädagogisches Know-how“ als SchulsozialarbeiterInnen. Weil diese im Gegensatz zu SchulsozialarbeterInnen keine Lehrerposten hätten, sei dieser Vorstoß ressourcensparender, meinte sie.

(Forts.) ato/sep

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