Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 24.06.2019:
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53. Wiener Gemeinderat: Rechnungsabschluss 2018 (5)

Spezialdebatte Finanzen, Wirtschaft, Digitalisierung und Internationales

GR Dipl-Ing. Dr. Stefan Gara (NEOS) forderte, dass Wien „bei der Standortpolitik deutlich mehr Meter machen“ müsse. Das „Festzurren von Rahmenbedingungen“ bremse Innovation aus, kritisierte Gara. Als Beispiel nannte er Fahrtendienste oder Hotel-Plattformen – andere Städte würden mit den Herausforderungen, die diese neuen, digitalen Wirtschaftsmodelle stellten, besser umgehen. Erfolg bei der Digitalisierung erfordere „Offenheit für Neues“, neue Services müssten als Chance erkannt werden, sagte Gara. Bei der Ansiedelung von Hightech-Firmen stehe Wien in starker internationaler Konkurrenz, deshalb müsse die Stadtregierung die Rahmen und Möglichkeiten für Firmen schaffen, damit sich Technik-Unternehmen auch in Wien niederlassen. Wien sei bei der Qualität der Ausbildung an Hochschulen „zwar überall gut, aber nirgends wirklich Spitze“, der Forschungsstandort Wien brauche neue „Leuchtturmprojekte“ um weiter zu reüssieren. „Man kann sich nicht immer auf die Karte der hohen Lebensqualität verlassen“, warnte Gara. 

GR Dkfm. Dr. KR Fritz Aichinger (ÖVP) betonte, dass Wettbewerb in der Wirtschaft zu begrüßen sei, allerdings müssten für alle MitbewerberInnen die gleichen Bedingungen gelten, damit der Wettbewerb auch fair bleibe. Wien habe kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem, kommentierte Aichinger den Rechnungsabschluss: Seit 2001 hätte sich die Kommunalsteuer „praktisch verdoppelt“. Ebenso seien die Einnahmen aus der Parkraumbewirtschaftung in den vergangenen Jahren konstant gestiegen und würden inzwischen sogar über der Summe der Einnahmen aus der Grundsteuer liegen. Er plädierte dafür, mit dem Steuergeld der Wienerinnen und Wiener „sorgfältig umzugehen“ – „dem kann aber so nicht der Fall sein, weil es sonst heuer schon ein Nulldefizit geben müsste“, sagte Aichinger.

GR Peter Kraus, BSc (Grüne) konterte seinem ÖVP-Vorredner Aichinger und wies darauf hin, dass die Kurzparkzonen ausgeweitet worden seien, während die Grundsteuer weitgehend gleich geblieben sei. Der Vergleich sei also nicht zielführend. Kraus erinnerte daran, dass es Wien mit dem „Fachkonzept produktive Stadt“ und den „Vienna Business Districts“ geschafft habe, in einem Zusammenspiel von Stadt, Stadtplanung und Wirtschaftskammer produzierende Betriebe in der Stadt zu halten und neue Firmen anzusiedeln. Allein in Liesing seien in den vergangenen Jahren damit mehr als 3.000 neue Arbeitsplätze geschaffen worden. Er erinnerte an den Anstieg bei den internationalen Unternehmens-Ansiedelungen und den Erfolgen der Wirtschaftsagentur bei der Bewerbung des Wirtschaftsstandortes Wien sowie die Unterstützung der Agentur für Start-Ups, für junge Unternehmen und bei Unternehmensgründungen. Auch der Wien Tourismus sei ein „Erfolgsmodell“ mit guten Zahlen und einer hohen Akzeptanz in der Bevölkerung. 

GR Klaus Handler (FPÖ) sagte, die von der Stadtregierung immer wieder betonte Rolle Wiens als „Wirtschaftsmotor und Jobmotor“ sei „nur die halbe Wahrheit“. Statistiken würden „eine andere Realität zeigen“: 147.000 Arbeitslosen im Jahr 2018 stünden gerade einmal 84.000 Menschen ohne Beschäftigung noch zehn Jahre zuvor gegenüber. Trotz steigender Konjunktur würde die Arbeitslosigkeit weiter hoch bleiben und langsamer zurückgehen als in anderen Bundesländern. Auch schütte Wien die Wirtschaftsförderung nicht komplett aus - die 41 Millionen Euro an tatsächlich ausgezahlter Förderung für Wiener Betriebe seien unter den für das Jahr 2018 veranschlagten 61 Millionen Euro geblieben. Die Unternehmensgründungen in der Stadt würden zurückgehen, gleichzeitig steige die Anzahl der Firmen-Pleiten und Privatinsolvenzen. Bei der Regulierung des Fahrtendienstes Uber hätte der Bund mit einem Gesetzt handeln müssen, obwohl auch Wien Möglichkeiten zum Schutz des Taxigewerbes gehabt hätte – die Stadt hätte aber nicht gehandelt. Er, Handler, habe der Rede von Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke (SPÖ) „aufmerksam zugehört“ und sei bei einem Satz hellhörig geworden: Wien bekenne sich dazu, keine neuen Schulden zu machen – „außer es passiert etwas Unerwartetes“. Dass „tatsächlich etwas Unerwartetes passieren wird, davon ist bei Rot-Grün auszugehen“, sagte Handler: Er glaube nicht ans Nulldefizit. 

GR Ing. Christian Meidlinger (SPÖ) erinnerte daran, dass Wien die sechstgrößte Stadt in der EU sei und in den vergangenen zehn Jahren um die gesamte Größe von Graz gewachsen sei. Das bedeute 250.000 zusätzliche Bewohnerinnen und Bewohner, welche die Dienstleistungen und die Daseinsvorsorge der Stadt in Anspruch nehmen – das aber bei gleichbleibendem Personalstand der Verwaltung. Wien sei nicht nur die größte Uni-Stadt im deutschsprachigen Raum und eine beliebte Tourismus-Destination, sondern auch eine prosperierende Region in Europa. Das Jahr 2018 sei mit ein „Rekordjahr“ bei der Beschäftigung gewesen – mit 866.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern seien in Wien so viele Menschen beschäftigt gewesen wie zuletzt vor 27 Jahren. Mit dem Aus für die Aktion 20.000 hätte die schwarz-blaue Bundesregierung unter Altkanzler Kurz, neben vielen anderen, auch 7.000 Wienerinnen und Wienern über 50 Jahren „die Chance geraubt“, wieder am Arbeitsmarkt Fuß zu fassen. Mit der neuen Aktion 50+ lasse Wien diese Menschen nicht im Stich. Meidlinger erinnerte an die Angebote des waff (Wiener ArbeitnehmerInnen Förderungsfonds). Zu dessen Programmen gehörten das Nachholen von Berufsqualifikationen wie Lehrabschluss oder Fortbildungen wie dem Programm „Digi-Winner“, bei dem Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer besser für die Herausforderungen der Digitalisierung qualifiziert werden. 

GR Thomas Weber (NEOS) sprach über die EU und forderte, die EU müsse „stark und geschlossen auftreten, wo das Vorgehen als Nationalstaat keinen Erfolg verspricht“. Konkret treffe das auf die Wirtschaftspolitik, Innovation und bei der Umwelt- und Klimapolitik zu. Bisher hätten Konservative und SozialdemokratInnen auf EU-Ebene „die Politik des kleinsten gemeinsamen Nenners gemacht“ - nun sei es Zeit für die „Politik der großen Visionen“, sagte Weber. Er kritisierte Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) dafür, „echte Wienerinnen und Wiener“ bei der Vergabe von Wohnungen oder Arbeitsplätzen vorreihen zu wollen: „Nicht der Wohnort ist wichtig, sondern die Fähigkeiten, die ich als Mensch mitbringe und wie ich sie in meiner Stadt einbringen kann“, sagte Weber. Er brachte zwei Anträge ein, einen betreffend klimaneutrale Gebäude und einen zweiten betreffend Klimabudget.

GRin Mag.a Caroline Hungerländer (ÖVP) meinte, nach der EU-Wahl stünden in Brüssel wichtige Weichenstellungen und personelle Entscheidungen an – etwa die Bestellung von KommissarInnen und des neuen EU-Kommissionspräsidenten bzw. der neuen Kommissionspräsidentin. Sie machte mehrere Herausforderungen für die EU aus: Darunter die Migration – Europa hätte immer noch kein einheitliches Asylsystem oder Lösungen für legale Migration. Eine weitere Herausforderung sei die EU-Erweiterung Richtung West-Balkan, wo eine klare Position der EU gefragt sei, um alte Fehler aus der Ost-Erweiterung zu vermeiden. Ebenso offen seien die anstehende Neuverhandlung des Rahmenabkommens mit der Schweiz sowie Verhandlungen mit Großbritannien zum immer noch nicht vollzogenen „Brexit“. (Forts.) ato

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