Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 14.10.2019:
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56. Wiener Gemeinderat (1)

Die Wiener NEOS hatte eine Sitzung des Gemeinderates zum Thema „Wunschwidmungen im Grünen Planungsressort? Vorwürfe gegen MA 21 müssen lückenlos aufgeklärt werden“ verlangt. Diese Sitzung auf Verlangen begann heute, Montag, um 9 Uhr. Fragestunde und Aktuelle Stunde entfielen.

GR Christoph Wiederkehr, MA (NEOS) forderte mehr Transparenz bei Flächenwidmungen: „Dubiose“ Flächenwidmungen seien in Wien schon länger Thema, lange vor dem „Skandal“ rund um den Grünen Ex-Gemeinderat Chorherr und dem Bekanntwerden der Ermittlungen der Korruptionsstaatsanwaltschaft rund um Spenden von Immo-Entwicklern an Chorherrs Verein „s2arch“. Bereits in den 2000er-Jahren seien Flächenwidmungen und „Wunsch-Flächenwidmungen“ Thema einer Untersuchungskommission gewesen, erinnerte Wiederkehr. Diese hätte ein „Sittenbild“ aufgezeigt, bei dem Absprachen über Grundstückspreise noch vor dem Beschluss der Flächenwidmung im Gemeinderat und politische Entscheidungen gegen den Willen der Fachabteilungen durchgesetzt worden seien. Die Stadtregierung hätte nicht aus ihren Fehlern gelernt. Als Beispiel dafür zählte Wiederkehr unter anderem die Flächenwidmung für das Heumarkt-Areal auf. Durch die Hochhaus-Widmung handle die Stadt gegen die Interessen der BürgerInnen und gefährde den Status der gesamten Innenstadt als UNESCO-Welterbe. Bei der Umwidmung des Casino Zögernitz in Döbling hätte die Stadt dem Immo-Entwickler durch eine deutliche Aufstockung der verbaubaren Kubatur „Gewinne in Millionenhöhe“ ermöglicht – mit der Gegenleistung, das denkmalgeschützte Casino zu restaurieren. Passiert sei dies bisher nicht. Bei der Flächenwidmung sei auch Chorherr als Planungssprecher involviert gewesen. Wiederkehr zitierte aus einem Interview mit Chorherr, in dem er auf die ausstehende Sanierung angesprochen wurde: Darin meinte der damalige Planungssprecher, er sei zuversichtlich, dass der Investor bald mit der zugesagten Sanierung beginnen würde, „er hat ja noch weitere Projekte in der Stadt vor“. Stadtplanung und Widmungsverfahren müssten transparent und nachvollziehbar ablaufen, ebenso die Vereinbarung von städtebaulichen Verträgen. Die NEOS verlangten deshalb in einem 3-Punkte-Plan „völlige Transparenz und Akteneinsicht bei Flächenwidmungsverfahren“; BürgerInnen-Initiativen müssten früh in den Planungsprozess eingebunden werden; ebenso brauche es „vollkommene Transparenz“ beim Abschluss städtebaulicher Verträge mit BauwerberInnen. Er brachte dazu einen Antrag ein. Unvereinbarkeiten zwischen politischen Funktionen und Engagement in Vereinen müsse strenger gehandhabt werden, forderte Wiederkehr. So müsse es künftig verboten sein, dass ein Politiker „sich selbst beziehungsweise seinem Verein Förderungen freigibt“, wie dies Chorherr getan habe.

GRin DI Elisabeth Olischar, BSc (ÖVP) betonte, dass Flächenwidmungen ein „wichtiges und sensibles Thema“ bei der Stadtentwicklung seien – „hier geht es um sehr viel Geld“, weil Grund und Boden in der Stadt nicht vermehrbar seien. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittle „nicht zum Spaß“, die Dauer der Ermittlungen sei ein Hinweis darauf, „dass an den Vorwürfen was dran ist“. Trotzdem hätte Olischar nicht den Eindruck, dass „irgendwer in der Stadtregierung von den Vorwürfen schockiert ist“. Entweder sei es den Verantwortlichen „egal“, sie fänden es „normal“ oder die Schwere der Vorwürfe sei ihnen nicht bewusst. Jedenfalls sei seit dem Bekanntwerden der Ermittlungen „nichts passiert“. Die Planungspolitik der Stadt hätte „massiv an Vertrauen verloren“, Flächenwidmungen und der Abschluss von städtebaulichen Verträgen seien ein „undurchsichtiger Prozess“ für AnrainerInnen ebenso wie für ProjektwerberInnen. Beide wären zu Recht mit der „Beliebigkeit“ von Entscheidungen unzufrieden. Olischar forderte einen „neuen Zugang“ zur Stadtentwicklung hin zu mehr Transparenz statt „Entscheidungen hinter verschlossenen Türen“. „Nur Transparenz verhindert Korruption“, sagte Olischar, was in der Vergangenheit geschehen sei, müsste aufgeklärt werden. Sie verwies auf einen Entwurf für die Einsetzung einer Untersuchungskommission zu den Flächenwidmungen in Christoph Chorherrs Zeit als Planungssprecher und lud alle Gemeinderäte ein, diesen ÖVP-Antrag zu unterstützen.

GRin Dr.in Jennifer Kickert (Grüne) verwies auf die Diskussion im Gemeinderat Ende September dieses Jahres, als Flächenwidmungen und Spenden aus der Immo-Branche an den Verein von Ex-Planungssprecher Chorherr „schon einmal Thema“ einer dringlichen Anfrage waren. Wie damals hätte sich Kickert auch heute vorgenommen „der Taktik der Delegitimisierung“ entgegen zu treten. Die Opposition ziele darauf ab, einen Politiker zu „dämonisieren“ und seinen Einfluss zu überhöhen. Flächenwidmungen seien nicht „dubios“ sondern umstritten, weil es eben um entgegengesetzte Interessen von zum Beispiel AnrainerInnen und Immobilienentwicklern gehe. Ziel der Flächenwidmungsverfahren sei eine Abwägung der Anliegen - meist komme es zu einer Lösung, mit der alle zufrieden sein könnten. Ein „Korruptionsfall“ liege nicht vor, derzeit werde ermittelt, das Ergebnis sei noch offen. Von Anlass-Widmungen könne keine Rede sein. Es gebe zwar Widmungs-Ansuchen von InvestorInnen, diese werden aber stets von den Fachabteilungen des Magistrats geprüft. Wenn sie dem Gesamtkonzept des Stadtentwicklungsplans STEP entsprechen, dann würden sie weiter behandelt; wenn nicht, dann entsprechend abgelehnt. Alternativ könnten Flächenwidmungen auch angestoßen werden, wenn Flächen laut STEP entwickelt werden sollen. Insofern gebe es „immer einen Anlass“ für eine Flächenwidmung, man könne aber nicht sagen, dass die Stadt nach der Pfeife der InvestorInnen tanze.  

(Forts.) ato

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