Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 14.10.2019:
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56. Wiener Gemeinderat (2)

Georg Fürnkranz (FPÖ) unterstellte dem ehemaligen Grünen-Planungssprecher Chorherr, sich als „der Stadtbaumeister“ geriert zu haben, und seine Rechte und Pflichten als Gemeinderats-Mandatar mit „Aufgaben vermischt zu haben, die ihm nicht zugestanden sind“. Jedes Mal, wenn es in den vergangenen Jahren bei Flächenwidmungen „Brösel“ gegeben habe, hätte Chorherr „seine Finger im Spiel“ gehabt. Die Korruptionsstaatsanwaltschaft ermittle nun seit zwei Jahren – „das sind mehr als haltlose Gerüchte, das ist manifest“, sagte Fürnkranz. Dem ÖVP-Antrag auf Einsetzen einer Untersuchungskommission erwiderte Fürnkranz: Es seien die Freiheitlichen gewesen, die als allererste den Rechnungshof um Prüfung ersucht hätten, und es sei auch diesmal wieder die FPÖ, die eine Untersuchungskommission ins Spiel gebracht habe. Demnach sei die ÖVP eingeladen, dem freiheitlichen Antrag zuzustimmen. Fürnkranz störte sich auch daran, dass Chorherr nach seinem Ausscheiden aus der Politik „sofort und ohne Genierer“ beim Immo-Konzern Soravia angeheuert habe; ihm fehle es offenbar an Unrechtsbewusstsein. Defizite gebe es in der Wiener Planungspolitik aber generell – „Interessen von Bürgern und das kulturelle Erbe werden mit Füßen getreten“, und der beschlossene „Masterplan Partizipation“ sei „zahnlos“ geblieben – ihm fehlten bis dato konkrete Methoden zur Umsetzung. Diese Methoden für den Masterplan zu veranlassen, forderte Fürnkranz in einem Antrag.

DI Omar Al-Rawi (SPÖ) berichtete vom internationalen „Hospitality Innovation Award“, den er am Mittwoch dieser Woche in München entgegengenommen habe. Die Stadt Wien sei hier vom „Who is Who der Immobilien- und Hotelbranche“ prämiert worden – und zwar für den sozialen Wohnbau und das flächendeckende Angebot an leistbaren Wohnungen. „Anders als in München, wo sich eine Krankenschwester, ein Gemüsehändler, ein Polizist das Leben in der Stadt nicht mehr leisten kann“, berichtete Al-Rawi von der Preisverleihung. Auch hätten Investoren vor Ort gemeint, „dass Wien übertreibt, wenn zwei Drittel aller neu gewidmeten Wohnungen gefördert sein müssen“. Das sei klares Zeichen, dass die Stadt eben nicht „nach Wunsch“ widme, sagte er. Bezogen auf die Vorwürfe gegen Chorherr berichtete Al-Rawi von der „komplexen, genauen“ Natur eines Widmungsverfahrens – von der öffentlichen Auflage, über kooperative und partizipative Verfahren, der Einbindung des Bezirks und dessen Gremien, über die Verhandlung in der Stadtentwicklungsplan-Kommission bis hin zum Fachbeirat – „wer glaubt, dass in diesem komplizierten Verfahren eine Person alleine etwas entscheiden kann, der war noch nie dabei oder hat den Prozess nicht verstanden“. Ähnlich sei es beim Heumarkt verlaufen – viele Stakeholder und Beteiligte seien im Prozess involviert gewesen, etwa der Eislaufverein, der Bezirk, der Musikverein, das ansässige Gymnasium; dazu gekommen sei der langwierige Architekturwettbewerb. Nun werfe die Opposition Chorherr vor, bei dem Projekt in der Jury gewesen zu sein – wobei er in jener Sitzung, als das Projekt entschieden wurde, „nicht einmal anwesend war“. Richtung Opposition meinte Al-Rawi, diese würde Wien als „Chaosstadt“ darstellen und die Beamtinnen und Beamten der Fachdienststellen „anschwärzen“. Diese hätten vielmehr „Meilensteine“ der Stadtplanung verwirklicht, etwa die Seestadt Aspern, das Viertel um den neuen Hauptbahnhof, das „Viertel Zwei“ und die vielen neuen geförderten Wohnungen, etwa In der Wiesen in Liesing, in der Wolfganggasse in Meidling und im Favoritner Sonnwendviertel.

Thomas Weber (NEOS) mahnte „Beteiligung und Transparenz“ ein, um Bestechlichkeit und Korruption zu bekämpfen. In Wien gebe es noch keinen Rechtsanspruch auf BürgerInnenbeteiligung; über Mitsprache-Rechte würde lediglich von Projekt zu Projekt entschieden. Auch sei der „Masterplan für partizipative Stadtentwicklung“ nur sehr unverbindlich definiert. Daher brauche es „klare Regeln“, wer wann und wo eingebunden wird. In einem Antrag forderte Weber ein Modell nach deutschem Vorbild: Das deutsche Baugesetz verlange „frühzeitige Beteiligung der Öffentlichkeit“ bei Widmungsverfahren und eine „zeitnahe“ öffentliche Planungsdiskussion. In frühem Stadium sei die Planung oft noch nicht festgelegt und könne geändert werden - in Wien passiere das derzeit „nur im Magistrat ohne Beteiligung der Öffentlichkeit“. Auch erinnerte Weber an einen gemeinsamen Forderungskatalog mehrerer BürgerInnen-Initiativen, der Punkte wie eine verpflichtende BürgerInnenversammlung bei der Umwidmung von Grünflächen beinhalte. Alle Punkte in dem Papier könnten mehr Transparenz in Beteiligungsverfahren bringen, meinte Weber.

Mag. Manfred Juraczka (ÖVP) nannte die heutige Debatte ein „Schulbeispiel“ dafür, wie die Stadtregierung „mit unliebsamen Themen umgeht“. Zuerst sei der Termin des heutigen Gemeinderats mit bürokratischen Kniffen auf ein Datum nach der Nationalratswahl gesetzt worden; und dann „schickt man Redner raus, die Emotionen rausnehmen sollen“. Dabei stehe inhaltlich für ihn fest: Gerade als Jury-Mitglied beim Heumarkt-Projekt hätte Chorherr auf Welterbe-Status, maximale Bauhöhe und Bauordnung hinweisen müssen. Und auch der „Preis aus München“ habe nichts mit der Frage zu tun, ob „in Wien Widmungen käuflich sind“. Tatsache sei: Wenn Investoren in Wien entwickeln wollen, gingen sie ins zuständige Ressort und dort zum Planungssprecher. Wenn dieser, wie Chorherr, sich nebenbei für einen sozialen Verein engagiere und um Spenden bitte, sei das Vermuten eines Konnex zur Flächenwidmung nicht abwegig. Die Reaktion der Stadtregierung habe ihm, Juraczka, aber gezeigt, dass die „Kritik nicht angekommen“ sei – heute „nicht zu bunkern“ sei zu wenig, Rot-Grün müsse proaktiv mehr tun: zum Beispiel sämtliche Widmungen „gegenchecken“, die unter Planungssprecher Chorherr zustande gekommen seien.

David Ellensohn (Grüne) erinnerte an den ursprünglichen Vorwurf: Dass nämlich der Grüne Chorherr „Schulen in Südafrika ermöglicht und das Geld dafür womöglich nicht redlich bekommen“ habe. Niemand jedoch würde behaupten, dass „auch nur ein Euro in die Taschen von Chorherr oder der Grünen gewandert“ sei. Dieser Unterschied sei deutlich zu machen, denn „was sind denn die eigentlichen Skandale?“, frage Ellensohn – und zählte eine Liste von „Skandal-Beispielen“ auf, etwa Buwog, BVT, Casinos-Affäre, die Hypo, „Ibiza“. Wenn man in Österreich von Korruption rede, „landet man immer bei denselben zwei Parteien“, meinte Ellensohn. Für Vertreter von ÖVP und FPÖ habe es, anders als bei den Grünen, schon „Verurteilungen und Haftstrafen“ gegeben. Wenn es ein Fehler Chorherrs war, dann jener, zwei Funktionen gleichzeitig auszuüben. Dies sei aber „Pipifax“ im Vergleich zu den „Millionenskandalen“ von ÖVP und FPÖ. „Wer hier mit Kanonen auf Spatzen schießt riskiert, dass die Großen davonkommen“, sagte Ellensohn, und „wir werden hier abgeschossen, weil wir uns für sozialen Wohnbau einsetzen. Nicht alle Investoren sind happy damit, dass wir bei Widmungen zwei Drittel geförderten Wohnbau verlangen und dass es keine Millionenrendite für sie gibt.“ (Forts.) esl

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