Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 18.11.2019:
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58. Wiener Gemeinderat (3)

GRin Mag.a Caroline Hungerländer (ÖVP) erinnerte an den „Vertrauensvorschuss“, den ihre Fraktion dem damals neuen Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) vor eineinhalb Jahren ausgesprochen hätte; es sei schon damals klar gewesen, dass Hacker vor großen Problemen stehen würde. Diese seien seither weiter gewachsen. Defizite im Gesundheitswesen gebe es auf personeller, struktureller und infrastruktureller Ebene. So sei im Pflege- und ärztlichen Bereich ein Personalmangel zu verzeichnen, während im KAV-Management gleichzeitig eine „Heerschar an Beratern“ unter Vertrag genommen werde; die Sanierung von Gebäuden wie dem Wilhelminenspital oder dem Krankenhaus Hietzing habe wegen Mehrkosten für den Bau des KH Nord aufgeschoben werden müssen; und eine vormals online abrufbare Liste mit Wartezeiten auf OPs sei offline genommen worden – Hungerländer erhoffte sich diesbezüglich „mehr Transparenz“ vom kommenden Bericht des Rechnungshofs. Auch ortete sie einen „Wortbruch“ von Stadtrat Hacker. Dieser habe vor der Novellierung des Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetzes versichert, dass dadurch keine Versorgungsengpässe entstehen würden – genau das sei aber jetzt passiert, die unabhängige Wiener Patientenanwaltschaft (WPPA) werde mit „Beschwerden geflutet“. Hungerländer forderte eine „zügige“ Reform des KAV unter Beibehaltung der Kontrollrechte der Opposition genauso wie das Neu-Angehen des Wiener Spitalskonzeptes 2030.

GRin Veronika Matiasek (FPÖ) meinte, die „vielen Beschwerden von Patienten, Angehörigen und dem medizinischen Personal“ seien nur aktueller Ausdruck von Fehlern im Gesundheitssystem, die seit Jahren bekannt und gewachsen seien. „Dreh- und Angelpunkt“ dabei seien mangelnde Kapazitäten für „zu viele Patienten“ – dahinter stecke politisches Versagen, immerhin habe Rot-Grün das Bevölkerungswachstum der Stadt seit Jahren propagiert. Matiasek zählte OP-Wartezeiten auf, etwa 166 Tage Wartezeit auf einen Bandscheiben-Eingriff – „wer so lange Schmerzen hat, wird in die Privatmedizin gedrängt“, argumentierte Matiasek. Auch wollte Matiasek ihr Augenmerk auf das Patienten-Segment der Hochbetagten legen. Ältere Menschen, die oftmals alleine in Ambulanzen kämen, bräuchten besondere Unterstützung. Mittels Antrags forderte sie, entsprechendes Personal für die Versorgung Älterer in Ambulanzen einzustellen. Ähnlich wie die NEOS forderte auch Matiasek mehr Ressourcen für die Kinderheilkunde. In einem zweiten Antrag forderte sie das Einrichten eines Kinder-Reha-Instituts – idealerweise auf dem Gelände des ehemaligen Orthopädischen Krankenhauses Gersthof.

GRin Dr.in Claudia Laschan (SPÖ) kritisierte den Titel der heutigen Sondersitzung als „völlig überzogen und überflüssig“ – Redewendungen, die auf den Tod anspielen, wie „zu Grabe tragen“, hätten in der politischen Auseinandersetzung nichts verloren. Zumal sei diese Anspielung auch in der Sache falsch: Das Wiener Gesundheitssystem sei „in hohem Maße mit Leben und Entwicklung“ befüllt. Laschan erinnerte aber auch daran, dass rund ein Fünftel der Wiener Spitalspatientinnen und –patienten aus den Bundesländern nach Wien zur Behandlung kämen, die meisten davon aus Niederösterreich. Das liege daran, dass hochspezialisierte – und damit teure – Leistungen oftmals nur in Wiener Spitälern angeboten würden. „Ohne Schuldzuweisung: Hier braucht es eine Lösung mit Niederösterreich, denn das geht letztlich auf die Lasten der Wiener Steuerzahlerinnen und Steuerzahler“, sagte Laschan. Was den Mangel an niedergelassenen „Hausärzten“, also AllgemeinmedizinerInnen betreffe, sagte sie: Junge Ärztinnen und Ärzte würden zwar „von allen Seiten bekniet und angefleht“ diese Laufbahn einzuschlagen – es sei aber schlichtweg nicht mehr attraktiv, sich als „Einzelkämpfer“ allgemeinmedizinisch niederzulassen. Hier brauche es neue Formen im niedergelassenen Bereich, wo interdisziplinär gearbeitet werden könne, mehr Aufgaben übernommen würden und auch das Angebot zu Randzeiten wachse. Das sei zwar herausfordernd, weil ein Sprung über bürokratische Hürden, würde aber den Job attraktivieren und nicht zuletzt die Spitäler entlasten. Auch sei durchaus anzudenken, die medizinische Ausbildungsordnung zu verändern, um die Allgemeinmedizin attraktiver für angehende Ärztinnen und Ärzte zu machen. Auch forderte Laschan, die Aufnahmeprüfung an der MedUni in ihrer jetzigen Form abzuschaffen: Vorbereitungskurse auf dieses „misslungene Konstrukt“ seien langwierig und vor allem teuer; damit werde ausgeschlossen, dass künftige ÄrztInnen „aus allen Gesellschaftsschichten“ in den Beruf kämen, und nicht nur jene mit entsprechenden finanziellen Mitteln.

GR Mag. Martin Hobek (FPÖ) sprach zum novellierten Wiener Rettungs- und Krankentransportgesetz. Diesem habe die FPÖ zwar „zugestimmt, weil Sie uns überzeugt haben, dass es keine Engpässe geben“ werde, meinte er Richtung Stadtrat Hacker (SPÖ), aber genau diese Situation sei nun eingetreten: Wartezeiten von 8 Stunden würden gemeldet; „wenn das einen Sauerstoffpatienten betrifft, dessen Reserve nur mehr für drei Stunden reicht, wird es gefährlich“. Weil das Gesetz vorschreibt, dass auch bei Krankentransporten medizinisch geschultes Personal an Bord sein müsse, würden die Krankenfahrer „abschätzig als Taxler“ bezeichnet, meinte Hobek. Er selbst sei einmal in einer medizinischen Notsituation mit dem Taxi ins Spital gefahren, und „wenn ich mir aussuchen kann, ob im Notfall ein Taxi kommt oder gar niemand, nehme ich das Taxi“. Zu dem Thema forderte Hobek einen „Gesundheitsgipfel“ in Form eines Runden Tischs. Er brachte dazu einen Antrag ein.

GR Christian Deutsch (SPÖ) warf der Opposition „übliche Skandalsierung“ vor – die FPÖ „konnte heute nicht einmal inhaltlich begründen“, warum sie diese Sitzung auf Verlangen einberufen hatte. „Ich habe von Ihnen keinen einzigen konkreten Vorschlag gehört“, sagte Deutsch. Anstatt das „umfassende Investitionsprogramm“ der Stadt in Spitäler oder die Geriatrieversorgung zu sehen, verunsichere die Opposition die Wiener Bevölkerung und MitarbeiterInnen des KAV. „Niemand sagt, dass alles 100 Prozent in Ordnung ist“, meinte Deutsch, „aber wir haben einen konkreten Lösungsanspruch“. Er erinnerte an die Gesundheitspolitik der vergangenen türkis-blauen Bundesregierung: Es sei zu befürchten, dass deren 1,2 Milliarden Euro teures Paket zur Zusammenlegung der Krankenkassen zur Kürzung von medizinischen Leistungen führe. Gleichzeitig habe die freiheitliche Gesundheitsministerin Beate Hartinger-Klein eine Sonderbehandlung von Privatversicherten in Ambulanzen in Aussicht gestellt. Dem gegenüber stünden konkrete Projekte, Pläne und Handlungen der Wiener Stadtregierung: Mit 4,4 Milliarden Euro für die Gesundheitsversorgung im Jahr 2020 sei es auch diesmal wieder die größte Ausgabengruppe des Stadtbudgets; über die Wiener Zielsteuerungskommission und den „Strukturplan Gesundheit“ seien zusätzliche Primärversorgungseinheiten (PVE) in die Wege geleitet worden, um dem Bevölkerungsanstieg Rechnung zu tragen; nicht zuletzt gebe es mit der „Wiener Gesundheitsplattform“ ein zentrales Gremium aller wichtigen Mitglieder im Gesundheitswesen. Dort würden nicht nur gemeinsame Gesundheitsziele, sondern auch Finanzierungsfragen beschlossen – und das zumeist einstimmig, also auch mit Stimmen der Oppositionsparteien, wie Deutsch anmerkte. Zum Thema Pflege meinte Deutsch: Der Dachverband habe erhoben, wie sich der Pflege- und Personalbedarf in den kommenden Jahren bis 2030 entwickeln werde. Dem prognostizierten Bedarfswachstum werde mit konkreten Maßnahmen begegnet, um „hochqualifiziertes Personal in der Pflege sicherzustellen“.

GR Georg Schuster (FPÖ) forderte Gesundheitsstadtrat Peter Hacker (SPÖ) in seiner Rede zum Rücktritt auf. Er ortete ein „Versagen“ des Ressortchefs und der rot-grünen Gesundheitspolitik in Wien. Bereits als Flüchtlingskoordinator hätte Hacker Unregelmäßigkeiten bei der Flüchtlingshilfe zugelassen und gegen den Willen der Bewohnerinnen und Bewohner fast alle „Bezirke in Wien mit Flüchtlingsunterkünften zugepflastert“. Auch als Gesundheitsstadtrat sei die Bilanz von Hacker alles andere als erfolgreich, sagte Schuster. Die angekündigte KAV-Reform lasse weiter auf sich warten, die Spitäler litten nach wie vor unter der „Finanzmisere“ des KAV. Im AKH fehle Pflegepersonal, was zu Engpässen bei der Versorgung von Frühgeborenen auf der Neonatologie und bei Herz-OPs führe. Schuster kritisierte außerdem die steigende Aggression in den Ambulanzen, die auf lange Wartezeiten und Ungleichbehandlung von Patientinnen und Patienten zurückzuführen sei, und die noch immer in den Spitälern anzutreffenden Gangbetten.

Abstimmungen: Keiner der eingebrachten Anträge der NEOS, ÖVP und FPÖ fand die notwendige Mehrheit.

Der 58. Wiener Gemeinderat endete um 12.20 Uhr.

(Schluss) esl/ato

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