Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 19.11.2019:
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59. Wiener Gemeinderat (2)

Aktuelle Stunde „Klimaschutz als Chance für die Wiener Wirtschaft“

Die Aktuelle Stunde wurde diesmal von den Grünen eingebracht und lautete „Klimaschutz als Chance für die Wiener Wirtschaft“.

GR Hans Arsenovic (Grüne) nutzte seine erste Rede im Wiener Gemeinderat, um auf die Verantwortung der Politik in der Klimakrise aufmerksam zu machen. Wien müsse zur „Klimahauptstadt“ werden. Arsenovic verwies auf die jüngsten Unwetter in Kärnten und Osttirol sowie auf den „Hitzesommer“ vor wenigen Monaten: „Die Klimakrise ist hier und betrifft uns“, deshalb sei es an der Zeit, in der Stadt fraktionsübergreifend zu handeln. Der Klimawandel habe nicht nur Auswirkungen auf die Menschen, sondern auch auf die Wirtschaft: Geschäftsmodelle würden wegbrechen, dafür könnten sich neue Chancen auftun. Wien müsse Vorreiterin bei erneuerbarer Energie werden, mehr in die Begrünung der Stadt und in Wasserspender im öffentlichen Raum investieren. Gleichzeitig müsse die „Klimahauptstadt“ auf die Förderung von innovativen Technologien bauen, ebenso auf Forschung zum Klimaschutz an den Unis und FHs in der Stadt. Wien müsse sich als innovative Stadt präsentieren und Magnet für Klimaschutz-VorreiterInnen werden, deren Ideen zu Innovationen im Klimaschutz führen, forderte Arsenovic. Ihnen müsste die Stadt Infrastruktur und Räume bieten, nur so könne die Wirtschaft die Klimakrise auch als Chance nutzen. „Wir sind die erste Generation, die den Klimawandel zu spüren bekommt und die letzte, die noch etwas dagegen unternehmen kann“, mahnte Arsenovic.

GR Dipl-Ing. Dr. Stefan Gara (NEOS) begrüßte den Vorstoß von Arsenovic, Wien zur „Klimahauptstadt“ aufzubauen. Dafür müsse die rot-grüne Stadtregierung aber „neben vielen Strategien auch ins Handeln kommen“. So sei Wien von Alt-Bürgermeister Michael Häupl schon 2010 zur „Solarhauptstadt“ ausgerufen worden – seitdem sei aber wenig passiert, mahnte Gara: „In Wien wird viel geredet, beim Handeln ist die Stadt aber lasch.“ Während etwa Berlin in Gesprächen mit dem Elektroauto-Pionier Tesla über einen neuen Standort stehe, könne Wien einzelne, kleinere Projekte wie das „Aspern Smart City Lab“ vorweisen. „Schöne Broschüren“ seien nicht genug, um Wien als innovative Stadt zu positionieren, so Gara.

GRin Dipl.-Ing.in Elisabeth Olischar, BSc (ÖVP) erinnerte an das Konzept der „ökosozialen Marktwirtschaft“, das bereits vor 30 Jahren von der ÖVP als Modell vorgestellt worden sei, Wirtschaft und Umweltschutz zusammenzubringen. Für erfolgreichen Umweltschutz brauche es breite Akzeptanz für die dafür notwendigen Maßnahmen – und auch die Wirtschaft müsse mit an Bord geholt werden. Es brauche Aufgeschlossenheit gegenüber innovativen Ideen aus der Wirtschaft, die von der Stadt mehr als bisher gefördert werden müssten, argumentierte Olischar. „Anpacken“ heiße es für Wien bei Projekten wie E-Mobilität, „Einwegplastik-freies Rathaus“ oder Fassadenbegrünungen.

GR Ing. Udo Guggenbichler (FPÖ) kritisierte die Grünen für Verkehrsmaßnahmen, die laut Guggenbichler vordergründig dem Klimaschutz dienten, allerdings „nur Stau produzieren“. Durch das absichtliche Verursachen von Staus durch Streichen von Fahrspuren oder den Bau von Radwegen ziele das grün geführte Verkehrsressort darauf ab, Autofahren unattraktiv zu machen. Der Grünen-Gemeinderat Arsenovic hätte in seiner Rede dazu aufgefordert, fraktionsübergreifend für den Klimaschutz zu arbeiten. Guggenbichler wollte diesen Appell nicht glauben: Er zählte mehrere Anträge der FPÖ zum Thema Klimaschutz auf – darunter ein Antrag für ein Plastiksackerl-Verbot, für Bienenschutz, für Dachbegrünungen – bei denen die Grünen nicht mitgestimmt hätten.

GR Erich Valentin (SPÖ) sagte, bis zur Rede des FPÖ-Mandatars sei er davon ausgegangen, dass in Sachen Klimaschutz „ein Konsens im Gemeinderat herrscht“ – Guggenbichler hätte die „Illusion“ zerstört, dass gemeinsame Schritte für den Klimaschutz auch mit der FPÖ möglich seien. Valentin erinnerte daran, dass Wien bereits seit 1999 ein Klimaschutzprogramm verfolge. Das Programm stehe für Ideen und Vorschläge sowie Initiativen aus der Wiener Bevölkerung und Wirtschaft offen. Im Zuge dieses städtischen Programms „KliP“ seien neben etlichen Investitionen in den Jahren 1999 bis 2016 auch 52.000 Arbeitsplätze in Wien gesichert worden. Klimaschutz-Maßnahmen wie der Ausbau der Fernwärme im Gemeindebau, thermische Sanierung von Gebäuden oder Nachrüstung von LED-Lichtern würden dabei helfen, Arbeitsplätze in der lokalen Wirtschaft und bei Wiener Firmen zu sichern.

GR Markus Ornig, MBA (NEOS) kritisierte, dass die Rahmenbedingungen in Wien nicht ideal seien, um innovative Wirtschaft und Klimaschutz zu vereinen. Er plädierte für eine CO2-Steuer bei gleichzeitigem Senken der hohen Lohn- und Lohnnebenkosten auf Bundesebene und eine Entbürokratisierung auf Stadt-Ebene. So könnte die Stadt etwa die  Rückkehrpflicht für Mietwagen des Fahrtendienstes „Uber“ kippen – diese würde aber von Rot-Grün abgelehnt. Die Stadtregierung nehme damit in Kauf, dass leere Mietwagen quer durch die Stadt zurück zu ihren Garagen fahren und CO2 produzieren.

GR Mag. Manfred Juraczka (ÖVP) freute sich über „die erste Aktuelle Stunde der Grünen hier im Haus, seitdem ich im Gemeinderat bin, bei der im Titel das Wort ‚Wirtschaft‘ vorkommt.“ Auch beim Klimaschutz brauche es den Konsens, dass der Kapitalismus nicht abzuschaffen, sondern zu verbessern sei. Engagement von Jungen für den Klimaschutz hieß er willkommen, lehnte aber „radikale Haltungen“ wie jene von „Extinction Rebellion“ ab. Das Thema Klimaschutz gehöre in die Mitte der Gesellschaft, sagte Juraczka. Österreich würde zwar weniger CO2 produzieren als größere „Problemstaaten“, müsse aber eine Vorbildfunktion einnehmen, damit es auch weltweit zu einem Wandel komme. Dabei müsse auf Innovation gesetzt werden, „Verbotskultur“ bringe die Gesellschaft nicht weiter. Sich auf die Verkehrspolitik zu fokussieren sei nicht genug, statt Diesel zu verbieten und Lastenfahrräder zu forcieren müsse die Stadt entscheidendere Schritte setzen und überalterte kalorische Kraftwerke abschalten, argumentierte Juraczka.

GR Peter Kraus, BSc (Grüne) widersprach seinem Vorredner Juraczka. Die Förderung für Lastenräder durch die Stadt sei rasch ausgeschöpft geworden – das Angebot komme also gut an. Ebenso sei es nicht Ziel der Verkehrspolitik der Stadt, Staus zu prodozieren, wie FPÖ-Mandatar Guggenbichler es der Verkehrsstadträtin vorhalte. Künftig müsse die Produktion von CO2 „bepreist“ werden, forderte Kraus. Der Emissionshandel auf EU-Ebene und die Reduktion des CO2-Ausstoßes zum Beispiel bei der VOEST zeige, dass so ein Konzept funktioniere. Die CO2-Steuer müsse gleichzeitig von einem Öko-Bonus begleitet werden, forderte Kraus; davon würden vor allem kleine und mittlere EinkommensbezieherInnen profitieren, „die weniger Geld fürs Fliegen oder für dicke SUVs haben“ und dementsprechend weniger CO2 verursachen würden. Ähnlich viel Energie wie in den Wandel durch die Digitalisierung müsse auch an die Anpassung der Wirtschaft an den Klimawandel fließen – das sei aber bisher nicht möglich, wenn sich mit dem Verbrennen von Öl ungleich mehr Geld machen lasse als mit nachhaltiger Wirtschaft.

GR Georg Fürnkranz (FPÖ) mahnte, das Thema „global und gesamthafter“ zu sehen. Wer hierorts mit Verboten, neuen Steuern und Zertifikaten hantiere, sorge nur dafür, „dass stattdessen in China produziert wird“. Vielmehr brauche es ein „sinnvolles“ System der Anreize, neue Förderstrukturen und städtische Rahmen, um heimische Betriebe zum Energiesparen zu bringen: „Dann regelt sich vieles von selbst“, meinte Fürnkranz. Grundsätzlich sei das Thema der CO2-Problematik seit Jahren bekannt – „aufgrund der PR-Maschinerie um ein schwedisches Schulmädchen wird daraus jetzt eine globale Hysterie“. Auch die rot-grüne Stadtregierung habe hier „Aufholbedarf“: Zahlreiche freiheitliche Anträge zum „klimanützlichen Verhalten“ seien von SPÖ und Grünen im Gemeinderat abgelehnt worden, erinnerte er an die Rede seines Fraktionskollegen Guggenbichler.

GRin Katharina Schinner-Krendl (SPÖ) erinnerte an eine Aussage des Wirtschaftskammer-Präsidenten Harald Mahrer, der „eine Dachbegrünung bei Unternehmen ausdrücklich begrüße“. Nach einem Sommer der Betriebsbesuche und Gesprächen mit vielen der „66.000 Kleinunternehmen in der Stadt“ habe Schinner viel „Verwirrung“ über diese „abgehobene“ Ansage vernommen: „Die Einzelperson, das Kleinunternehmen, die haben kein Dach, das sie begrünen können.“ Statt Große und Kleine „in einen Topf zu werfen“ und mit „erhobenem Zeigefinger zu kommen“, brauche es insbesondere auf lokaler und Grätzel-Ebene einen gemeinsamen, granularen Ansatz. Dazu gehörten etwa die 8-Millionen-Euro-Sonderdotierung für Baumpflanzungen in den Bezirken oder die 2,3 Millionen Euro für „Cooling-Initiativen“ in den Wiener Grätzeln.

(Forts.) ato/esl

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