Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 20.12.2019:
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62. Wiener Gemeinderat (1)

Die Wiener ÖVP hatte eine Sitzung des Gemeinderats zum Thema „Wiens kulturelles Erbe vor Rot-Grün schützen: Retten, was noch zu retten ist! Das Bauprojekt am Heumarkt ist mit dem Weltkulturerbe nicht vereinbar und darf nicht realisiert werden.“ verlangt. Diese Sitzung auf Verlangen begann heute, Freitag, um 9 Uhr. Fragestunde und Aktuelle Stunde entfielen.

StR Dr. Markus Wölbitsch-Milan, MIM (ÖVP) zufolge schaffe es die Wiener Stadtregierung nicht, ein Projekt „Weltkulturerbe-tauglich“ zu planen. Das historische Zentrum Wiens stehe aufgrund der „Naivität, Unprofessionalität und Inkompetenz von Rot-Grün“ auf der „Roten Liste“ der UNESCO. Die Stadtregierung würde Wölbitsch-Milan zufolge stets beteuern, dass der Erhalt des Weltkulturerbes wichtig sei. Das Gegenteil sei jedoch der Fall: Auch Wiens ehemaliger Bürgermeister Dr. Michael Häupl habe - so wie die aktuellen Mitglieder der Stadtregierung – „heimlich Bauvorhaben am Rand der Aberkennung des Weltkulturerbe-Status vorangetrieben“. Wölbitsch-Milan forderte daher einen „ehrlichen Zugang“ von der Stadt: „Das Weltkulturerbe ist Rot-Grün einfach nicht wichtig.“ Mit der im Frühjahr 2019 angekündigten zweijährigen Nachdenkpause habe die Stadtregierung versucht, die Wiener Bevölkerung davon zu überzeugen, dass vorerst nichts passiere, was das Weltkulturerbe gefährde. Diese Nachdenkpause stelle sich Wölbitsch-Milan zufolge eher als „Pause vom Nachdenken“ heraus, da die Stadt im Hintergrund weiter an der Umsetzung des Heumarkt-Projekts arbeite und das behördliche Routineverfahren weiterführe. Das zeige auch die gestern durch die Stimmen von Rot-Grün beschlossene Baureifgestaltung des Areals. Die Stadt Wien hätte entsprechende Rahmenbedingungen bei der Flächenwidmung festlegen müssen, um die Interessen der Wiener Bevölkerung bestmöglich zu vertreten. Zudem kritisierte Wölbitsch-Milan, dass die Stadtregierung weder der Opposition noch den WienerInnen den aktuellen Stand des Heumarkt-Projekts kommuniziere: „Nur durch Anfragen, Anträge und Sonder-Gemeinderatssitzungen der Opposition sowie durch journalistische Recherchen kommen Information zum Heumarkt-Projekt ans Tageslicht“, meinte Wölbitsch-Milan. Das Projekt müsse abgeändert werden, um den Weltkulturerbe-Status nicht weiter zu gefährden – „da hilft auch kein Managementplan“, sagte Wölbitsch-Milan. Auch der derzeitige Verhandlungsstand zwischen Projektbetreiber und Stadt Wien sei fraglich. Wölbitsch-Milan forderte, die Stadt müsse sich ihrer Verantwortung stellen. Bürgermeister Dr. Michael Ludwig müsse das Thema Heumarkt „zur Chefsache machen und sich endlich in die Verhandlungen einbringen“.

GR Dietrich Kops (DAÖ) bemerkte, dass sich der Wiener Gemeinderat bereits seit Jahren mit dem Heumarkt-Projekt auseinandersetze. Die Thematik käme auch bei der Wählerschaft der SPÖ nicht gut an, so Kops. Er befand die aktuelle zweite Nachdenkphase als „sehr seltsam und dubios“ und hinterfragte die Veräußerung kleiner Flächen rund um den Wiener Eislaufverein an den Projektentwickler. Es sei laut Kops ein „leichtes Unterfangen“, den Heumarkt, das Wiener Konzerthaus und den Wiener Eislaufverein zu retten. Wenn die Stadt beispielsweise den Eislaufverein finanziell unterstütze, könnte dieser renovieren – „da braucht es keinen Hochhaus-Turm“. Kops meinte, er werde sich weiterhin für die Revitalisierung des Heumarkts einsetzen und „gegen das Hochhaus-Projekt kämpfen“.

GR Christoph Wiederkehr, MA (NEOS) ortete ein „rot-grünes Totalversagen“ beim Heumarkt-Projekt. Die vielen Diskussionen darum seien berechtigt. Die UNESCO sei von Anfang an gegen die Umsetzung dieses Projekts gewesen, so Wiederkehr. Die Stadt habe einen völkerrechtlichen Vertrag mit der UNESCO abgeschlossen, an den sie sich halten müsse. Wiederkehr zufolge sei ein Beteiligungsverfahren zu Beginn des Projekts wichtig gewesen: Die Stadtregierung hätte die WienerInnen miteinbeziehen müssen. Es passe außerdem nicht zusammen, dass das Projekt im Zuge einer Baureifgestaltung innerhalb einer Nachdenkphase weiter vorangetrieben werde. Bereits nach der ersten Nachdenkphase zum Heumarkt-Projekt sei der Entwurf „verschlimmbessert“ worden. Wiederkehr pflichtete seinem Vorredner Wölbitsch-Milan von der ÖVP bei: „Das Schlimmste ist aber, dass Rot-Grün weder die Politik noch die Öffentlichkeit über den aktuellen Stand des Projekts von sich aus informiert.“ Er forderte „Klarheit und Rechtsstaatlichkeit“ sowie eine Lösung im Sinne der Wiener Bevölkerung beim Erhalt des Weltkulturerbe-Status.

GRin Dr.in Jennifer Kickert (Grüne) sagte: „Meine Vorredner nehmen die Informationen, die die Stadt Wien über das Projekt bietet, sehr selektiv auf.“ Sie entgegnete Wiederkehr von den NEOS: Es handle sich bei dem Heumarkt-Projekt nicht um „Politikversagen, sondern um die mühsame tägliche Arbeit mit verschiedenen Interessensgruppen, um die beste Lösung für die Wienerinnen und Wiener zu finden“. Durch die Beschlussfassung aus dem Jahr 2017 gebe es zudem Rechtssicherheit. Im Zuge eines „transparenten Prozesses“ sei eine Flächenwidmung mit mehreren Qualitäten beschlossen worden, die eine „wesentliche Verbesserung am Heumarkt-Areal herstellen werden“, meinte Kickert. Dazu zählten etwa die Erneuerung des Hotels InterContinental mit großen Konferenzräumen, die Schaffung von konsumfreien Räumen für alle WienerInnen, die öffentliche Zugänglichkeit und der langfristige Erhalt des Weltkulturerbes. Die Stadt habe zugesagt, in Dialog mit der UNESCO zu treten und diesen zu verstärken – „das haben wir getan und das werden wir auch weiterhin tun“, betonte Kickert. Die Wiener Stadtregierung würde außerdem nach wie vor mit dem Projektbetreiber und mit VertreterInnen der UNESCO verhandeln und versuchen, das Projekt „Weltkulturerbe-tauglich“ umzusetzen.

StRin Ursula Schweiger-Stenzel (FPÖ) kritisierte, dass die Stadtregierung im gestrigen Wiener Gemeinderat den Beschluss der Baureifgestaltung am Heumarkt-Areal trotz Nachdenkphase „durchgepeitscht“ habe. Die Stadt Wien habe sich im Jahr 2006 im Zuge der Publikation "Weltkulturerbe - der Stand der Dinge" bereits „ausdrücklich zum Erhalt des Weltkulturerbe-Status bekannt“, sagte Schweiger-Stenzel. Solange an einem neuen Management-Plan gearbeitet werde und dieser nicht geltend sei, müsse sich die Stadt an diese Publikation halten. Das Projekt widerspreche den Grundsätzen der UNESCO. Deshalb hätte die Stadt die Entwürfe mittlerweile so adaptieren müssen, dass es den Auflagen der UNESCO entspreche, etwa durch Änderungen bezüglich der Turmhöhe und der Sichtwinkel und -achsen. „Es gibt aber kein Anzeichen, dass der Projektbetreiber von seinem Vorhaben abweicht“, meinte Schweiger-Stenzel. Er sei der einzige, der am Heumarkt-Projekt gewinne. Die Nachdenkpausen, Briefwechsel, neue Konferenz-Plattformen würden dazu dienen, Zeit zu gewinnen, „möglichst unbeschadet über die Wien-Wahl zu kommen“ und danach die Baubewilligung zu erteilen. Es müsse möglich sein, den Wiener Eislaufverein und das Wiener Konzerthaus zu retten, ohne das InterContinental-Hotel zu vergrößern und dadurch den Verlust des Weltkulturerbe-Status zu riskieren. 

 (Forts.) exm

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