Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 30.01.2020:
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64. Wiener Gemeinderat (3)

GRin Dr.in Jennifer Kickert (Grüne) sprach in ihrer Rede über zwei Themenbereiche: Transparenz und Sport. Erst gestern sei Wien - mit 83 von 100 möglichen Punkten - zweiten Mal von Transparency International zur transparentesten Gemeinde Österreichs gekürt worden. Die rot-grüne Stadtregierung habe als „Dach über der Verwaltung“ die Grundlage für dieses Ergebnis geschaffen. Kickert war sich sicher, dass das Ergebnis mit der Abschaffung des Amtsgeheimnisses noch einmal erhöht werden könne, denn dann könnten auch endlich Studien, Gutachten, Stellungnahem und andere Informationen von allgemeinem Interesse der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Beim Thema Sport wollte Kickert zwei Ebenen hervorheben: Gleichstellung und Integration. Im Regierungsübereinkommen von ÖVP und Grünen werde die Prävention von Machtmissbrauch und sexueller Gewalt ebenso erwähnt wie das integrative Potenzial des Sports für Menschen mit Behinderung und Migrationshintergrund. Außerdem habe man sich die Absicherung und Aufwertung des Ehrenamtes zum Ziel gesetzt.

GR Anton Mahdalik (FPÖ) kritisierte die NEOS dafür, dass „ihnen die Hackler wurscht sind“, dass sie von einer Sicherungshaft für „Gefährder“ nichts hielten und auch dafür, dass sie sich gegen Kreuz in Schulklassen aussprächen. Dass die SPÖ gegen eine Sicherungshaft sei, wundere ihn nicht, so Mahdalik. Erst kürzlich sei bekannt geworden, dass Personen in Räumlichkeiten der Fraktion Sozialistischer Gewerkschafter (FSG) den verbotenen „Wolfsgruß“ türkischer Nationalisten gezeigt hätten. Mahdalik vermisste hier den Aufschrei der SPÖ, des FSG und der Grünen. Aufschreie dieser Art würden dagegen immer dann kommen, wenn etwa „ein unbescholtener Mann aus dem Fenster winkt, oder jemand bei einer Veranstaltung mit dem rechten Arm zur Musik schunkelt“. Da werde mit „zweierlei Maß gemessen“, meinte Mahdalik. Zum Abschluss seiner Rede brachte er  zwei Anträge ein. Einer davon betraf den geplanten Umbau der Praterstraße, den die FPÖ verhindern wolle. Die Freiheitlichen befürchteten „Schikanen für Autofahrer, Geschäftsleute und Anrainer“. Die Praterstraße sei derzeit ideal ausgebaut, da brauche man also „nicht herumdoktern“. Im zweiten Antrag forderte Mahdalik die Realisierung des Lobautunnels.

GRin Marina Hanke, BA (SPÖ) sprach ihrem Vorredner von der FPÖ, Gemeinderat Mahdalik, zwar „durchaus komödiantisches Talent“ zu, hätte sich aber gewünscht, dass er sich dem eigentlichen Thema der Gemeinderatssitzung gewidmet hätte. Immerhin sei es auch seine Partei gewesen, die das Stadtparlament einberufen habe. Hanke sprach über die Gewichtung der Themen Bildung und Jugend im türkis-grünen Regierungsübereinkommen. Für sie erfreulich sei es, dass sich darin Zielsetzungen fänden, die Wien schon lange gefordert habe; sie wies aber auch darauf hin, dass Wien wohl für einige der enthaltenen Passagen offensichtlich „Vorbild“ gewesen sei. Positiv fand Hanke etwa, dass die Bundesregierung eine Ausbildungsoffensive für Elementar-PädagogInnen starten wolle. Die Stadt Wien sei hierbei mit der bafep21 schon „wegweisend“ gewesen. Ebenso hob sie die geplante Aufstockung von finanziellen Mitteln für den Kindergartenbereich hervor sowie die Verankerung des „Chancenindex“ für Schulen mit besonderen Herausforderungen. „Ein großer Schritt nach vorne“ sei zudem der Fokus auf zusätzliches Unterstützungspersonal im Bildungsbereich. Einige Dinge fehlten Hanke im Regierungsprogramm aber. Sie nannte hier etwa den Ausbau von Bundesschulen wie AHS und BHS, der schon seit vielen Jahren stagniere. Außerdem wünschte sie sich wieder mehr Mittel für Sprachförderung und Deutschkurse, weil sie von der vorigen Bundesregierung gekürzt worden seien.

GR Dipl-Ing. Dr. Stefan Gara (NEOS) konzentrierte sich in seiner Rede auf die Bereiche Gesundheit, Digitalisierung und Klimaschutz. Das Thema Gesundheit komme im Regierungsprogramm zu kurz, kritisierte er. Gerade einmal sieben Seiten seien dem Thema gewidmet worden; wesentliche Fragen, wie etwa die Finanzierung, würden überhaupt nicht angesprochen. Dabei sei die Finanzierung aus einer Hand die Grundlage für die Verschränkung des extra- und intramuralen Bereichs. Das Thema „Gendermedizin“ werde im Regierungsprogramm zwar angesprochen, man befasse sich darin aber ausschließlich mit Frauengesundheit und klammere Männer aus. Zum Thema Ausbau der Primärversorgungszentren (PHC) von 17 auf 75 sagte Gara: Geld alleine werde hier nicht helfen. Vielmehr müsse man eine richtige Infrastruktur schaffen, also in der Planung von Stadtentwicklungsgebieten auch den niedergelassenen Bereich und die PHC mitdenken. Positiv hob Gara die Idee der „Community Nurses“ hervor sowie die Erweiterung des Mutter-Kind-Passes. Dann sprach Gara zum Thema Klimaschutz. Er fand es „extrem positiv“, dass Österreich mit Leonore Gewessler eine „kompetente Ministerin bekommt“. Allerdings fand er die, im Regierungsprogramm enthaltene Ansage, dass Österreich bis 2040 klimaneutral werden soll, für „sehr ambitiös“. Konkret meinte Gara etwa den Plan von Türkis-Grün, eine Million Solaranlagen auf Österreichs Dächern zu errichten. Das bedeute „eine neue Anlage alle drei Minuten, und das über die nächsten zehn Jahre“, so Gara. Er sprach sich zudem gegen den Lobautunne aus. Es gebe viele Gutachten, die zeigten, dass der Tunnel keine positiven Auswirkungen auf den Klimaschutz hätte.

GR Mag. Manfred Juraczka (ÖVP) bezeichnete das türkis-grüne Regierungsprogramm als „sinnvoll“ und zitierte anschließend Bundeskanzler Sebastian Kurz, wenn dieser es „das Beste aus zwei Welten“ nenne. Einen Großteil seiner Rede widmete Juraczka der SPÖ, die, wie er sagte, „nicht weiß, wo sie hin will“. Innerhalb der Sozialdemokratie gebe es „zwei Denkmodelle“, was eine Zusammenarbeit mit der SPÖ für die Volkspartei „nicht einfach macht“. Obwohl es ihm eigentlich „gleichgültig sein kann“, forderte Juraczka eine klare Linie der SPÖ, auch weil sie in Wien die Bürgermeisterpartei sei. „Wien hat sich verdient, zu wissen, wohin die Reise geht“, meinte er und fand es „keck, dass man zu Beginn eines Wahljahres inhaltlich und thematisch so schwimmt“. Konkret sprach Juraczka die Haltung der SPÖ zu Themen wie Kopftuchverbot, Sicherungshaft, Kreuz im Klassenzimmer und Wahlrecht für Drittstaatsangehörige an. Da gebe es innerhalb der SPÖ „massive Unterschiede“, wie die jüngsten Entwicklungen im Burgenland zeigten. Diese Themen seien ihm und seiner Partei aber wichtig, weshalb er zu jedem einen Antrag einbrachte.

GR Peter Kraus, BSc (Grüne) sprach über die im Regierungsprogramm enthaltenen Themen Klimaschutz und Wohnen. Wichtig sei ihm etwa eine ökosoziale Steuerreform. Damit werde eine Bepreisung von CO2 möglich, was ein „wichtiger Hebel für das Erreichen der Klimziele“ sei. Auch er fand es „ambitioniert“, Österreich bis zum Jahr 2040 klimaneutral machen zu wollen, hielt das aber für machbar. Derzeit stehe man noch vor großen Herausforderungen, wie der Frage der Beheizung von Gebäuden und Wohnungen. Nach wie vor würden mehr als 600.000 Häuser in Österreich mit Öl geheizt; es sei es notwendig, Öl- und Gasheizungen sukzessive zu reduzieren und Alternativen zur fossilen Energie zu schaffen. Zum Thema Wohnen sagte Kraus: Für ihn sei es essenziell, dass Wohnbauförderungen zweckgewidmet verwendet werden. Was „Airbnb“ und andere Vermietungs-Plattformen angehe, liefere das Regierungsprogramm klare Ansagen, so Kraus. Unter anderem sei darin die Rede von einer Aufzeichnungspflicht für diese Plattformen; einer Registrierungspflicht für AnbieterInnen von Unterkünften sowie ein zeitliche Begrenzung. Indem Zimmervermietungen künftig nur noch 90 Tage im Jahr möglich sein sollen, solle ein „Anlagemodell“ durchbrochen werden. Kraus war sich sicher, dass das Regierungsprogramm für Wien „eine riesige Chance eröffnet“. Man wolle Wien zur Klimahauptstadt machen - das Bundesregierungsprogramm liefere die Voraussetzungen dafür. (Forts.) sep

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