Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 30.01.2020:
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64. Wiener Gemeinderat (6)

StRin Ursula Schweiger-Stenzel (FPÖ) befürchtete, dass der Koalitionspakt der neuen Bundesregierung „negative und belastende“ Auswirkungen auf Wien haben werde: „Es findet momentan ein Paradigmenwechsel von Mitte-Rechts auf Mitte-Links statt.“ Im Regierungsprogramm hätten die Grünen „gewonnen“, weil sich ÖVP-Kanzler Kurz an deren „Ideologien“ gehalten habe. Laut Stenzel hätte das auch soziale Folgen, vor allem in Bezug auf die Haltung der Bundesregierung gegenüber MigrantInnen. Zudem sei nicht alles, was im Klimapakt der Bundesregierung stehe, positiv. Schweiger-Stenzel erinnerte auch an das reformierte Sozialhilfegesetz der ehemaligen türkis-blauen Bundesregierung, das an Leistungserbringung gekoppelt war, aber nun nicht weiter umgesetzt werde. Kurz würde die Wünsche der europäischen Wirtschaft und der Industrie erfüllen „und billige Arbeitskräfte in Österreich“ haben wollen. „Verdrängung am Arbeitsmarkt und Lohn-Dumping kommt damit auf uns zu“, warnte Schweiger-Stenzel. Kurz behaupte zwar, er schreite gegen illegale Migration vor – das sei jedoch ein „Lippenbekenntnis“: „Politischer Islam darf nicht unter dem Deckmantel von Vereinen ausgeübt und gefördert werden“, warnte Stenzel. Es sei seine „nationale Verantwortung“, die Grenzen Österreichs zu schützen und zu kontrollieren, wer und wie viele Menschen diese überqueren. Der ehemalige Innenminister Herbert Kickl habe auf „nationalen Schutz gepocht“ und die Verantwortung übernommen. Als „Störenfried“ habe er stets im Interesse der Österreicherinnen und Österreicher gehandelt, auch gegenüber der Europäischen Union.

GR Nikolaus Kunrath (Grüne) meinte, die neue Bundesregierung würde viele wichtige Maßnahmen ergreifen, welche die türkis-blaue Bundesregierung versäumt habe. Er thematisierte, was nun auf Bundesebene im Bereich der Erinnerungskultur unternommen werde: Ziel sei hier unter anderem die Entwicklung einer neuen Denkstrategie, das Zusammenführen von Museen und Sammlungen, sowie der Ankauf und die Weiterentwicklung der Gedenkstätte des ehemaligen Konzentrationslagers Mauthausen. Auch in Bezug auf Entwicklungszusammenarbeit käme es zu einer Erhöhung des Budgets. Das Thema werde somit aufgewertet. Kunrath lobte einige andere Maßnahmen der Bundesregierung, unter anderem die „konsequente Aufklärung bei Missbrauchsvorwürfen gegenüber Polizistinnen und Polizisten sowie den Kampf gegen Rassismus“. Kunrath meinte, seine grüne Fraktion habe nicht alles aus ihrem Parteiprogramm umsetzen können, „aber vieles konnte geändert werden, vor allem im Vergleich zur vorigen Regierung“.

GR Leo Kohlbauer (FPÖ) entgegnete seinem Vorredner Kunrath von den Grünen: Dieser gehe den Kampf gegen Rassismus und Extremismus „mit einem blinden linken Auge an“: Gegen Rechtsextremismus vorzugehen sei ebenso wichtig, wie gegen politischen Islam und Linksextremismus. „Alles andere wäre heuchlerisch“, sagte Kohlbauer. Er erinnerte an Mitarbeiter der Wiener Linien, die in den Räumlichkeiten ihres Arbeitgebers eine „Feier“ veranstaltet
hätten und aus dieser Feier per Live-Video Symbole, etwa den „Wolfsgruß“, öffentlich zur Schau gestellt hätten. Der „Wolfsgruß“ ist ein Zeichen der „Grauen Wölfe“, eine nationalistisch gesinnte türkische Bewegung. „Ich bin gegen jede Form von Extremismus“, meinte Kohlbauer und brachte einen Antrag ein: Der Wiener Gemeinderat müsse sich von der AKP, den Grauen Wölfen, Atib, der Islamischen Föderation (Milli Görüs), der PKK sowie der Muslimbruderschaft distanzieren und sich gegen die Geisteshaltung des politischen Islams aussprechen.

GR Hans Arsenovic (Grüne) meinte, ein verlässliches und funktionierendes Wirtschafts- und Finanzsystem bilde die Grundlage für den Erhalt des Wohlstands Österreichs, sichere die nachhaltige Finanzierung des Sozialstaates und spiele eine wichtige Rolle beim Bewältigen von Herausforderungen wie Globalisierung, Digitalisierung und dem Klimawandel. Mit dem aktuellen Bundesregierungsprogramm werde versucht, die tägliche Lebenssituation der Österreicherinnen und Österreicher zu verbessern, argumentierte Arsenovic. Wie auch sein Vorredner Manfred Juraczka von der ÖVP sei auch er „eher skeptisch“ gewesen, bevor es in konkrete Verhandlungen ging. „Aber es war schön zu sehen, wie politisch Andersdenkende wertschätzend für eine gute Sache Kompromisse finden können und gemeinsam zielorientiert verhandeln“, erzählte Arsenovic. Auch er hob Punkte des Regierungsprogrammes hervor, unter anderem würden Ein-Personen-Unternehmen künftig mehr unterstützt, und illegales Glücksspiel bekämpft. Zudem werde die öffentliche Hand mit der Einführung von „Öko-Vergabekriterien eine nachhaltige Beschaffung fördern“, betonte Arsenovic.

GR Mag. (FH) Alexander Pawkowicz (FPÖ) thematisierte die Themen Bauen und Wohnen. Generell sei dieser Bereich im neuen Bundesregierungsprogramm kürzer ausgefallen als im alten, nämlich jenem der türkis-blauen Regierung. Unter anderem sei das Thema Mietrecht „sehr allgemein“ gehalten; viele Vorteile für Mieterinnen und Mieter seien weggefallen. Pawkowicz vermisste auch „Compliance-Regeln“: „Das ist ein bemerkenswertes Signal, vor allem von der grünen Aufdeckerpartei“, sagte Pawokiwcz. Pro Tag würde Österreich „ein Fußballfeld an Grünfläche oder Wald betonieren“, meinte Pawkowicz. Schon unter der ehemaligen Bundesregierung habe sich Pawkowicz dafür eingesetzt, dass Nachverdichtung Vorrang gegenüber Versiegelung haben müsse. Diesen Punkt habe die jetzige Regierung aus dem alten Programm übernommen, „was mich sehr freut“, meinte Pawkowicz. Entsprechend dem im Regierungsprogramm festgeschriebenen Grundsatz „Verdichtung vor Neuversiegelung grüner Wiesen“, müsse ein Anreiz durch eine bereits früher eingeführte steuerliche Maßnahme geschaffen werden: Nach der bis 2015 geltenden Rechtslage seien Instandsetzungsaufwendungen für Wohngebäude steuerlich auf zehn Jahre verteilt worden. Durch die Steuerreform 2016 sei diese Begünstigung teils verlängert, teils abgeschafft worden. Mittels Antrag forderte Pawkowicz: die Bundesregierung müsse die steuerliche Abschreibung von Instandsetzungsarbeiten im Wohnbau, verteilt auf zehn Jahre, wieder einführen.

GR Mag. Marcus Schober (SPÖ) legte den Fokus seiner Rede auf die Landesverteidigung. Er kritisierte, dass sowohl das Innen- als auch das Verteidigungsministerium von der ÖVP besetzt sind. Seinem Vorredner Amhof von der FPÖ widersprach er in der Aussage, die FPÖ sei die einzige Partei, die sich um Landesverteidigung bemühe. „Bereits Bruno Kreisky hat eine umfassende Landesverteidigung eingeführt“, sagte Schober. Des Weiteren lobte er die Arbeit der „Helfer Wiens“ – „sie sind auf alle Situationen vorbereitet“. Schober meinte, auch der öffentliche Rundfunk müsse sich auf diverse Szenarien, etwa Blackouts, vorbereiten und die richtigen Vorgehensweisen den Bürgerinnen und Bürgern kommunizieren. Schober brachte einen Antrag ein betreffend Umsetzung der umfassenden Landesverteidigung. Darin forderte er gemeinsam mit den Grünen, die geistige, zivile und wirtschaftliche Landesverteidigung auf allen Ebenen der Stadt umzusetzen. Zudem müsse die Bundesregierung die nötigen Mittel für eine militärische Landesverteidigung und somit für den umfassenden Schutz Wiens sicherstellen.

Abstimmungen: Der Antrag von SPÖ und Grüne betreffend Umsetzung der umfassenden Landesverteidigung wurde mehrheitlich, ohne die Stimmen der ÖVP, angenommen. Keiner der anderen Anträge, die im Zuge der Sitzung eingebracht wurden, fand die notwendige Mehrheit.

Der 64. Wiener Gemeinderat endete um 15:02 Uhr. (Schluss) exm

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