Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 24.09.2020:
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74. Wiener Gemeinderat (3)

Hauptdebatte: Sonderdotationen für die Joboffensive 50plus sowie für die Sicherung von Lehrausbildungs-Plätzen angesichts von Corona

GR Karl Baron (HC) sah „die Arbeitslosenzahlen explodieren“ durch Corona; deswegen müsse „jede Unterstützung“ für die gesamte Wirtschaft - vorrangig die Bauwirtschaft - genehmigt werden. Deswegen kündigte Baron die Zustimmung seiner Fraktion für das Aufstocken der „Joboffensive 50plus“ an. Genauso werde das „Team HC“ für Maßnahmen stimmen, die junge Menschen in Lehre und Job unterstützten. Aber, so Baron: „Wir meinen nur österreichische Arbeitslose, nicht illegale Zuwanderer und Nutznießer der Willkommenskultur.“

GR Markus Ornig, MBA (NEOS) begrüßte die Joboffensive 50plus. Bei der Lehrlingsförderung gab er zu bedenken, dass Arbeitsmarkt-Zahlen zeigten, dass nur jeder zweite Lehrling aus der überbetrieblichen Lehre nach der Ausbildung auch einen fixen Job finden würde. Um die Erfolgschancen der überbetrieblich ausgebildeten Lehrlinge zu steigern, müsste die überbetriebliche Lehre vor allem in Mangelberufen angeboten werden, also „dort wo es wirklich große Nachfrage gibt, um den Nachteil gegenüber in Betrieben ausgebildeten Lehrlingen wettzumachen“. Genauso wie bei der Lehre „bestehende Systeme“ und Lehrpläne überarbeitet werden müssten, forderte Ornig auch mehr Innovation und Mut bei der Förderung von Betrieben, um den Arbeitsmarkt wieder anzukurbeln. Statt Anstoßfinanzierungen, die für viele Betriebe in der Krise zu spät kämen, müssten „bisherige No-Gos“ wie die Abschaffung von Gebühren („Luftsteuer, Schanigartengebühr oder U-Bahn-Steuer“) angefasst werden, sagte Ornig. Er brachte einen Antrag ein, wonach der Bund die Hälfte des Einnahmen-Ausfalls der Stadt übernehmen solle. Entlastungen bei Gebühren würden rascher als Hilfe für Unternehmen ankommen als „alle von Stadt und Bund vorgeschlagenen Förderungen und Anschubfinanzierungen“. Kritik äußerte Ornig auch an den Wiener Gastro-Gutscheinen: Davon seien laut Ornig nur 50 Prozent eingelöst worden, und diese vor allem bei Fine-Dining-Lokalen und Abendgastronomie; die Mittagsgastronomie oder Street-Food-Lokale hätten von der Gutschein-Aktion „gar nix gehabt“.

GR Mag. Manfred Juraczka (ÖVP) nannte die Gastro-Gutscheine eine „gut gemeinte, nette Aktion“, die allerdings durch „ganzseitige Schnitzelpanier-Inserate in ein sonderbares Licht gerückt“ worden sei; das Geld für die Werbung hätte besser in die Hilfe für Gastronomen fließen sollen. Viele GastronomInnen und ArbeitnehmerInnen fühlten sich von der Stadt im Stich gelassen, meinte Juraczka. Er verwies auf die Finanzspritzen und Angebote des Bundes, die nach Wien geflossen seien: 1,1 Millionen Wienerinnen und Wiener hätten unmittelbar und direkt von der Steuerreform profitiert, über 400.000 Personen hätten vom Kinderbonus profitieret, weitere 140.000 hätten die 450 Euro Sonderzahlung zum Arbeitslosengeld erhalten. Bei Hilfen und Förderungen „immer davon zu reden, der Bund ist säumig, ist keck“, meinte Juraczka Richtung Regierungsparteien und NEOS. Er zitierte aus einer Studie des wirtschaftsliberalen Think-Tanks „Agenda Austria“, wonach Wien im Vergleich zu anderen europäischen Metropolen „nicht die große Wirtschaftslokomotive“ als Hauptstadt des jeweiligen Landes sei. Juraczka brachte mehrere Anträge zur Entlastung von Unternehmen und bessere Nutzung von Hilfspaketen des Bundes ein. So forderte die ÖVP die Einbindung der Bezirke beim Abrufen der Gelder aus dem „Gemeindepaket“ des Bundes; die pauschale Refundierung oder Aussetzung der Gebrauchsabgabe für Schanigärten für das Jahr 2020; die Reform oder Aussetzung der Ortstaxe für Hotels und Tourismusbetriebe; die Abschaffung der Dienstgeberabgabe für den U-Bahn-Bau; die Aufhebung des Wiener Valorisierungsgesetzes. Außerdem brachte Juraczka einen Antrag zur langjährigen Forderung der ÖVP für eine Sonntagsöffnung in Tourismuszonen ein.

GRin Mag. Barbara Huemer (Grüne) betonte den Mehrwert der debattierten Aktionen, also die Joboffensive 50plus oder das Angebot an Jugendliche, ihre Lehre in den von Covid stark betroffenen Branchen Handel oder Tourismus als überbetriebliche Lehre abschließen zu können. Besonders Ältere und Junge seien von der Krise am stärksten betroffen und hätten derzeit die schlechtesten Chancen am Arbeitsmarkt. Huemer verwies auf die strukturellen Probleme am Arbeitsmarkt, auf die Bewertung und Aufteilung von Arbeit zwischen Männern und Frauen. Schon vor der Corona-Krise hätte es hier Probleme gegeben: „Wir dürfen die Zeit vor Corona nicht idealisieren“, sagte Huemer. In der Zeit vor der Pandemie hätte es eine Diskussion über „Overtourism“ und die Auswirkungen der großen Zahl an TouristInnen auf Grätzl in der Stadt und auf das Klima gegeben; sowie Diskussionen darüber, wer in erfolgreichen Zeiten das Geld aus der brummenden Wirtschaft einstecke und wer die Verluste zahle; ebenso Diskussionen über die Problematik, dass sich Arbeitslosigkeit und Armut zusehends verfestigten. Mit dem waff oder der Wirtschaftsagentur hätte die Stadt dafür gute Instrumente, diesen Fragen und Problemen zu begegnen, nun gelte es einen weiteren Schritt zu gehen, zum Beispiel durch die Arbeitszeitverkürzung – die schaffe mehr Arbeitsplätze und böte Menschen die Möglichkeit, sich in ihrer gewonnen Freizeit sozial zu engagieren, so Huemer. Auch Investitionen in die Öffis oder in den Ausbau von Bildungsangeboten würden Arbeitsplätze schaffen.

GR Anton Mahdalik (FPÖ) kritisierte die rot-grüne Stadtregierung. Insbesondere die Grünen würden ins Feld führen, dass Verkehrsreduktion notwendig sei, da durch den Klimawandel eine Erhöhung der Durchschnittstemperatur um 8 Grad bis 2050 drohte. Die Verkehrsreduktion sei allerdings nicht mit „Pop-Up-Radwegen, einer Verkehrsberuhigung der Gumpendorferstraße oder Deppen-Pools am Gürtel“ zu erreichen, sagte Mahdalik. Diese Maßnahmen würden ausschließlich Stau produzieren, die Wienerinnen und Wiener aber nicht von der Nutzung des Auto abbringen. Stattdessen müssten Autofahrerinnen und Autofahrer Umwege in Kauf nehmen und so noch mehr CO2 produzieren. Stau und Umwege fahren sei „weder umweltfreundlich noch wirtschaftsfreundlich“, meinte Mahdalik. Die Wirtschaft der Inneren Stadt würde unter „Dauer-Demos am Samstag über den Ring, die Mariahilfer Straße oder den Schwarzenbergplatz“ leiden. Das Demonstrationsrecht in Wien müsse in geordnete Bahnen gelenkt werden, meine Mahdalik, jedenfalls weg von den Hauptverkehrsadern. Vorbild dafür könnten die Biker-Demos oder der jüngste E-Mobilitäts-Korso sein, die am Sonntag stattgefunden hätten „und trotzdem Aufmerksamkeit generiert, aber nicht Wien lahmgelegt“ hätten. In einem Antrag forderte Mahdalik Demozonen am Rathausplatz oder Ballhausplatz und Demo-Verbote für den Ring und Hauptverkehrsadern. Dann kritisierte Mahdalik die Bautätigkeit in der Donaustadt. Im 22. Bezirk würde vor allem in guten Lagen an der Alten Donau oder nahe der Lobau keine leistbaren Wohnungen mehr gebaut werden, sondern ausschließlich Luxus-Domizile für „Reich und Schön oder reiche Russen, die da nie wohnen“. Am Angoraweg solle „ein Monsterbau im Siedlungsgebiet, direkt am Wasser“ errichtet werden. Mahdalik nannte die Pläne „die Fortsetzung des System Chorherr“, bei dem die Stadt es Bauträgern ermögliche, durch Widmungen hohe Gewinne zu erzielen. Er brachte einen Antrag ein, in dem er die zuständige Planungsstadträtin Hebein aufforderte, bei Flächenwidmungen das gewachsene Ortsbild zu berücksichtigen und das Projekt am Angoraweg zu stoppen. Gestoppt hätte der Gemeinderat dafür die Pläne für eine „Kiss and Ride“-Zone bei einem Kindergarten in Kagran, obwohl sich der Bezirk für die Errichtung ausgesprochen hätte. Für die Zone hätte ein Grünstreifen weichen müssen, jetzt seien Kinder und Eltern gefährlichen Situationen ausgesetzt, die mit dem Auto in den Kindergarten fahren. Mahdalik verwies darauf, dass „anders als in den Bobo-Bezirken Menschen in der Donaustadt auf das Auto angewiesen sind“ – ein Umsteigen auf andere Verkehrsmittel sei nicht möglich und „mit dem Grünstreifen der jetzt erhalten bleibt, werden wir das Klima nicht retten“, so Mahdalik. Abschließend brachte Mahdalik einen Antrag für die sofortige Wiedereröffnung des Mistplatzes Dresdnerstraße ein. Nach der Absiedelung des Misplatzles in Eßling müssten sich die 200.000 Donaustädterinnen und Donaustädter zwei Mistplätze teilen. Abschließend kritisierte Mahdalik die rot-grüne Stadtregierung für die Empörung über die Zustände im Lager Moria. Auch in Wien würden Kinder „im Dreck leben“, konkret „Rumänen oder Bulgaren, die Opfer der Bettelmafia sind“, die unter der Brücke an der Weißgerber Lände hausten. Er würde dort am Weg ins Rathaus – auf seinem Fahrrad – junge Mädchen und Burschen sehen, die dort „im Dreck in Schlafsäcken“ schliefen, während die Stadt wegschaue.

GR Christian Oxonitsch (SPÖ) zeigte sich verwundert über die Rede seines Vorredners Mahdalik von der FPÖ. Die Antwort Mahdaliks auf die größte Gesundheitskrise seit 100 Jahren sei die Auseinandersetzung mit einem Bauprojekt an der Alten Donau, die Reaktion auf die größte Wirtschaftskrise der jüngeren Zeit die Kritik an einer Kiss-and-Ride-Zone für einen Kindergarten in der Donaustadt und beim Thema Arbeitsmarkt spreche Mahdalik über die Bettelmafia „Wirtschaftskompetenz ist in der FPÖ offenbar nicht vorhanden oder sonderbar definiert“, sagte Oxonitsch. Auf Bund und Länder warteten große Herausforderungen, die beide Ebenen mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln bewältigen müssten, sagte Oxonisch. Wien sei bisher bei der Bewältigung der durch Corona ausgelösten Krise gut unterwegs, die Maßnahmenpakete der Stadt würden „punktgenau ankommen“ und rasch abgewickelt werden. Die NEOS-Kritik am Gastro-Gutschein wollte Oxonitsch nicht gelten lassen. Gutscheine im Gegenwert von 23 Millionen Euro seien bereits eingelöst worden. Er sei in seinem Heimatbezirk Ottakring viel mit WirtInnen in Gespräch – genau jenen Lokalen, die Mittagsmenüs anbieten würden oder Street-Food. Hier sei der Gutschein gut angenommen worden, nicht nur in Fine-Dining-Lokalen: „Im Fabios sind meines Wissens nicht viele Gutscheine eingelöst worden.“ Bei den Förderungen sei es wichtig, an die Zeit des Neustarts zu denken, nicht nur kurzfristig. Ebenso sei es wichtig, die Ausbildung der Jungen zu unterstützen – eben durch innovative Angebote an Betriebe zur Übernahme der Ausbildungskosten, indem Lehrlinge für vier Monate in die überbetriebliche Lehrlingsausbildung wechseln können. Auch die Unterstützung für die Clubszene sei der richtige Ansatz; ebenso das Ansinnen von Kulturstadträtin Kaup-Hasler, so viele Veranstaltungen wie möglich unter sicheren Rahmenbedingungen abzuhalten. Auch die Verlängerung der Winter-Schanigärten sei ein wichtiger Impuls für die Gastronomie; so wie es die J“oboffensive 50plus“ und die Lehrlingsförderung für den Arbeitsmarkt sei, schloss Oxonitsch. (Forts.) esl/ato

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