Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 10.12.2020:
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2. Wiener Gemeinderat (5)

Spezialdebatte Geschäftsgruppe für Finanzen, Wirtschaft, Arbeit, Internationales und Wiener Stadtwerke

GR Ing. Udo Guggenbichler, MSc (FPÖ) zeigte sich "neugierig" darüber, wie sich die Fraktion der NEOS bei den kommenden Abstimmungen zur Höhe der Wiener Parteienförderung und den Erhöhungen der städtischen Gebühren nach deren Eintritt in die Regierungskoalition künftig verhalten würden. „Die Schulden, die jetzt gemacht werden, sind darum teuer, weil es in Wien ein strukturelles Defizit gibt und dadurch höhere Zinsen bezahlt werden müssen“, kritisierte Guggenbichler den Voranschlag. Verschiedene kommunale Gebühren- und auch Mietzinserhöhungen in Gemeindebauten hätten „zur Armut in dieser Stadt“ wesentlich beigetragen. Guggenbichler vermutete, dass die geplanten 1,9 Milliarden Netto-Verschuldung zu gering angesetzt seien: „Diese Prognose ist falsch.“ „Falsch“ sei es in den vergangenen Jahren auch gewesen, dass die Regierung in "Zeiten der Hochkonjunktur" neues Geld aufgenommen und Schulden gemacht habe. „Die neuen Schulden müssen jetzt mit drei Prozent Zinsen teuer bezahlt werden“, schloss Guggenbichler.

GR Markus Ornig, MBA (NEOS) erklärte, dass sich die rot-pinke Koalition zum Ziel gesetzt habe, „mit Maß und Ziel zu fördern, vor allem dort, wo der Bund mit seinen Förderungen nicht treffsicher ist“. Ziel der Maßnahmen seien vor allem die Kleinst-Unternehmer, welche die Säule der Wiener Wirtschaft bildeten. Entlastung der Wirtschaft und Entbürokratisierung würden in einer Arbeitsgruppe „noch einmal angegangen. Darauf bin ich stolz“, sagte Ornig. Mit dem Konjunkturprojekt würden mehr als 300 Projekte finanziert, um die Wiener Wirtschaft „anzukurbeln“. Eine "riesige Baustelle" sei der Bereich Arbeit, dieser werde eine „extreme Herausforderung“ sein. Hier müsse vor allem im Bereich der Berufsausbildung angesetzt werden. „Dazu haben wir ein großartiges Paket geschnürt, das Erfolg haben wird. Die Älteren unterstützen wir mit der Joboffensive 50plus - wir haben also einen Plan für Alt und Jung“, so Ornig.

GR Johann Arsenovic (Grüne) blickte anfangs auf einige Errungenschaften der letzten zehn Jahre rot-grüner Stadtpolitik zurück. „Wien ist die lebenswerteste Stadt der Welt. Vieles haben wir schon sehr richtig gemacht in dieser Stadt, dies zeigt sich vor allem heuer in diesem schwierigen Jahr“, begann Arsenovic. Der Umsatz-Ersatz der Bundesregierung sei in den letzten Wochen „zielsicherer“ geworden, Wien habe aber die Aufgabe, mit speziellen Förderungen weiter bestimmte Branchen zu unterstützen. „Eine Erfolgsgeschichte ist auch der Gastro-Gutschein gewesen, der zu Recht weit über die Grenzen der Stadt hinaus Applaus erhalten hat.“ Langfristig sei die Klimakrise die größte Herausforderung, doch Stadt und Wirtschaft müssten „die Krise als Chance zur Änderung“ betrachten. Angst vor Corona habe er nur, „wenn wir aus der Krise nichts lernen und nichts verändern würden“. „Es muss uns gelingen die Wirtschaft langfristig zu einer ,Post-Virus-Wirtschaft’ zu transformieren", so Arsenovic - nicht "mehr Tonnen von Erdäpfeln zum Waschen quer durch Europa" zu schicken, sondern regionale Produktion zu fördern oder mehr Geräte und Gegenstände zu reparieren, statt sie wegzuwerfen. Dies seien taugliche Rezepte dafür, dass die Stadt Wien auch in Zukunft das bleibe, was sie bereits sei: „Die lebenswerteste Stadt der Welt.“

GR Markus Gstöttner, MSc (ÖVP) stellte in seiner Erstrede im Gemeinderat fest, dass „Budgets Ausdruck der politischen Prioritäten“ seien. Ihm fehle im Budgetvoranschlag die Deregulierung: „Das wird unserer Zeit nicht gerecht und ist in der Krise unzureichend.“ Die „Not der Stunde“ habe es notwendig gemacht, dass die Bundesregierung über ihren Schatten gesprungen sei: Statt Nulldefizit habe es Milliarden an Neuverschuldung gegeben. An Wirtschaftshilfen im Kampf gegen die Auswirkungen der Pandemie seien bereits „27 Milliarden Euro ausbezahlt oder zugesagt“ worden. Der größte Teil davon sei in die Bereiche Kurzarbeit und Härtefall-Fonds geflossen. Auch seien zehn Milliarden Euro für Investitionen und zur Rettung von Unternehmen geflossen, „fünf davon nach Wien“. „Es findet sich wenig Neues im vorliegenden Wiener Voranschlag, weitgehend sind es Fortführungen bestehender Maßnahmen.“ Völlig fehlen würden Entlastungen; Ankündigungen dazu würden in Arbeitsgruppen „verräumt“. Überraschend sei für Gstöttner, dass die NEOS ihre liberalen Überzeugungen „aufgegeben“ hätten - „das ist nicht nur ein Kompromiss, sondern eine Kehrtwende“, vermutete Gstöttner. Ein "liberaler Geist" finde sich nicht im Voranschlag, was ihn zu dem Schluss führe, dass die ÖVP „die einzigen Liberalen“ seien. „Soziale Mobilität ist mir wichtig und bedeutet, dass die Stadt für alle Menschen gleiche Grundlagen schaffen muss“, endete Gstöttner, der sieben Anträge seiner Fraktion einbrachte: Abschaffung der U-Bahn-Steuer, Aufhebung des Valorisierungsgesetzes, Schaffung von Tourismuszonen, Abschaffung der Ortstaxe, Kostentransparenz beim U2-U5-Bau, Vorlage abgelehnter Subventionen und Beseitigung des „systemischen Webfehlers“ in der Stadtverfassung.

GR Prof. Rudolf Kaske (SPÖ) eröffnete seine Erstrede vor dem Gemeinderat mit: „Wer heute nicht investiert, verliert die Zukunft.“ Durch die Pandemie sei der Wirtschaftsstandort Wien seit bereits neun Monaten bedroht. Wien habe dagegen investiert, etwa mit dem Gastrogutschein, „der eine Win-win-Situation für die Betriebe und die Wienerinnen und Wiener war“. Die Regierung packe die wesentlichen Themen der Zeit an, zum Beispiel antizyklische Investitionen, um damit Unternehmungen und Beschäftigung zu sichern. Für Kaske sei der Unterschied zwischen Wien und Bund, dass Aufwendungen im Sozialbereich, in der Kinderbetreuung oder auch der Digitalisierung „Wien zur Fortschrittsstadt Österreichs“ machen würden. Hier solle der Bund „nicht bremsen“. In Richtung ÖVP schloss Kaske: „Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit.“

GR Wolfgang Seidl (FPÖ) kritisierte, dass die neue Wiener Regierung, wie bereits die Bundesregierung zuvor, sich beim Voranschlag „verblümelt“ habe. „Vielleicht kann ja der neue Bildungsstadtrat Christoph Wiederkehr seine Kollegen in Mathematik schulen, um das in Zukunft zu verhindern“, schlug Seidl ironisch vor. Aus diesem und anderen Gründen werde seine Fraktion den vorliegenden Voranschlag ablehnen. Seidl brachte fünf Anträge ein, die sich mit der Frage von Aufsichtsräten, der Sonntagsöffnung, dem Valorisierungsgesetz, der Unterstützung für das Haus des Meeres und mit Pensionsauszahlung beschäftigen.

GR Dipl.-Ing. Dr. Stefan Gara (NEOS) hob hervor, dass die Budgetdebatte eine „klare Perspektive“ im Wirtschaftsbereich gebe. „Im vorliegenden Voranschlag wurde ein gutes und modernes Bild unseres geplanten Weges gezeichnet. Wien ist als Gesundheitsmetropole mit rund 24 Milliarden Brutto-Wertschöpfung ein unglaublich starker Wirtschaftsmotor. Die Unterstützung für Forschung und Entwicklung im medizinischen Bereich bieten mehr Chancen für Ansiedlungen internationaler Unternehmen“, sagte Gara. Auch die Schaffung einer „medizinischen Datenplattform“ sei wichtig, weil Wien einer der größten Gesundheitsstandorte in Europa sei. „Jeder Euro, der in diesem Sektor investiert wird, fließt mit einer Verzinsung von 20 Prozent pro Jahr zurück“, so Gara. Die Krise müsse genutzt werden, um einen Strukturwandel in Richtung klimafreundlicher und digitaler Wirtschaft voranzutreiben, verlangte Gara. So würden über den Ausbau von Photovoltaik-Anlagen bis ins Jahr 2030 „rund 1,6 Milliarden Euro direkt in Wirtschaft und Klima fließen“. Aber die Stadt solle nicht als alleiniger Investor antreten, mit den Maßnahmen solle die Errichtung von Energiegemeinschaften ermöglicht werden. „Das ist eine sehr klare liberale Handschrift“. Gara äußerte den Wunsch, „dass die Welt bei Innovationen auf Wien schaut, denn hier passiert die Zukunft“. Mit den Veränderungen solle auch die Digitalisierung der Wirtschaft einhergehen, Wien gebe jungen Unternehmen dafür Raum. „Wien ist eine hervorragende Stadt, ein wunderbarer Wirtschaftsstandort.“ (Forts.) nic

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