Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 29.01.2021:
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3. Wiener Landtag (4)

Hauptdebatte: Jahresbericht der Volksanwaltschaft

LAbg. Sabine Schwarz (ÖVP) bedankte sich für die Arbeit der Volksanwaltschaft. Sie habe die Berichte mit großer Aufmerksamkeit gelesen und durchgearbeitet. „Wenn die Stadt all Ihre Ratschläge annimmt, wird Wien noch besser als zuvor“, sagte sie in Richtung der im Saal anwesenden Volksanwälte. Schwarz sprach in ihrer Rede ein „Tabu-Thema“ an: Die Fremdunterbringung von Kindern. In Wien gebe es – im Vergleich zu anderen Bundesländern - eine hohe Anzahl an Abnahmen von Kindern. Die Volksanwaltschaft poche bei diesem Thema auf ein Mehr an ambulanten Maßnahmen; Schwarz forderte analog ein „Bekenntnis zur Elternarbeit“. Sie sprach außerdem die schlechte Personalsituation in den Wohngemeinschaften für Kinder an („Die sind zu voll, deshalb funktioniert auch intensive Elternarbeit nicht mehr“) und die Vertragssituation von Krisenpflegeeltern. Die Situation in den WGs werde von der Volksanwaltschaft zu recht kritisiert, ebenso sei ein Augenmerk bei Familien-Rückführungen von Kindern notwendig: „Wenn ein Kind wieder in die Familie darf, dann muss das sicher und behutsam passieren“, sagte Schwarz. Wien antworte auf die anhaltende Kritik der Volksanwaltschaft „drei Mal in Folge“ mit denselben Textbausteinen und Rechtfertigungen, so Schwarz. „Das ist irrsinnig peinlich“, meinte Schwarz, und das zeige, dass "sich systematisch oder inhaltlich in der Materie nichts getan hat“. Außerdem forderte Schwarz mehr Unterstützung für Krisenpflegemütter. Krisenpflegemütter und –Eltern seien in Wien zwar angestellt und versichert, müssten aber im Zuge des Arbeitsverhänisses mit der Stadt bereit sein, bis zu 5 Kinder aufzunehmen, hätten aber keine Mitsprache beim Alter der Kinder. Oft handle es sich um Mütter, die auch eigene Kinder hätten – „da kann man nicht vorschreiben, sondern vertrauen, dass sie schaffen was sie sich vornehmen“. Sie brachte einen Antrag ein, in dem sie forderte, dass das Anstellungs-Modell evaluiert und die Bedingungen verbessert werden. 

LAbg. Mag. Marcus Gremel (SPÖ) bedankte sich bei der Volksanwaltschaft: „Sie sorgen mit Ihrer Arbeit dafür, dass Verwaltung einen kritischen Blick über ihr Tun wirft, und es gibt auch der Politik die Möglichkeit für Verbesserungen“. Er ging auf einige Kritikpunkte in den Berichten ein. So sei die Stadt Wien bei Heim-Opfern im Zuge der Entschädigung und Hilfe zur Bewältigung des erlittenen Leids bemüht, auch über das Jahr 2019 und 2020 Kosten für Psychotherapie von Betroffenen zu übernehmen. Entsprechende Fristen seien von der Stadt Wien im Unterschied zum Beispiel von der Kirche für Betroffene aus städtischen Heimen verlängert worden. Bei der Kritik der Volksanwaltschaft im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe würden die Volksanwälte die Sonderstellung Wiens als Großstadt und Ballungsraum anerkennen. Diese differenzierte Betrachtung sei notwendig, um gute Lösungen zu finden. Der Anteil der Fremdunterbringung von Kindern sei in Wien vergleichsweise hoch, „aber Kinder werden niemals aus Jux und Tollerei aus Familien genommen“, betonte Gremel: „Stellen Sie sich vor, es passiert etwas, und die Kinder- und Jugendhilfe hat ein Kind nicht aus der Familie genommen.“ Gremel erinnerte daran, dass im Regierungsprogramm die Absicht festgeschrieben sei, die Kinder- und Jugendhilfe weiter auszubauen, sowohl ambulant als auch stationär. Auch seien mehr Plätze in den WGs und Krisenzentren vorgesehen; ebenso mehr Mittel für die Familienarbeit. Diese Maßnahmen zielten darauf ab, „dass jedes Kind in Wien in Schutz und Geborgenheit aufwachsen kann". Junge Erwachsene, die in Kinder- und Jugendeinrichtungen aufgewachsen sind, bräuchten aufgrund von erlebten Traumata eine "Starthilfe" für den Schritt in die Selbständigkeit nach der Vollendung des 18. Lebensjahrs. Die Volksanwaltschaft fordere zurecht bessere Unterstützung und Angebote. Die gebe es in Wien bereits, zum Beispiel durch den einfachen Zugang zu einer Gemeindewohnung oder das Angebot weiterer Betreuung. „Wir haben diese Gruppe im Blick“, versicherte Gremel, auch hier sei eine Ausweitung der Leistungen im Regierungsprogramm vorgesehen.

LAbg. Stefan Berger (FPÖ) ging ebenso auf das Thema der Heimopfer-Entschädigungen ein. Wien sollte den konkreten Vorschlägen der Volksanwaltschaft folgen, zum Beispiel betreffend die kostenlose Inanspruchnahme von Psychotherapie, die laut Berger aber nur bis 2016 bestanden habe. Die Stadt Wien ziehe sich darauf zurück, dass Opfer sich an andere Stellen der Stadt Wien wenden könnten, so Berger. Nach wie vor seien 500 Anträge von Heim-Opfern auf Bewilligung einer Zusatzrente im Jahr 2020 offen. Er zog einen Vergleich zur Restitutions-Kommission zu NS-Beutekunst: „die gibt es seit 1999. Opfer oder inzwischen häufiger Erbinnen und Erben können sich noch immer noch an die Kommission wenden, die berichtet auch an den Gemeinderat“, sagte Berger. Die selbe Möglichkeit einer unbefristeten Unterstützung sollten auch Heim-Opfer haben. Er brachte dazu einen Antrag ein. Außerdem ging Berger auf das Thema Musikschulwesen in Wien ein. Wien sei „sehr, sehr schlecht aufgestellt, vor allem im Vergleich zu anderen Bundesländern“. In der Stadt gebe es mehr Interessenten an einem Musikschulunterricht, als die Kommune mit ihren Musikschulen oder private Betreiber abdecken könnten. Eine Mutter hätte sich außerdem an die Volksanwaltschaft gewandt, weil die Semesterbeiträge für die Musikschule um bis zu 113 Prozent von einem Semester auf das nächste angestiegen seien. Er kritisierte auch die niedrige Jahresförderung für private Musikschul-Anbieter; es sei „unverständlich“, wie die Stadt Wien ihre Prioritäten setze – bei Integration, Bildung oder Kultur gebe es Dreijahres-Förderverträge mit Vereinen, jedoch keine längerfristigen Verträge mit privaten Musikschulen. Er brachte einen Antrag ein, in welchem er ein Musikschulfördergesetz für Wien verlangte.

LAbg. Ing. Erol Holawatsch, MSc (ÖVP) sagte, „Transparenz ist ein beliebtes Wort in Politik – oft gefordert, versprochen und oft verhindert.“ Transparenz werde zum Beispiel durch die eingeschränkte Prüfkompetenz der Volksanwaltschaft bei ausgelagerten Unternehmungen der Stadt verhindert, so Holawatsch. Stadtwerke, Friedhöfe oder die Wiener Linien dürften von der Volksanwaltschaft nicht geprüft werden; folglich gebe es auch keinen Rechtsschutz für Bürgerinnen und Bürger, sagte Holawatsch. Er forderte die Ausweitung der Prüfkompetenzen der Volksanwaltschaft und des Stadtrechnungshofs: Diese sollten Unternehmungen prüfen dürfen, an denen die Stadt mit mehr als 50 Prozent beteiligt ist. Die Prüfkompetenzen von Volksanwaltschaft und Stadtrechnungshof müssten evaluiert und erweitert werden. Er brachte dazu einen Antrag ein.

LAbg. Erich Valentin (SPÖ) stellte fest, dass die Diskussionen rund um den Bericht der Volksanwaltschaft im Vergleich zu vergangenen Jahren unaufgeregter geworden seien. Er sei dankbar für das „Controlling“ der Volksanwaltschaft, das analog zum Controlling in einer Gesellschaft passiere. Die Aufmerksamkeit und Kritik der Volksanwaltschaft könne für Politik und Verwaltung noch hilfreicher werden, „wenn zum Beispiel ersichtlich ist, ob es ein Einzelfall ist oder ein strukturelles Problem vorliegt“, so Valentin. Er hätte sich mehrere Fälle aus den Berichten genauer angesehen, zum Beispiel zur Bestellung und Gültigkeit des Parkpickerls oder Beschwerden über Läuferinnen und Läufer und Sporttreibende am Zentralfriedhof. Wien suche bei Problemen "pragmatische Lösungen" und entscheide sich auch manchmal nicht den Empfehlungen der Volksanwaltschaft zu folgen. Manchmal sei ein „Diskurs zwischen Prüfenden und Geprüften“ sinnvoll, wenn dieser das Ziel verfolge, zufriedenere Bürgerinnen und Bürger zu haben, so Valentin. Insgesamt sei laut Valentin zu beobachten, dass in den Berichten der Volksanwaltschaft die Anzahl der „tatsächlichen Missstände, also wo sich viele Leute ärgern“, zurückgegangen sei. Das sei ein Zeichen, dass ihre Arbeit gut ist und der Dialog funktioniere, so Valentin. 

LAbg. Veronika Matiasek (FPÖ) sagte, die Volksanwaltschaft sei oft der „letzte Rettungsanker“ für Bürgerinnen und Bürger nach langen Konflikten mit Behörden. Sie ging auf einzelne Berichte ein, darunter einen zu Beschwerden über das Laufen am Friedhof. Trauernde würden sich von Sportelnden in ihrer Trauer gestört fühlen. „Ich halte es für richtig, dass man auf Friedhöfen ruhig in der Freizeit spazieren kann, aber es sind keine Sportstätten“, sagte Matiasek. Sie könne die Ansicht der Volksanwaltschaft nachvollziehen, die Friedhöfe nicht als Sportanlagen sieht. Sie hob weitere Beschwerden zu den Friedhöfen aus den Berichten der Volksanwaltschaft hervor, unter anderem betreffend zu viel gezahlter Gebühren ohne Rechtsgutlage – nach dem Einschreiten der Volksanwaltschaft müsse das Unternehmen Friedhöfe Wien Leistungen jetzt genauer verrechnen. Kritik hätte es von der Volksanwaltschaft auch bezüglich der Ablehnung von Ansuchen auf Unterstützung in besonderen Lebenslagen durch die Stadt Wien gegeben. „Eine Ablehnung ist hier für die Betroffenen besonders hart, das sollte nicht vorkommen“, forderte Matiasek. Formulierungen in Gesetzen und Richtlinien müssten für alle klar sein, damit es keine Missverständnisse und daraus resultierende Härtefälle geben könne. Matiasek berichtete außerdem von langen Wartezeiten auf Behandlungstermine in Spitälern des KAV (jetzt WIGEV), die in den Berichten der Volksanwaltschaft thematisiert würden – „lange Wartezeiten auf Operationen und Behandlungen, die alle noch aus der Zeit vor der Corona-Krise stammen“, so Matiasek. (Forts.) ato

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