Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 29.01.2021:
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3. Wiener Landtag (5)

Hauptdebatte: Jahresbericht der Volksanwaltschaft

LAbg. Mag. Ursula Berner, MA (Grüne) sah die Fremdunterbringung von Kindern nicht als „Tabuthema“ an, wie ÖVP-Mandatarin Sabine Schwarz es bezeichnet hätte. Sie selbst wolle es nicht bewerten, Tatsache sei allerdings, dass diese Maßnahme „manchmal wichtig ist, um Familien in einer Krise zu entlasten“. Natürlich müsse das ein letzter Schritt sein, wenn Prävention oder aufsuchende Arbeit nicht mehr fruchteten. Berner forderte den Ausbau der „Frühen Hilfe“, also der frühzeitigen Unterstützung junger Familien. Dies sei eine wirksame Präventionsmaßnahme. Grundsätzlich brauche es hier eine „strukturelle“ Verbesserung. Es reiche nicht, ein neues Krisenzentrum zu errichten, es müsse auch der Personalschlüssel verbessert werden, so Berner.

Volksanwalt Mag. Bernhard Achitz gab einen Überblick über die Arbeit der Volksanwaltschaft im Berichtszeitraum 2019. In der nachprüfenden Kontrolle der Verwaltung habe es bundesweit zwischen 16.000 und 17.000 Beschwerdefälle gegeben. Rund 13.000 davon fielen in die Zuständigkeit der Volksanwaltschaft, und von diesen mündeten etwa 8.000 in einem ausführlichen Prüfverfahren. Diese Zahl sei wegen der anhaltenden Coronapandemie im Steigen begriffen. Im nächsten Jahr werde es deshalb zusätzlich zu den zwei Berichten über die Verwaltungskontrolle und die präventive Menschenrechtskontrolle einen dritten Bericht geben, der sich mit den Auswirkungen der Pandemie beschäftige. In Wien habe sich die Zahl der Beschwerden auf 1.200 belaufen, diese Zahl sei „im Großen und Ganzen konstant“, erklärte Achitz. Die Volksanwaltschaft stellte in 283 Fällen einen Missstand fest, was gemessen am gesamten Verwaltungshandeln der Stadt Wien „relativ wenig“ sei. Das liege u.a. an einem guten Dialog, den die Volksanwaltschaft mit der Stadt Wien pflege. Achitz befürwortete Forderungen aus den Reihen der ÖVP, die Prüfungskompetenz der Volksanwaltschaft auch auf ausgegliederte Unternehmungen der Stadt Wien zu erweitern. Gefragt sei hier aber der Nationalrat, die Volksanwaltschaft habe diesen Wunsch bereits dort deponiert. Achitz sprach in seiner Rede auch zum Thema Heimopferrente und Entschädigungszahlungen an Opfer von Misshandlungen im Zeitraum zwischen 1945 und 2000. Während die Heimopferrente eine regelmäßige Zahlung sei, handle es sich bei der Entschädigungszahlung um eine „pauschalierte Schadenersatzzahlung für konkret erlittene Misshandlungen“. In Wien sei es sehr einfach gewesen, zu einer solchen Zahlung zu kommen, jedoch sei das Zeitfenster für eine Antragsstellung zu kurz gewesen. Viele Opfer seien schwer traumatisiert und bräuchten „sehr lang, um sich durchzuringen“ ihre Erfahrungen noch einmal zu erzählen und schließlich einen Antrag zu stellen. Sein Wusch sei es, diesen Fonds „wieder aufzumachen“. Achitz thematisierte auch die Mindestsicherung. Wien habe die Bundesregelung noch nicht umgesetzt, es sei Aufgabe des Volksanwaltschaft darauf hinzuweisen. Allerdings habe sie auch festgestellt, dass das Bundesrahmengesetz „in einigen Punkten verfassungswidrig war“, weshalb einige Bundesländer mit der Umsetzung zugewartet hätten. Gerade jetzt, zu Zeiten der Pandemie, habe sich herausgestellt, dass das Nichtumsetzen für die Betroffenen ein Vorteil gewesen sei.

Volksanwalt Werner Amon, MBA betonte, dass die Volksanwaltschaft mit der Magistratsdirektion der Stadt Wien eine gute Zusammenarbeit pflege. Er sei dankbar, dass heute das Thema Kompetenzausweitung aufgebracht wurde, denn das sei gerade in ausgegliederten Bereichen der kommunalen Verwaltung wichtig. In manchen Fällen, wie z.B. mit den Wiener Friedhöfen oder den Wiener Linien, stehe man in einem „intensiven Dialog“. Anderorts, etwa bei Wiener Wohnen, sei dieser Dialog noch eher „holprig“. Amon sprach ein paar konkrete Fälle der Volksanwaltschaft an, bei denen es seitens der Behörde Nachbesserungsbedarf gebe. So sei z.B. die Gebührenordnung der Wiener Friedhöfe „ein wenig zu intransparent“. Da gebe es je nach Grab-Art Unterschiede. Er sei zuversichtlich, dass man im Dialog mit der Friedhofsleitung zu einer Lösung komme. Amon sprach auch feuerpolizeiliche Bestimmungen in „sehr alten Gebäuden“ an. Hier „auseinanderklaffende Bestimmungen“, wo der Gesetzgeber gefordert sei.

Volksanwalt Walter Rosenkranz sagte zur Debatte, ob die Volksanwälte als „Unternehmensberater“ bezeichnet werden könnten: „Wir kommen nicht, weil die Verwaltungseinheit uns bittet, sondern weil sich ein Mensch mit einem Problem an uns wendet, das er in oder an der Verwaltung sieht.“ Er veranschaulichte das anhand eines konkreten Beispiels: BewohnerInnen, die in der Nähe eines Gewerbebetriebes lebten, hätten sich über Gestank und Lärm beschwert. Die Betroffen hätten sich von der Gewerbebehörde nicht ernst genommen gefühlt und seien deshalb zur Volksanwaltschaft gegangen. Deren Einschreiten habe Bewegung in die Sache gebracht, allerdings habe die Behörde die von ihr ausgesprochenen Auflagen nicht kontrolliert, der Betrieb habe sich nicht daran gehalten. Wieder hätten die AnrainerInnen an die Volksanwaltschaft herantreten müssen, das sei für „den Einzelnen sehr frustrierend“, so Rosenkranz. Es sei jedenfalls egal, ob es sich um einen „kleinen Einzelfall“ oder einen „Systemfehler“ handle, die Volksanwaltschaft kenne nur einen Begriff: „Missstand“. Dieser können alles sein, egal ob es sich um „absolutes Behördenversagen oder einen unfreundlichen Beamten handelt“. In seinen, Rosenkranz, Geschäftsbereich fielen auch die Angelegenheiten der Magistratsabteilung 35. Die Beschwerden betreffen hier vor allem eine zu lange Verfahrensdauer bei Aufenthaltsgenehmigungen und Einbürgerungen. Die Beschwerdezahl sei mit 1.200 „relativ hoch“, obendrein sei die Hälfte der Beschwerden laut Rosenkranz berechtigt gewesen. Lobend erwähnte er, dass die Stadt Wien der Kritik stelle. So seien regelmäßig VertreterInnen bei der ORF-Sendung „Bürgeranwalt“ zu Gast.

Abstimmungen: Der Jahresbericht der Volksanwaltschaft wurde einstimmig angenommen. Der FPÖ-Antrag betreffend die Wiedereinführung von Unterstützungsleistungen für anerkannte Heimopfer wurde dem zuständigen Ausschuss zugewiesen. Alle anderen Anträge wurden abgelehnt. (Forts.) sep

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