Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 28.04.2021:
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9. Wiener Gemeinderat (7)

Erweiterung der Sachkreditgenehmigung für das Vorhaben Hauptstraße B Stadtstraße in Wien 22

GRin DI Huem Otero Garcia (Grüne) sagte, die Art der Mobilität, die eine Regierung forciert, sage viel darüber aus, welches Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell sie unterstützt. Die SPÖ würde ihre eigenen Grundwerte „mit den Füßen treten“, denn der Bau der Autobahn und damit die Förderung des Autoverkehrs habe nichts mit dem Schaffen einer egalitären Gesellschaft zu tun. Die Donaustadtautobahn sei eine „klimapolitische Katastrophe“, die auch negative sozialökologische Auswirkungen habe, „weit über die Klimakrise hinaus“, so Otero Garcia. Nicht das Miteinander stehe im Fokus, sondern das Individuelle, die Frage, wer stärker und schneller ist. Das vereine die Automobilität mit dem Kapitalismus, führte Otero Garcia aus. Mit dem Bau der Autobahn würden „die Privilegierten“ gefördert und es passiere eine „Umverteilung von unten nach oben“. Autoverkehr fördern heiße außerdem, den Krieg um Öl zu fördern und tote ArbeitnehmerInnen in Kauf zu nehmen – bei der Öl-, Gas- und Kohleextraktion würden mehr ArbeiterInnen sterben als in anderen Berufen, so Otero Garcia. „Jeder Euro für die Autobahn ist eine zerstörerische Investition für einige wenige auf Kosten vieler“, sagte sie.

GR Erich Valentin (SPÖ) hielt den Grünen vor, die Stadtstraße als Regierungspartei – also bis vor kurzem - stets mitgetragen zu haben. Durch dermaßen schnelle programmatische Sinneswandel trügen die Grünen zu einem negativen Ruf der Politik bei, so Valentin. Die SPÖ bekenne sich zu einer Aufwertung der Ortskerne in der Donaustadt, und wenn man die Ortskerne beruhigen möchte, müsse man „vorher den Verkehr herausholen“, insbesondere den Schwerverkehr. Für Valentin sei klar, dass der motorisierte Individualverkehr „massiv“ gesenkt werden müsse, speziell bei den PendlerInnen. Dafür baue die Stadt neue Straßenbahnen, Busstrecken, Radwegeverbindungen und Fußwege. Nicht verhindern könne er aber, dass „Frächter aus Tallin, Vilnius oder Warschau auch weiterhin nicht in die U-Bahn einsteigen werden“ – dieser Verkehr könne „nicht verhindert werden“, betonte er. Das Projekt genieße eine „breite demokratische Absicherung“ im Stadtparlament, außerdem sei ihm eine unabhängige Umweltverträglichkeitsprüfung vorangegangen. Die Grünen müssten nun zur Kenntnis nehmen, dass man in einer Demokratie „seine Meinung manchmal nicht durchbringt“.

GR David Ellensohn (Grüne) sagte, er würde seinen Blick lieber in die Zukunft richten, müsse aber angesichts der vorgebrachten Argumente zunächst in die Vergangenheit blicken. Er erinnerte daran, dass die Koalition zwischen SPÖ und Grüne in Wien nicht an Meinungsverschiedenheiten bei Themen wie Frauen, Kultur, Soziales, Gesundheit oder Bildung zerbrochen sei. Der Konsens sei bei der „zentralen Frage des Jahrhunderts“, der Klimapolitik, nicht zustande gekommen. Hier würden SPÖ und Grüne „meilenweit auseinander liegen“. Ellensohn attestierte der SPÖ mangelnde Ernsthaftigkeit bei diesem Thema. Auch wenn die SPÖ die geplante „Donaustadtautobahn“ gerne anderes präsentiere, sei sie laut Ellensohn klimaschädlich, sie verursache Lärm und koste viel Geld. Er bezeichnete die Autobahn als „Antiprojekt des 21. Jahrhunderts“. Die SPÖ tue so, als könne man ohne Auto nicht leben, so Ellensohn. Tatsächlich verfüge aber jeder zweite Wiener Haushalt nicht über ein Auto. Oft schlicht aus Geldmangel, aber auch aus klimapolitischen Gründen, so Ellensohn. Wien könne in der Klimafrage Vorbild sein, das hieße aber: Klimaziele ernst nehmen und das Projekt zurück an den Start befördern, es „redimensionieren“, günstiger machen und mit dem Geld dringendere Projekte umsetzen.

GRin MMag. Julia Malle (Grüne) sagte, es sei den Grünen zu verdanken, dass die Stadtstraße noch nicht gebaut worden sei. Die Grünen hätten das Projekt bislang „immer erfolgreich verhindert können“. Das Vorhaben sei, das Malle als „Klimaschweinerei“ bezeichnete, sei ein „Investment in die Vergangenheit“. Mit fast einer halben Milliarde Euro könnten die Fassaden von 46.000 Schulen und Kindergärten begrünt, Bildungseinrichtungen abgekühlt, der Bio-Anteil in Schulbuffets erhöht, regionale Essenslieferanten unterstützt, autofreie Straßen und Freiflächen für Kinder errichtet sowie 12 klimafitte Campusschulen gebaut werden. Das Beteiligungsprojekt „Werkstadt Junges Wien“ habe gezeigt, dass das größte Anliegen von 22.500 befragten Kindern und Jugendlichen die Themen Umwelt, Klima und Natur. Nur ein klimafreundliches Wien sei auch ein kinderfreundliches Wien, schloss Malle.

GR Georg Prack, BA (Grüne) sagte, eine halbe Milliarde Euro Investition „in CO2-Ausstoß, Bodenversiegelung und fossile Vergangenheit“ passten eher ins Programm einer „Rückschrittskoalition“ denn in das einer „Fortschrittskoalition“. Den WählerInnen sei Klimaschutz versprochen worden, stattdessen würde nun in klimaschädliches Projekt investiert, das sei „Betrug an den WählerInnen, an der Zukunft und an den kommenden Generationen“, befand Prack. Es sei „gut und wichtig“ in die Abkühlung und Begrünung der Stadt zu investieren, damit verhindere man aber keine Klimakrise. Prack erklärte seinen Standpunkt anhand einer Corona-Metapher: Die Anpassungsmaßnahmen seien „Masken“, die die Auswirkungen der Krise abschwächen sollen. Die Mobilitätswende dagegen sei die „Impfung, die es braucht, um die Klimakrise zu verhindern“ und die geplante Autobahn sei das „Superspreader-Event“. Prack wünschte sich anstelle der Stadtstraße eine Investition in die Sanierung des Gemeindebaus. Mit einer halben Milliarde Euro könne man viel CO2 einsparen, die Wohnqualität erhöhen und die Betriebskosten durch thermische Sanierung senken.

GR Ömer Öztas (Grüne) warf den Stadtregierungsparteien SPÖ und NEOS vor, eine „Politik des Rückschritts“ zu machen. Sozialdemokratie sollte „zukunftsgerichtet“ sein, das „S“ in SPÖ mittlerweile eher für „Stillstand“. Eine Fortschrittskoalition würde nicht 460 Millionen Euro in ein „sinnloses Projekt“ stecken, sondern die steigende Wohnungsnot bei Jugendlichen, Jugendarbeitslosigkeit sowie die psychische Betreuung für Kinder und Jugendliche forcieren. Das „Betonprojekt“ sei laut Öztas keine Stadtstraße, sondern eine „vierspurige Autobahn mitten im Herzen der Donaustadt“. Es sei eines der klimaschädlichsten Projekte von SPÖ und NEOS und sei ein „Mittelfinger“ in Richtung aller „Fridays for Future“-AktivistInnen und seiner Generation. Öztas schloss seine Rede mit den Worten: „Dankeschön für nichts.“

GRin GRin Mag. Barbara Huemer (Grüne) sprach über die gesundheitlichen Folgen der Stadtstraße. Sie bringe Lärm, Unfälle, Schadstoffe. Lärm hindere Kinder zunehmend in ihrer Konzentration und erhöhe bei älteren Personen das Herzinfarktrisiko. Dazu kämen Abgase, Feinstaub, Partikelemissionen, die die Lunge belasteten. Abgase machten krank, Stickoxide seien zudem maßgeblich für bodennahes Ozon verantwortlich. In Richtung SPÖ und NEOS fragte sie: „Wollen Sie das wirklich verantworten?“. Huemer forderte „gesunde“ Mobilität, mehr Platz zum Radfahren und Zu-Fuß-Gehen sowie „attraktive und leistbare Öffis“. (Forts.) sep

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