Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 24.06.2021:
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5. Wiener Landtag (9)

Dringliche Anfrage

LAbg. Mag. Dietbert Kowarik (FPÖ) räumte ein, dass der soziale Wohnbau ein „Verdienst des Roten Wiens der Zwischenkriegszeit“ und in dieser Form europaweit wohl einzigartig sei. Gerade deshalb solle man mit diesem „historischen Erbe sorgsam umgehen“ und Mechanismen entwickeln, um das Erbe zu erhalten bzw. auszubauen. Allerdings drohe dieses Erbe zu zerbröckeln. Schuld daran sei unter anderem die mangelnde Aufsicht im gemeinnützigen Wohnbau. Die Stadt Wien habe die Wohnbauträger nicht genügend kontrolliert, obwohl der Bundesrechnungshof in seinen Berichten immer wieder auf Unzulänglichkeiten aufmerksam gemacht hätte, so Kowarik. So habe das Land Wien „jahrelang den Standpunkt vertreten, dass nur der unmittelbare Erwerb von Anteilen an gemeinnützigen Bauvereinigungen zu prüfen ist“. Der eigentliche wirtschaftliche Eigentümer solle dagegen „unbeachtet bleiben“. Kowarik fand diesen Zugang „unverständlich“. Der Rechnungshof bemängelte auch eine undurchsichtige Eigentümerstruktur der WBV-GÖD sowie das Unterschlagen von Firmenbucheinträgen, Aktenführungen und fehlende Dokumentation von Kontakten der Stadt Wien mit OrganwalterInnen bzw. deren eigehende Überprüfung. Kowarik kritisierte auch die Vorgehensweise im Rahmen der Auftragsvergabe in der Causa Dittelgasse. Hier müsse es eigentlich eine Sonderprüfung geben, da der Auftrag an das Unternehmen der Tochter einer SPÖ-Gemeinderätin vergeben worden sei. Zusammenfassend sagte Kowarik, er vermisse die Konsequenz der Verantwortlichen und er wünsche sich, dass bei gemeinnützigen Wohnbauvereinigungen „ganz genau hingeschaut wird, damit kein Geruch von Freunderlwirtschaft überbleibt.“

LAbg. Mag.a Bettina Emmerling, MSc (NEOS) teilte die Meinung ihrer FPÖ-Vorredner, dass es in diesem Zusammenhang umfangreiche Aufklärung und Kontrolle brauche – „wo immer das nötig ist“. Zur Sonderprüfung sagte sie: Die laufende Prüfung der Revisionsabteilung gehe von statten, das Ergebnis werde „zeitnah“ vorliegen. Emmerling sagte, es brauche starke Kontrollorgane, auf die man vertrauen kann. Der Rechnungshof und andere Kontrollorgane seien wichtige Partner, wenn es um den sachgerechten Einsatz öffentlicher Gelder gehe. Die „Fortschrittskoalition" zwischen SPÖ und NEOS habe im Bereich der Transparenz wichtige Schritte gesetzt. So sei die „Whistleblower-Plattform“ ins Leben gerufen worden und im Rahmen des heutigen Landtages soll obendrein das Fördertransparenzgesetzt beschlossen werden.

LAbg. David Ellensohn (Grüne) mahnte den Schutz des sozialen Wohnbaus ein. Dazu brauche es aber auch eine funktionierende Aufsichts- und Kontrollstruktur. Die Magistratsabteilung 50 habe sich zu sehr auf die Arbeit der Finanzmarktaufsicht und des Revisionsverbandes verlassen, aber niemals eigene Recherchen zur Commerzialbank angestellt. Die Finanzmarktaufsicht habe „versagt“, wenn aber die Stadt Wien – in dem Fall über die Gesiba, die zu 99,7 Prozent der Stadt Wien gehöre – bei einer Bank viel Geld anlege, obliege es auch ihr „genau hinzuschauen“. Es gebe „immer Abzocker, heute noch mehr als früher“, so Ellensohn.

StRin Mag. Bernadette Arnoldner (ÖVP) sah den gemeinnützigen Wohnbau ebenfalls als „Errungenschaft“. Grund und Boden seien in Wien „ein sehr wertvolles Gut". Die Stadt Wien verkaufe Grundstücke jedoch oft „unter Wert“, kaufe sie dafür aber über ihrem Wert. Dieses Muster sei ein „System der Wiener SPÖ“ und mittlerweile ziehe sich „dieser rote Filz quer durch die Stadt - nicht nur bei Immobiliendeals“, kritisierte Arnoldner. Erst unlängst habe die SPÖ-nahe Sozialbau AG ein Grundstück in der Liesinger Breitenfurter Straße zu billig verkauft. Und bei der Gesiba, die fast zu 100 Prozent im Eigentum der Stadt Wien stehe, seien wegen der Veranlagung von Geldern bei der Commerzialbank Mattersburg fast 17 Millionen Euro "in den Sand gesetzt worden“. Die ÖVP wolle „Licht ins Dunkel tendenziöser Deals bringen“. Arnoldner forderte deshalb für Grundstücksveräußerungen öffentliche Bieterverfahren, verbindliche Regelungen über die Vorgangsweise von Liegenschaftsverkäufen sowie einen jährlichen Bericht über Liegenschaftstransaktionen.

LAbg. Dr. Kurt Stürzenbecher (SPÖ) fand es zu wenig, die SPÖ „Erbin des sozialen Wohnbaus“ zu bezeichnen. Vielmehr sei die Sozialdemokratie auch heute noch dessen „Gestalterin“. Nicht nur in der Zwischenkriegszeit seien Gemeindewohnungen gebaut worden, auch in der 2. Republik habe man mit 140.000 Wohnungen den sozialen Wohnbau vorangebracht. Dem Vorschlag seiner Vorrednerin, der ÖVP-Abgeordneten Arnoldner, betreffend Bieterverfahren hielt Stürzenbecher entgegen, dass "das schon seit 30 Jahren gelebte Praxis" in Wien sei. Darüber hinaus gebe es Bauträgerwettbewerbe, die dabei helfen würden, den geeigneten Auftragnehmer für Projekte zu finden. Stürzenbecher betonte, dass die Causa rund um die burgenländische Commerzialbank keineswegs ein "Wohnbauskandal, sondern vielmehr ein Finanzmarktaufsichtsskandal, ein Bankenskandal und mutmaßlich ein großer Kriminalfall" sei. Es gebe „viele Geschädigte“, darunter 13.500 BankkundInnen, etliche Gemeinden, KonzertveranstalterInnen, Hightech-UnternehmerInnen, Versicherungsgruppen „und leider auch gemeinnützige Bauvereinigungen“. Es würde aber niemand auf die Idee kommen, den Skandal einen Versicherungsgruppe-Skandal zu nennen, so Stürzenbecher. Jedenfalls müsse man sicherstellen, dass so etwas in Zukunft nicht mehr vorkomme. Man müsse überprüfen, wie man die Finanzmarktaufsicht „effizienter gestalten“ könne, allerdings müsse man sich weiterhin darauf verlassen können, dass die Aufsichtsorgane ordnungsgemäß ihrer Kontrollpflicht nachkämen.

LAbg. Dr. Peter Sittler (ÖVP) sagte: Das Thema, also die Aufsicht des gemeinnützigen Wohnbaus, sei "wichtig und spannend". Die Stadt rühme sich mit dem leistbaren Wohnen in Wien. Das Geld das an die Gesiba floss, die wiederum fast zu 100 Prozent der Stadt gehöre, fehle jetzt aber für leistbaren Wohnbau. Die Frage sei, warum so hohe Summen bei einer burgenländischen Bank „so risikofreudig angelegt“ worden seien. Auch der Rechnungshof habe bereits festgestellt, dass die Gesiba bereits aus Vorjahresberichten über das Risiko informiert war. Die Zinsen bei der Bank Mattersburg seien zu hoch gewesen, „da hätten die Alarmglocken schon läuten müssen.“ Sittler frage sich warum diesbezüglich nicht damals schon nachgefragt und überprüft wurde. Es sei schon möglich, dass es sich um einen „Bankenskandal“ handeln würde, wie von der SPÖ behauptet. Man warte jetzt jedenfalls auf die Prüfberichte. Sittler fordere eine Sonderprüfung der gemeinnützigen Bauvereinigungen in Wien. Wien gehöre den WienerInnen und nicht der SPÖ, „die mit ihrem roten Netzwerk“ den Schaden angerichtet habe. (Forts.) sep/wei

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