Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 28.06.2021:
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12. Wiener Gemeinderat: Rechnungsabschluss 2020 (4)

Generaldebatte

GR David Ellensohn (Grüne) dankte allen, „die uns durch die Pandemie getragen haben“ und freute sich darüber, dass ein Ende „der größten Probleme der Pandemie“ in Sicht sei. „Wer aber zahlt die Kosten dieser Krise, und wer zahlt die Kosten der Klimakrise?“, fragte Ellensohn, der vorrechnete, dass die Folgekosten der Klimaerwärmung wesentlich höher ausfallen würden, als die Kosten von Maßnahmen gegen die Klimaveränderung. Ellensohn kündigte an, dass seine Fraktion dem Rechnungsabschluss 2020 zustimmen werde, da die Maßnahmen ja auch von Rot-Grün beschlossen und mitgetragen worden seien. „Natürlich“ sei in der letzten Dekade „zu wenig“ für den Klimaschutz getan worden. Abermals stellte Ellensohn die Fragen in den Raum: „Wer hat in den letzten zehn Jahren beim Klimaschutz in Wien mehr gebremst? Die Roten oder die Grünen?“. Der momentan regierenden Koalition unterstellte Ellensohn „Zwi-Denken“: Auf der einen Seite die Lobau-Autobahn als Klimaschutzprojekt hinstellen, andererseits insgeheim aber damit kalkulieren, dass Klimaschutz für das Wahlvolk nicht so wichtig sei. Wien könne sich in Sachen Klimaschutz ein Beispiel an Wales nehmen, wo jedes einzelne Verkehrsprojekt, das Autoverkehr unterstützen könnte, gestoppt und nochmals geprüft werde. „Traut euch mehr“, rief Ellensohn die rot-pinke Stadtregierung zu mehr Engagement in der Klimapolitik auf. Ellensohn brachte einen Antrag für eine höhere Vermögenssteuer und zur Reform der Grundsteuer, die seit 1973 nicht geändert worden sei, ein, „da die Pandemie die Schere zwischen Reich und Arm noch weiter geöffnet hat“.

GR Mag. Manfred Juraczka (ÖVP) fiel zum Rechnungsabschluss das Sprichwort ein: „Spare in der Zeit, dann hast du in der Not." Dieser Rat gelte nicht nur im privaten Bereich, sondern auch für die öffentliche Hand. „Das Sparen in der Zeit ist aber jahrzehntelang nicht passiert“, formulierte Juraczka. Dieses „Schlamassel“ hätten die Sozialdemokraten zu verantworten. „Interessant“ sei, dass trotz der Krise, die Gebühreneinnahmen von 2019 auf 2020 um zwei Millionen Euro angestiegen seien. „Diese Entwicklung wünschen wir uns nicht, dagegen bringen wir zum wiederholten Mal den Antrag ein, das Wiener Valorisierungsgesetz auszusetzen“, so Juraczka, der sich einen „Wirtschaftsmotor Wien“ für die Region wünscht. Jedoch: „Die allermeisten Ballungsräume Europas haben immer weniger Arbeitslose als das Gesamtland, nur in Österreich gibt es im Ballungsraum Wien fünf Prozent mehr Arbeitslose als im Bundesdurchschnitt. Auch beim Bruttoinlandsprodukt pro Kopf wird Wien etwa im Vergleich mit München weit abgehängt“, kritisierte Juraczka: „Leider fließt nicht nur Milch und Honig, erkennen Sie die Zeichen der Zeit und setzen Sie die richtigen Reformschritte. Es braucht jetzt den Mut, Entlastungen für die Bevölkerung umzusetzen“, schloss Juraczka.

GRin Barbara Novak, BA (SPÖ) zeigte sich über die "Unsachlichkeit" der Debatte „besorgt“, denn die Pandemie sei noch lange nicht vorbei, wie internationale Beispiele zeigen würden. „Wir sollten uns wieder auf das Credo des Zusammenhalts aus dem letzten Jahr zurückbesinnen, viele der Maßnahmen gegen die Pandemie wurden damals gemeinsam erarbeitet und wie in einem Puzzle gemeinsam zusammengesetzt“, so Novak. Mit dem Geld der Bürgerinnen und Bürger solle mit Respekt und Verantwortung umgegangen werden. Zu den umfangreichen Finanzunterstützungen seien viele weitere „kleinere“ Maßnahmen während der Corona-Pandemie gekommen, wie: Sofortiger Stopp der Delogierungen, Stopp der Mieteinnahmen von Klein- und Mittelbetrieben, oder Unterstützungen für KindergartenträgerInnen – damit sei smartes und unterstützendes Handeln während der Krise ermöglicht worden. Die Einnahmen der Stadt seien aufgrund der Pandemie „dramatisch“ zurückgegangen, dafür trage „niemand persönlich“ die Verantwortung. Für die Mehrausgaben in Form von 600 Millionen Euro und darüber hinaus für weitere Unterstützungspakete, würden die vorherige und die jetzige Stadtregierung die Verantwortung tragen, „um damit nach vorne zu kommen und einen Schritt in die Zukunft zu gehen“. „Die Stadt Wien gibt den Jungen und auch den Älteren Kraft für die Herausforderungen am Arbeitsmarkt, das passiert nicht zufällig, sondern zeigt das verantwortungsvolle Handeln der gesamten Stadtregierung“, sagte Novak. Nur das öffentlich finanzierte Gesundheitssystem habe in der Krise geleistet, was kein anderes Gesundheitssystem hätte leisten können. Wichtig seien auch die Investitionen in Forschung und medizinische Wissenschaft in Wien, „es ist absolut kein Zufall, dass der Gurgeltest in Wien entwickelt wurde“. Es zeige sich aber auch, dass die Frage, wie die öffentliche Daseinsvorsorge finanziert werden könne, immens wichtig sei. Novak zitierte aus einem Buch über die Pandemie, in dem die Wichtigkeit der öffentlichen Hand und der öffentlichen Daseinsvorsorge für die Risikoabwägung und Bewältigungsstrategie einer künftigen Krise seien. „Bekennen wir uns doch alle hier im Haus dazu, dass die Daseinsvorsorge ordentlich über Gebühren finanziert werden muss“, appellierte Novak. Ebenso wichtig für die Zukunft sei ein „stabiles“ Unternehmertum mit gesunden Unternehmen. Zur Frage der Frauen in der Krise: Der Wiener ArbeitnehmerInnen Fonds habe einiges an Maßnahmen gesetzt, um gegen die größer gewordene Kluft zwischen den Geschlechtern in der Zeit der Pandemie anzukämpfen; der effektivste Gewaltschutz für Frauen sei „die komplette Teilhabe der Frauen an der Gesellschaft“.

GR Stefan Berger (FPÖ) brachte im Namen seiner Fraktion insgesamt 14 Anträge ein. Bei ihm habe sich der Eindruck bei der bisherigen Finanzdebatte eingestellt, „es sei 2020 durchwegs nur um Corona gegangen“. Aber nicht alles habe sich um die Pandemie und um Zahlen gedreht. Es sei nicht immer alles, was in der Stadt passiere, in Zahlen messbar gewesen, wie etwa am 2. November 2020, als vier Menschen bei einem islamistischen Anschlag "mit dem höchsten Preis, nämlich mit dem Preis ihres Lebens", bezahlen mussten. „Das war gewissermaßen der Höhepunkt einer Entwicklung, vor der wir Freiheitlichen immer gewarnt haben“, sagte Berger. Lob gab es für die Polizei: Der Täter sei vor allem durch die Arbeit der Polizei gestoppt worden, die damit eine höhere Anzahl von Opfern verhindert hatte. Nach wie vor sei es so, dass eine Entwicklung passiere, die wir „entschlossen stoppen müssen“, so Berger. Auch die „Krawalle“ in Favoriten seien „Früchte der Stadtpolitik der vergangenen Jahre, mit ein paar Kameras am Reumannplatz ist das Problem nicht behoben“, sagte Berger. „Wir Freiheitlichen wollen Terrorismus ausrotten, den politischen Islam bekämpfen und Parallelgesellschaften verhindern, sowie unsere Heimat und Kultur schützen“, bilanzierte Berger die Forderungen seiner Fraktion.

StRin Mag. Isabelle Jungnickel (ÖVP) bezeichnete 2020 als herausforderndes Jahr; die heutige Debatte habe „einen Bildungsnotstand in den Bereichen Finanzen, Wirtschaft und Rechenfähigkeiten“ hervorgebracht. Der Gesamtschuldenstand von 10 Milliarden Euro sei verharmlost und positiv abgeklatscht worden, „das finde ich unglaublich“, so Jungnickel. Die Ankündigung von Seiten des Stadtrats Hanke in einem TV-Interview, dass es für den künftigen Kurs der Stadt einen Mix von Belastung und Entlastung brauche, würden „alle ihre Alarmglocken zum Schrillen bringen“. Jungnickel fand, es brauche substanzielle Reformen, Stopp der Verschwendung und Anreize für mehr Wachstum. Wien habe „ein strukturelles Problem, nämlich das schwache Wirtschaftswachstum von 0,26 Prozent sowie die Wirtschaftleistung pro Kopf“, so Jungnickel, die fortsetzte: „Wien ist zudem im Ländervergleich Spitzenreiter im Bereich der Langzeitarbeitslosen, jeder Zweiter ist langzeitarbeitslos, so viele wie in keinem anderen Bundesland“. Auf den Punkt gebracht: „Ein Genügend, wie vom Stadtrechnungshof vergeben, reicht uns nicht, wir wollen, dass Vorzeigestadt mit einer starken Finanzpolitik“, forderte Jungnickel. (Forts.) nic

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