Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 28.06.2021:
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12. Wiener Gemeinderat: Rechnungsabschluss 2020 (9)

Beratung der Geschäftsgruppe Kultur und Wissenschaft

GRin Veronika Matiasek (FPÖ) meinte Richtung SPÖ-Vorredner Schmid: „Die Begriffe Weltoffenheit und Toleranz kommen immer im Paket“ – zu ergänzen sei der Wiener Kulturbegriff aber auch um „Freude und das Glücklich-Machen“ für Menschen, gerade in der unsicheren Corona-Zeit der Entbehrung. Kunst und Kultur dürfe nicht nur „belehrend“ sein; das Kulturbudget Wiens sei nicht „zurückgestaucht“ worden, sondern habe den hiesigen Künstlerinnen und Künstlern „das Überleben“ gesichert und ihnen ein ambitioniertes Schaffen ermöglicht, bemerkte Matiasek – etwa mit den mehrjährigen Kulturstipendien der Stadt. Umso mehr forderte sie als Vertreterin der Opposition einen „neuen Weg“ bei der Vergabe von Kulturförderungen – diese müssten transparenter und nachvollziehbarer vergeben werden. Auch müsse Kultur „stärker in die Bezirke“ kommen – die städtischen „Ankerzentren“ seien zwar ein Beginn, aber oft nur „Spielwiese“ für Kleinstprojekte. „Ich kenne viele Kunst- und Kulturvereine in den Grätzln, denen schlichtweg der Raum fehlt – etwa für Proben und Aufführungen“, meinte Matiasek. Auch regte sie ein neues „Wienerwald-Museum“ an: „Viele Musiker, Komponisten, Dichter und Maler“ seien vom Wald kreativ inspiriert worden. Als Örtlichkeit für das zu schaffende Haus schlug Matiasek den Kahlenberg vor.

GRin Mag. Mag. Julia Malle (Grüne) lobte als Jung-Gemeinderätin die „gute Zusammenarbeit“ im Kultur-Ausschuss: „Mir wurde davor oft erzählt, der Kulturausschuss ist der ‚leiwandste‘. Ich kann das bestätigen.“ Im Bereich Kunst, Kultur und Wissenschaft habe die Opposition „einen relativ guten Überblick“, wofür das Geld ausgegeben werde. Nicht alles verlaufe aber ohne Diskussion: „Ich freue mich auf den Tag, an dem Sie (die SPÖ, Anm.) einem Gleichstellungsmonitor zustimmen werden“, sagte Malle, und fügte hinzu: Immer, wenn die Stadtregierung „nicht mehr weiter weiß, ist der Schuldige gefunden: der Bund.“ Warum fülle Wien diese Lücken nicht selbst, mit neuen Kunststipendien und Förderungen für Wissenschaft und Forschung? Überhaupt werde das Thema Wissenschaft und Forschung im Gemeinderat „viel zu selten, viel zu wenig“ behandelt – „die Wissenschaft fristet im Gemeinderat ein trostloses Dasein“, obwohl Wien „Spitzenforschungs-Standort“ sei. Statt Geld in „Umweltsünden und parteinahe Veranstaltungen zu versenken“, seien die Mittel besser in Wissenschaftsprojekte zur Bekämpfung des Klimawandels investiert, forderte Malle.

GRin Mag. Laura Sachslehner, BA (ÖVP) wollte „die schönen, leeren Zahlen, die heute vorgetragen wurden, in den Kontext setzen“. Beispiel Bezirksmuseen: Mit dem Projekt „Bezirksmuseum reloaded“ solle die Struktur der Institutionen gestärkt werden, mit einer jährlichen Förderung von 809.000 Euro. Das sei vor zwei Jahren passiert; mehr als „vier Presseaussendungen aus einer neuen Stabsstelle mit sieben neuen Posten – beim Postenschaffen ist die Stadt immer gut – ist aber nicht viel passiert“, sagte Sachslehner. Die Situation vor Ort gebe zu denken: Viele Bezirksmuseen seien weiterhin unterfinanziert, sanierungsbedürftig, nicht barrierefrei und hätten Probleme, den laufenden Betrieb zu bewältigen. „Sie geben 6 Millionen Euro für den Kultursommer aus, aber lassen die Bezirksmuseen unterfinanziert“, appellierte Sachslehner Richtung Kulturstadträtin Kaup-Hasler, „Ihre Prioritäten zu überdenken“. Mittels Antrags forderte sie ein „Maßnahmenpaket Bezirksmuseen“.

GRin Mag. Dr. Ewa Samel (SPÖ) unterstrich das „enorme Engagement“ der „zigtausenden Kulturschaffenden“ in der Stadt, die Wien „tagtäglich bereichern“. Das qualitativ hochwertige Kulturangebot in der Stadt sei „bunt und vielfältig“ – dabei habe die Corona-Pandemie vieles in den digitalen Raum verlegt. Das hat auch Vorteile: So sei die Schiene der „Wiener Vorlesungen“ einem breiteren Publikum geöffnet worden; die Online-Plattform „Wien Geschichte Wiki“ habe im Vorjahr mehr als 3 Millionen Zugriffe verzeichnet. Im Bereich Wissenschaft und Forschung habe Wien in den Vorjahren massiv aufgeholt – mehr als 30 Prozent der österreichischen Forschungsstätten befinden sich in Wien. Um Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ihre Forschung in der Pandemie zu ermöglichen und weiterführen zu lassen, habe die Stadt gemeinsam mit Einrichtungen wie dem Ludwig-Boltzmann-Institut neue Förderungen geschaffen. Das Projekt „Digitaler Humanismus“ greife eine der wichtigsten Fragen der Gegenwart auf, sagte Samel: Wird die Künstliche Intelligenz die menschliche Kreativität überholen oder ersetzen? Die Stadt wende Gelder für diesen Bereich der Geisteswissenschaft auf; aber auch Naturwissenschaften, die Präzisionsforschung und die Erforschung der Klimakrise würden von der Stadt gefördert.

GRin Mag. Barbara Huemer (Grüne) meinte: Der Stadt sei es – noch unter Rot-Grün – gelungen, das Wissenschaftsbudget „substanziell aufzustocken“. Es sei erfreulich, dass dieser Weg in der neuen Koalition fortgesetzt werde: „Was gut ist, kann man loben. Wien braucht die Forschung, wir müssen neuen Herausforderungen mit Spitzenforschung begegnen“, sagte Huemer. Auch was Genderthemen, Digitalisierung und Migration betreffe, seien die Geisteswissenschaften wichtig. Sie erinnerte an die Arbeitsstipendien für prekär beschäftigte WissenschafterInnen, welche unter Rot-Grün eingeführt worden seien und nach einem Jahr auslaufen. „Die Krise ist noch nicht vorbei, es ist schade, dass diese Unterstützung jetzt ausläuft.“ Sie appellierte, mehr in die Bereiche Public Health und präventive Gesundheitsforschung zu investieren: „Ich sehe hier ein ganz neues Forschungsfeld, das wir künftig brauchen werden.“ Auch müsste in der Forschungsfrage die Genderpolitik stärker im Fokus stehen; darauf müsse die Stadt als Fördergeberin beachten. Was den „Digitalen Humanismus“ betreffe, meinte Huemer: Digitalisierung sei kein „Naturgesetz“ – sie müsse im „demokratischen Sinn, mit Partizipation“ vorangetrieben werden. Als Parallele zur Linzer „Ars Electronica“ wünschte sich Huemer ein Wiener Projekt mit Signalwirkung.

GR Dr. Josef Mantl, MA (ÖVP) nannte die „perfekte Symbiose aus Tradition und Moderne“ als Grund für die hohe Qualität der „Kunstmetropole Wien“. Umso wichtiger sei es, die Subventionsabwicklung bei Kulturförderungen „noch besser, noch transparenter, noch effizienter“ zu gestalten. Es habe in den vergangenen Jahren zwar schon Verbesserungen gegeben; aber nach wie vor würden dem Kulturausschuss die abgelehnten Förderanträge nicht vorgelegt, viele Informationen über die Förderwerber würden „von SPÖ-Rednern im Gemeinderat vorgelegt“, anstatt gleich im Akt dem Ausschuss zur Verfügung gestellt zur werden. „Wir wollen eine faire Behandlung für alle Förderwerber“, forderte Mantl. Auch ziehe die Kulturabteilung immer wieder externe Expertinnen und Experten und Jurys zur Bewertung heran – „aber wie diese bestellt werden, und was diese befähigt, über Förderungen zu entscheiden“ werde oft nicht erklärt. „Die Kulturabteilung ist nicht die CIA. Haben Sie keine Angst vor maximaler Transparenz“, appellierte Mantl. Wenn Förderwerber über Jahre hinweg unterstützt werden, müsste die Stadt mit ihnen öffentlich einsehbare KPIs vereinbaren, um Zielvorgaben zu definieren; mit entsprechenden Konsequenzen bei Nichterfüllen dieser Ziele. Zu den von ihm angesprochenen Punkten brachte Mantl eine Reihe von Anträgen ein.

GR Jörg Neumayer, MA (SPÖ) malte rhetorisch ein Bild: „Stellen Sie sich vor, Sie wollen in Ihr Grätzl-Theater um die Ecke. Aber das hat zugesperrt. Was noch offen hat, sind die großen Bühnen – und dort kosten die Karten das Fünffache.“ Um genau das zu verhindern, habe die Stadt 290 Millionen Euro an Investitionen getätigt, das Budget um 30 Millionen erhöht, und „einen Rettungsschirm über die Kulturlandschaft ab Tag eins“ gespannt. Während die ÖVP auf Bundesebene „Ankündigungspolitik“ betreibe, habe die Stadt Wien konkret gehandelt – und das in vier Bereichen. Sie habe in der Pandemie laufende Kosten von Kultureinrichtungen gedeckt; die begonnenen Sanierungen auch von kleinen Häusern weiter finanziert; mit Kulturschaffenden aktiv an Corona-sicheren Konzepte gearbeitet; Arbeitsstipendien um 6 Millionen Euro ausgeschüttet, mehr als 350 davon im Bereich der darstellenden Kunst. Nicht zu vergessen: Das Wien Museum am Karlsplatz, das gerade in die „zentrale Phase des Umbaus“ tritt; mit einer „unglaublich professionellen Umsetzung“. Es liege im Zeitplan in finanzieller und baulicher Hinsicht, sagte Neumayer.

GR Dr. Michael Gorlitzer, MBA (ÖVP) berichtete von der „erfreulichen“ Arbeit im Kulturausschuss, wo die meisten Entscheidungen mit breiter Fraktionsmehrheit getroffen würden. Aber, so Gorlitzer, es gebe auch ausreichend Platz für Kritik: Das Volkstheater zum Beispiel, ein „Dauerpatient“ mit sinkender Besucherzahl. „Die durchschnittliche Theaterkarte kostet 17 Euro“, rechnete Gorlitzer vor; die öffentliche Hand subventioniere jede Karte mit „95 Euro, dem mehr als Fünffachen“ des Einzelticketpreises. „Da läuft etwas falsch im Gebälk des Volkstheaters“, sagte Gorlitzer und meinte Richtung Kulturstadträtin Kaup-Hasler: „Besser hinschauen denn wegschauen.“ Überhaupt habe der Stadtrechnungshof in seinen Berichten festgestellt, dass hier nicht „umsichtig und sparsam mit Steuergeld“ umgegangen werde. In einem Antrag forderte Gorlitzer: das Volkstheater möge dem Gemeinderat als Fördergeber ein Sanierungskonzept vorlegen. (Forts.) esl

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