Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 13.09.2021:
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6. Wiener Landtag (3)

Sitzung auf Verlangen der Grünen

LAbg. Peter Florianschütz, MA, MLS (SPÖ) sagte, jetzt würden die Grundlagen dafür gelegt, „dann wird Besseres im Bildungsbereich folgen“. Florianschütz warnte Grüne vor „der Verbindung von liberaler Symbolik und dem Bündnis mit privilegierten Gruppen, dies sei der progressiven Sache nicht immer hilfreich. In Favoriten gebe es derzeit 40 Hauptschulen, in Josefstadt nur eine – „da bin ich nicht dafür, das einzufrieren“. Wien brauche mehr Ressourcen im Bildungssektor, weil ganz Wien ein Hotspot und ein Brennpunkt sei. In der ÖVP werde über Wien wohl als „rote G‘frieser, G‘fraster oder G‘sindel“ geredet, doch „eine bessere Herangehensweise“ sei es für Wien, mehr Ressourcen zu fordern. Ins Stammbuch der FPÖ will Florianschütz schreiben, „dass alle Kinder in Wien echte Kinder sind“. Ressourcenverteilung habe immer mit Umverteilung zu tun, FPÖ und ÖVP hätten an dieser Umverteilung kein Interesse – doch darum ginge es bei der Neugestaltung der Lehrstunden nun. „Es geht nicht um die Haltung des Würstelstandes, sondern um die Konstruktion der Gestaltung einer besseren Zukunft, und darum bitte ich um Unterstützung für unser Anliegen.“ Florianschütz brachte dann einen Antrag zur Aufnahme von individuell verfolgten Schutzbedürftigen aus Afghanistan ein. Dies seien vor allem MenschenrechtsaktivistInnen und MenschenrechtsverteidigerInnen, Frauen aus dem Bereich des öffentlichen Lebens und des Bildungswesens, JournalistInnen, MitarbeiterInnen humanitärer Organisationen, Personen die bisher mit den Organisationen der internationalen Gemeinschaft zusammengearbeitet haben und dafür verfolgt werden, Personen, die durch die Einführung der Scharia in ihrer rigiden Auslegung an Leib, Leben und Freiheit bedroht sein wie zum Beispiel LGBTIQ-Personen oder Angehörige religiöser oder ethischer Minderheiten. „Diese Menschen sind aktuell mit dem Tode bedroht, das ist der Grund für unseren Antrag. Wien als Menschenrechtsstadt steht das an, auch als Ausweis für eine internationale Metropole und eine Stadt der ‚guten‘ Menschen“, schloss Florianschütz.

LAbg. Mag.a Dolores Bakos, BA (NEOS) sagte, ihre Partei würde bei Problemen und Herausforderungen „hinschauen und es nicht bei Ankündigungen und Weg-Ducken in den nächsten fünf oder zehn Jahren in der Regierung belassen“. Denn „wir wollen mutig und ehrlich angehen, was dringend notwendig ist. Ein bestehendes System reformieren und besser machen“, so Bakos. Egal, ob bei den Themen Bildung oder Corona: „Wir handeln mit Hirn und Herz, das ist in unserer DNA festgeschrieben“. Zum Thema Afghanistan sagte die Landtagsabgeordnete: „Wir können natürlich nicht alle Schutzsuchenden aufnehmen, das verlangt auch niemand. Aber wir können uns im Rahmen der EU für besonders gefährdete kleine Gruppen, die mein Vorredner Florianschütz bereits erwähnt hat, einsetzen.“ In Wien hätten zwar 50 Prozent der Schülerinnen und Schüler Deutsch nicht als Umgangssprache, jedoch sei das „nicht ein Entweder-Oder, wie es die FPÖ kritisierte, sondern ein Sowohl-als-Auch“. „Man kann mit einer anderen Muttersprache auch ausgezeichnet Deutsch sprechen. Ich weiß, wovon ich rede“, sagte Bakos. Ihr Interesse sei es, Verständigungsprobleme abzubauen, nicht durch Broschüren nur in Deutsch, wie es die FPÖ verlange, diese Probleme zu vergrößern. Kinder würden integrative Sprachförderung im Rahmen des Schulunterrichts benötigen, und dass auf die Bedürfnisse aller Kinder geschaut werde – „in einem Jahr, in fünf Jahren oder auch in zehn Jahren“, verlangte Bakos.

StRin Mag.a Judith Pühringer (Grüne) verlangte, dass das Bildungssystem in Wien die besten Lernbedingungen zur Verfügungen zu stellen habe. Es habe in der heute laufenden Debatte Forderungen an die mitregierenden Grünen im Bund geben; dank der Bundes-Grünen gebe es nur 130 Planstellen für Lehrposten mehr in Wien, dazu gebe es auch mehr Geld etwa für Fördermittel oder Maßnahmen zur psychosozialen Unterstützung. Trotz dieses Zuwachses stelle sich die Frage, „warum 45 Prozent der Schulen in Wien VerlierInnen sind?“. Diese Reform sei keine Reform, „sondern ein Überfall auf die Schulen kurz vor den Ferien“. Pühringer nannte das Beispiel einer Volksschule in Ottakring, „eine Schule, die nicht die beliebteste ist“. 95 Prozent der Kinder hätten Migrationshintergrund, doch deswegen sei die Schule nicht „schlechter, sondern nur ihr Ruf ist schlecht“. In der Schule spüre man das Engagement und den Enthusiasmus des Lehrpersonals für die Kinder, es werde alles gegeben, um die Kinder zu unterstützen und zu fördern. Doch insgesamt gebe es noch kein gerechtes und inklusives Bildungssystem, für diese engagierten LehrerInnen sei die Reform der Stadtregierung „ein Schlag ins Gesicht“ gewesen. Zwar seien als Ausgleich Übergangsstunden vergeben worden, doch geblieben sei, „dass ein willkürliches Vergabesystem durch ein anderes willkürliches Vergabesystem ersetzt worden ist. Daran ist nichts transparent, fair oder mutig. Geblieben sind Verliererinnen und Verlierer“, sagte Pühringer. Denn besonders Privatschulen im Volksschulbereich hätten von der Reform profitiert, aber nicht die Brennpunktschulen. „Das Wiener Bildungsversprechen hält nicht“, resümierte Pühringer.

LAbg. Marina Hanke, BA (SPÖ) sagte über die sozialdemokratische Politik und über die Maßnahmen der Regierungskoalition, dass Veränderungen im Bildungssystem wünschenswert seien und auch die Unterstützung für die Kinder und Jugendlichen vor allem in Zeiten der Pandemie wünschenswert seien. Im Fokus der Koalitionsparteien stünden „immer Kinder und Jugendliche im Fokus“, etwa mit Programmen wie dem Projekt „Mit Respekt gemeinsam stärker“ oder mit der Erhöhung der Schulsozialarbeit. Bei den beiden Parteien FPÖ und ÖVP widersprächen sich die heutigen Reden und die Taten während der gemeinsamen Regierungszeit im Bund, denn damals hätte es „Kürzungen und Einsparungen“ im Schulbereich geben. Diese Debatte sei keine Ablenkung, wie es Vorredner Zierfuß angedeutet hatte. „Doch eigentlich setzen Sie Ablenkungsmanöver, um etwa davon abzulenken, dass Sie mitten in einer Pandemie Arbeitslose bestrafen wollen. Oder beim Versagen darin, jungen Menschen, die hier in Wien geboren sind, mitten in der Nacht aus ihrem bisherigen Leben zu reißen und abzuschieben“, sagte Hanke.

LAbg. Ömer Öztas (Grüne) erinnerte an das Versprechen des NEOS-Gründers Matthias Strolz „jedem Kind die Flügel zu heben“. Anstelle dessen „heißt es nun, es muss auch VerliererInnen im Bildungsbereich geben“. Denn 50 Prozent würden zu Schülerinnen und Schülern „zweiter Klasse“ werden. Vor allem benachteiligte Kinder seien von den Stundenkürzungen betroffen, „und das treibt ganze Familien in die Armut“. Die NEOS würden nicht in Bildung investieren, „sondern 460 Millionen Euro in eine sinnlose Stadtstraße stecken“. Statt Bildungspolitik werde „Klientelpolitik“ betrieben. „Dieses Bildungsversprechen ist ein Bildungsverbrechen“, sagte Öztas. Nach der Zustimmung zur Stadtstraße sei des bereits der zweite „Umfaller der NEOS; und der dritte kommt spätestens in zwei Wochen – da bin ich mir sicher“, schloss Öztas.

LAbg. Mag.a Heidemarie Sequenz (Grüne) erzählte, dass sie als Lehrerin heute um acht in der Schule gewesen sei, „und zwar nur aus einem Grund: Das Corona-Testen an den Schulen macht notwendig, dass jeder und jede in der Schule anwesend ist. Es sei „schlicht grotesk, dass wir jetzt über Kürzungen an den Schulen sprechen, das ist absolut demotivierend“. Dass eine Schule ein Zuviel an Ressourcen haben könnte, sei „unpackbar unbedarft. Diese Kürzungen sind skandalös, an den Wiener Schulen herrscht kein Überbedarf. Ich lade Sie hiermit ein, einmal eine Schule zu besuchen, dann werden Sie das auch feststellen.“ Die Pandemie habe gezeigt, woran es mangle, etwa an E-Mail-Verteilern, um mit den Eltern der Schülerinnen und Schüler in Kontakt zu treten. Die Schulen seien nach eineinhalb Jahren im Krisenmodus „erschöpft, das letzte was wir jetzt brauchen sind Kürzungen. Wie kann man sich Kürzungen in einer Schule überhaupt vorstellen?“, fragte Sequenz.

LAbg. David Ellensohn (Grüne) sagte, „egal, ob Bildung oder Transparenz, NEOS versagen seit Regierungsantritt in beidem“. NEOS würden die die Lehrstunden kürzen, und damit nicht nur „exakt das Gegenteil der Grünen Maßnahmen bei Regierungsantritt machen, sondern sagen zudem, es muss auch sechs-, sieben-, acht- und neunjährige VerlierInnen geben“. Denn während 70 Prozent der Privatschulen von der Neuverteilung der Lehrstunden profitieren würden, wären es bei öffentlichen Schulen nur 50 Prozent oder nur jede dritte Schule mit zusätzlichem Förderbedarf. „Das wird vom Transparenzstadtrat (Wiederkehr; Anm.) verschwiegen“, so Ellensohn. Auch die SPÖ schweige dazu und ließe ihren Juniorpartner „ins Messer laufen.“ Ellensohn berichtete von der Mehrstufenklasse einer Schule in Penzing, die auf dem Index als Schule mit mehr Bedarf stehe, der dennoch die elf bisherigen Stunden an zusätzlichem Bedarf gestrichen worden seien. Erst nach einem „halben Aufstand der LehrerInnen sind einige Stunden dazugekommen – dennoch ist dieser Minus-Chancenindex ein Schlag ins Gesicht.“ Es gebe in Wien laut NEOS mehr LehrerInnen als zuvor, dennoch würden Lehrstunden gestrichen – „das verstehe ich nicht, auch wenn ich es öfter höre“. Kein Kind in Wien solle zu VerliererInnen gehören, deshalb appellierte Ellensohn: „Überlegen Sie sich das mit der Reform, das ist ein Schlamassel“. (Forts.) nic

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