Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 22.09.2021:
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13. Wiener Gemeinderat (10)

Dringlicher Antrag der ÖVP

GRin Marina Hanke, BA (SPÖ) sagte, sie könne die ÖVP in dieser Frage „einfach nicht ernstnehmen“. Der Antrag sei „eigentlich“ eingebracht worden, um über die „massiven Belastungen zu reden und nicht über die Situation vor Ort in Afghanistan, vermutete Hanke. In „rührseligen Reden“ würden zwar die Zustände in Afghanistan beklagt, doch eigentlich gehe es der ÖVP darum, sich einen Wettbewerb mit der FPÖ zu liefern – „wenn es darum geht, möglichst viele Menschen auszugrenzen und auszuschließen“. Nur wenige Stunden nach der endgültigen Machtübernahme der Taliban in Afghanistan habe ÖVP-Innenminister Karl Nehammer erklärt, „weiter nach Afghanistan abzuschieben – ohne ein Wort des Mitgefühls: Und sie stellen sich jetzt hier hin und reden von ‚Hilfe vor Ort‘ – das ist ja lächerlich“, sagte Hanke in Richtung ÖVP. Mehr als 90 Staaten weltweit hätten vor wenigen Wochen einen Appell an die Taliban gerichtet, weiterhin Menschen aus Afghanistan ausreisen zu lassen – die ÖVP-geführte Bundesregierung „hat nicht einmal das absolute Minimum an Humanismus oder zivilisatorischen Werten gezeigt – das ist unerträglich“. Abschließend sprach Hanke der ÖVP das Attribut „christlich-sozial“ ab.

GR Mag. Patrick Gasselich (ÖVP) bemerkte, dass es jetzt vor allem darum ginge, „die Integration der Menschen, die jetzt schon hier sind, voranzutreiben“ und nicht weitere nach Wien zu holen. Zum Vorwurf, dass „Hilfe vor Ort“ nur ein Schlagwort sei, sagte Gasselich: „Hilfe vor Ort“ würde nicht heißen den Taliban Geld zu geben, sondern diene der Zusammenarbeit mit Organisationen wie dem Internationalen Roten Kreuz, die in Afghanistan immer noch tätig seien. „Absurd“ sei, dass der Bürgermeister verlange 300 zusätzliche Flüchtlinge nach Wien zu holen, um einer überforderten Magistratsabteilung 35 noch mehr Arbeit „aufzuhalsen“. Bürgermeister Ludwig solle davon „Abstand nehmen, noch mehr afghanische Menschen nach Wien zu holen“, forderte Gasselich, der einen Antrag betreffend die Beschleunigung und Ausweitung der Reformen der MA 35 einbrachte.

GRin Mag. Caroline Hungerländer (ÖVP) empfand die heutige „Diskussion als Tiefpunkt und beschämend für dieses Haus – diese Debatte ist leider ein Trauerspiel gewesen“. Der Vorwurf, dass Gelder direkt an die Taliban gehen würden, sei „peinlicher Populismus“. Wenn 300 Richter*innen kommen, müsse mit einem Faktor sieben gerechnet werden, also mit mehr als 2.000 Aufnahmen – das sei eine völlig unselektierte Zuwanderung nach Wien. Die bereits hier lebenden Afghan*innen seien „schlecht ausgebildet“, mit noch mehr Zuzug werde sich das nicht verbessern. Die bereits gewidmeten 400.000 Euro der Stadt für die Entwicklungszusammenarbeit des nächsten Jahres sollten nach Ansicht Hungerländers „gebündelt nach Afghanistan gehen“. Das würde mehr helfen als „alle salbungsvolle Worte und Schimpfwörter, die sie hier von sich geben“, appellierte Hungerländer.

GR Peter Florianschütz, MA, MLS (SPÖ) sagte, vor Ort könne Menschen, „die vom Tode bedroht seien, nicht geholfen werden. Wir werden hier helfen müssen“.

GR Mag. Dietbert Kowarik (FPÖ) bemängelte ebenfalls die Diskussionskultur der heutigen Debatte. Das Problem Afghanistan gäre nicht erst seit 40 Jahren, wie eine grüne Vorrednerin bemerkt hätte, sondern sei „bereits Jahrhunderte alt“. Wien sei in Sachen Zuwanderung teilweise „ein gebranntes Kind“, wer das nicht sehe, sei „blind“, sagte Kowarik. Womöglich werde sich der ungezügelte Zuzug wie im Jahr 2015 wiederholen – „das weiß noch keiner“. Es gehe beim Zuzug nicht nur um Menschenrechte, „sondern schlicht und einfach darum, dass es den Menschen hier einfach besser geht“. Was die westliche Welt in Afghanistan geschaffen habe, sei auch „nicht wirklich gut“ gewesen. Ja, es gebe dort „eine Katastrophe – und zwar eine politische und eine humanitäre“. Die internationale Gemeinschaft werde dort helfen müssen, weil 80 Prozent des afghanischen Staatsbudgets schon jetzt aus Hilfsgeldern bestehen würden. Kowarik: „Da hilft weder die Aufnahme von 300 Personen, noch helfen 400.000 Euro.“ Eine Perspektive für Afghanistan sei notwendig, doch „die westliche Überheblichkeit werde dort auch nicht funktionieren“. Staaten wie Dänemark oder US-Präsident Biden hätten dies bereits erkannt und würden Flüchtlinge zurückweisen – „wir können und wollen nicht die ganze Welt bei uns aufnehmen“, sagte Kowarik.

Der Dringliche Antrag der ÖVP wurde zur weiteren Bearbeitung Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) zugewiesen, über die eingebrachten Anträge wird am Ende der Gemeinderatssitzung abgestimmt werden.

Die Sitzung wurde gemäß der Tagesordnung mit der Hauptdebatte fortgesetzt.

Ankauf von Grundstücken in Aspern, Oberes Hausfeld / Verlängerung Franz-Wels-Gasse

GRin Mag.a Heidemarie Sequenz (Grüne) setzte ihre durch den Dringlichen Antrag der ÖVP unterbrochene Rede fort: Für eine Anbindung des Hausfelds per Straße brauche es keine „vierspurige Autobahn, sondern eine kleinere, günstiger zu errichtende Straße würde ebenfalls ausreichen“. Die Stadtstraße wäre deswegen so teuer, weil zwei Tunnel vorgesehen seien und diese nicht nur in der Errichtung, sondern auch im Erhalt aufwändig seien. „Dieses Einfallstor nach Wien lehnen wir ab, das hat in der Klimamusterstadt Wien keinen Platz“, sagte Sequenz, die darauf hofft, „dass die SPÖ hier umweltbewusster und umweltfreundlicher agieren wird“. Sequenz brachte einen Antrag zur Re-Dimensionierung der geplanten Stadtstraße ein.

GR Erich Valentin (SPÖ) hielt fest, dass er – wie zuvor angedeutet – „niemanden verfolge“ und in seinen Debattenbeiträgen „immer“ darauf geachtet habe, Diskussionen so zu führen, dass weitere Gespräche im Nachfeld möglich gewesen seien. Das heute verwendete Argument der Grünen, die Stadtstraße sei eine „Autobahn“, würde durch die oftmalige Wiederholung „nicht besser werden“. Die Grünen würden mit ihrer Argumentation „Kindesweglegung“ begehen, denn zehn Jahre lang hätten Grün-Verantwortliche die Planung verantwortet – „Na geht’s noch?“, fragte Valentin in Richtung der grünen Fraktion. Die Grünen hätten die Stadtstraße geplant und die damals zuständige Stadträtin Vassilakou habe Pläne an die zuständigen Stellen weitergereicht – „ich erinnere mich noch gut!“. (Forts.) nic

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