Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 22.09.2021:
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13. Wiener Gemeinderat (9)

Dringlicher Antrag der ÖVP

GR Peter Florianschütz, MA, MLS (SPÖ) sagte, die Situation in Afghanistan sei „keine Herausforderung für uns, sondern für die Menschen vor Ort“. Er denke dabei vor allem an jene Kinder, die gerade dabei seien, ihren Bildungsweg zu beginnen und über deren Zukunft sich unter der Herrschaft der Taliban nun wieder „ein Schleier senkt“. Leider, so Florianschütz, könne man nicht allen helfen. Man könne aber zum Beispiel Lehrerinnen oder Richterinnen unterstützen. Daher sei er dankbar für das Angebot der Stadt Wien, 300 Richterinnen aus Afghanistan aufzunehmen. Die Forderung der ÖVP, Hilfe vor Ort zu leisten, bezeichnete Florianschütz als „Quasi-Hilfestellung“, die so nicht funktionieren werde. Denn es gebe vor Ort niemanden, mit dem man glaubwürdig verhandeln könne. Den Antrag der FPÖ zum Thema Migration nannte er „zehn Punkte der Verzweiflung“. Würde das umgesetzt, dann müsste die Hälfte des Gemeinderatsplenums flüchten. Im Antrag der Grünen zum so genannten „sicheren Hafen“ finde sich Florianschütz inhaltlich wieder. Allerdings handle es sich dabei lediglich um eine Umformulierung eines Antrags, der bereits in der Sitzung letzte Woche beschlossen wurde.  

GR Ing. Udo Guggenbichler, MSc (FPÖ) kritisierte, dass die „Menschenrechtspartei Grüne“ in den Gesprächen mit der ÖVP auf Bundesebene zur Aufnahme von Kindern in Moria „nichts erreicht“ habe. Statt Frauen in Afghanistan zu helfen, gelte es vielmehr „unsere Frauen vor den Schutzsuchenden“ zu schützen und sich auf Integration von Schutzsuchenden zu konzentrieren, die sich bereits in Österreich aufhalten. Er kritisierte die ÖVP, die sich in Zuwanderungsfragen zwar streng gebe, aber Grenzen nicht ausreichend schützen würde. Zur Grünen Kritik am FPÖ-Antrag meinte Guggenbichler, dass die Grünen Vertreter*innen als Teil der Bundesregierung sieben von zehn enthaltenen Punkten des Antrags gemeinsam mit der ÖVP mittragen würden.

GRin Mag.a Dolores Bakos, BA (NEOS) stellte in ihrer Wortmeldung Passagen aus dem Grundsatzprogramm der Neuen Volkspartei in den Mittelpunkt, die für sie im Widerspruch zum Antrag stünden. So bekenne sich die ÖVP laut Bakos dazu, Menschen Schutz und Hilfe zu gewähren, wenn das in einem gesamteuropäischen Kontext geschehe. In der Praxis verhindere die ÖVP aber mittlerweile oftmals europäische Lösungen, kritisierte Bakos. Im Grundsatzprogramm der ÖVP stehe weiters, dass die Partei offen sei, für „Menschen die sich auf Basis christlicher oder anderer Wertebilder zu unseren Werten bekennen“. Dennoch lehne die ÖVP die Aufnahme schutzsuchender westlich orientierter Menschen aus Afghanistan ab. „Hilfe vor Ort“ der Bundesregierung sei „nicht professionell“, sagte Bakos weiter. Auch bei finanziellen Hilfen bewegen sich die Österreichischen Leistungen laut Bakos „weit unter dem EU-Durchschnitt“.

Für GR Nikolaus Kunrath (Grüne) sei die Wiener ÖVP keine Europapartei mehr. Während die Partei auf EU-Ebene sogar für die Aufnahme von Flüchtlingen gestimmt habe, stellt die Wiener ÖVP im Gemeinderat nun einen gegenteiligen Antrag, kritisierte er. Er warnte vor Finanzhilfen sowie Geldspenden in Afghanistan. „Das ist absurd. Geben wir den Taliban noch mehr Geld?“ Er stellte auch klar, dass der Antrag der Grünen für einen „sicheren Hafen“ nicht dem bereits in der Vorwoche beschlossenen Antrag entspräche, sondern über die Beschlüsse hinausgehe.

GRin Sabine Keri (ÖVP) kritisierte den Vorschlag von Bürgermeister Ludwig zur Aufnahme von Frauen aus Afghanistan. Dieser wolle „handverlesen“ bestimmen, welchen Frauen geholfen werden solle – nämlich Frauen in vergleichsweise privilegierten Positionen. Diese Bewertung sei alles andere als „dienlich“. Auch die Kritik, man würde mit Hilfe vor Ort die Taliban fördern würde sie verwundern. Die Bundesregierung habe beschlossen, 18 Millionen Euro aus dem Auslandshilfefonds für Katastrophenfälle an Organisationen zu zahlen, die Hilfe vor Ort leisten. Keri erwähnte in diesem Zusammenhang die UNHCR, die UN-Women und das Welternährungsprogramm. Initiativen zum Re-Settlement von Frauen aus Afghanistan in Österreich sah Keri generell kritisch und kontraproduktiv: Es gebe derzeit nur einen offenen Grenzübergang. Selbst internationale Katastrophenhelfer kämen nicht nach Afghanistan um „ihre Leute rauszuholen“. „Sie wollen 300 Frauen schutzlos auf den Weg zum einzigen Grenzübergang schicken“ kritisierte sie den Vorschlag von Bürgermeister Ludwig. In Wien sei man bereits jetzt „an der Grenze des Machbaren“. Daher forderte Keri: „Helfen wir vor Ort. Helfen wir auch der Mutter mit 13 Kindern, die sich über eine Schale Reis freut“.

(Forts.) gaa

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