Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 28.10.2021:
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14. Wiener Gemeinderat (8)

Dringliche Anfrage

Um 16 Uhr wurde die Tagesordnung im Stadtparlament für die Behandlung einer „Dringlichen Anfrage“ unterbrochen. Die Grünen hatten die „Dringliche“ an Bürgermeister Michael Ludwig eingebracht, betreffend „Inseratenkorruption und frisierte Umfragen stoppen; keine Inserate für Medien, die - bei aller Unschuldsvermutung - unter dem dringenden Tatverdacht von Korruption und Bestechung stehen.“

GR David Ellensohn (GRÜNE) lieferte die Begründung für die „Dringliche“: Das politische Ziel der Anfrage sei es, kritischen, unabhängigen Journalismus zu stärken. Offensichtlich würden sich einige davor fürchten, was freie Journalist*innen schreiben – im Bund und auch der Stadt. Medien bräuchten eine ordentliche Presseförderung und dürften nicht von Inseraten abhängig sein. „Wer Journalismus kauft, greift Demokratie in einer der Grundfesten an“, warnte Ellensohn. Viele Politiker*innen würden nach dem Ausscheiden aus der Politik berichten, wie ein Medienhaus während ihrer Amtsperiode mit ihnen umgegangen sei; diese Politiker*innen aus verschiedenen Parteien berichteten ähnlich über einen Zusammenhang zwischen der Kürzung von Inseratenbudgets und Druck von Seiten eines Medienmachers, sagte Ellensohn. Das Medium „dossier.at“ hätte ausführlich dazu recherchiert. Das System „Inserat für Berichterstattung“ hätte vermeintlich Werner Faymann als Wohnbaustadtrat in Wien begonnen, sagte Ellensohn. Schon damals hätten die Grünen davor gewarnt, dass die Inserate „zu viel“ werden. Ebenso die NEOS, ergänzte Ellensohn. Wien würde mehr schalten als alle anderen acht Bundesländer; pro Kopf gerechnet würde von der Stadt mehr inseriert als von der Bundesregierung, kritisierte Ellensohn. Die Grünen in der Bundesregierung versuchten auch das Inseratenvolumen zu bremsen. Wie die Grünen sollten auch die NEOS in der Stadt vom großen Koalitionspartner nicht „alles durchdrücken lassen“, meinte Ellensohn. In der vergangenen rot-grünen Koalition hätten die Grünen versucht die Werbeausgaben zu drosseln. Ellensohn zitierte aus einer Tageszeitung, die auch vorteilhafte Umfragen für Kurz veröffentlich hatte. Die Umfragen – vom selben Institut, das auch großen Zuspruch für Bundeskanzler Kurz gemessen hatte – hätte auch Ludwig immer wieder gute Noten in mehreren im selben Medium veröffentlichten Umfragen ausgestellt. Im Bund sei mit diesen – so Ellensohn laut Verdacht der Staatsanwaltschaft frisierten – Umfragen Politik gemacht worden; Umfragen desselben Instituts seien auch im Zuge des Wien-Wahlkampf und rund um die Kür von Michael Ludwig als Landesparteichef vom selben Medium veröffentlicht worden, behauptete Ellensohn. Aktuell wollte der Grünen-Klubchef auch eine „Zuneigung“ oder jedenfalls wohlwollende Berichterstattung des betreffenden Mediums zum Projekt des Lobautunnels und dem Bau der Stadtstraße erkennen. Ellensohn kündigte einen Antrag an, in dem die Grünen ein Inseraten-Aus für ein in den sogenannten „Inseraten-Skandal“ und Ermittlungen der Staatsanwaltschaft verwickeltes Medium forderten.

Bgm Dr. Michael Ludwig (SPÖ) erklärte in der seiner Anfrage-Beantwortung, dass der mediale Wandel „rasend schnell“ voranschreite, auch die Stadt müsse sich darauf einstellen. Klassische Zielgruppen würden aufgrund immer mehr individualisierter Lebensmuster schwieriger fassbar. Die Stadt bekenne sich dazu, dass „Information eine kommunale Bringschuld“ sei. „Wer heutzutage eine Rolle im Leben der Menschen spielen möchte, hat es schwerer als jemals zuvor“, sagte Ludwig. Die Aufmerksamkeit der Bürger*innen sei immer schwerer zu erreichen. Das Werbebudget der Stadt hätte sich seit 2015 reduziert; nur 0,15 Prozent des Stadtbudgets wurden für werbliche Information eingesetzt, erklärte Ludwig. Er, Ludwig, hätte bereits 2018 gemeinsam mit dem Medien-Stadtrat Peter Hanke angefangen, die Wiener Stadtkommunikation neu auszurichten und auf zeitgemäße Beine zu stellen. Wesentliches Element dafür sei die „Wiener Medieninitiative“. „Für drei Jahre hat Wien insgesamt 7,5 Mio. Euro in zwei Förderschienen bereitgestellt. In der Kategorie ‚Medienstart‘ werden journalistische Kleinprojekte bis zu 10.000 Euro gefördert. In der Kategorie ‚Medienprojekt‘ gibt es bis zu 100.000 Euro für Projekte“, sagte Ludwig. Über die Förderung entscheide eine Fach-Jury mit namhaften – auch internationalen – Expert*innen und Medienwissenschafter*innen. 96 Projekte seien seit dem Start gefördert worden, die Förderung werde auch 2022 verlängert. Bei werblicher Information setzte Wien auf die vom Presse- und Informationsdienst durchgeführte „Mediendiskursstudie Wien“. Die Studie ermögliche, die Mediaplanung der Stadt evidenzbasiert durchzuführen. Bei den Umfragen im Auftrag der Stadt verwies Ludwig auf eine schriftliche Anfragebeantwortung zum Thema „Meinungsforschung im Auftrag der Stadt Wien“ an Stadtrat Peter Hanke. Umfragen seien insofern wichtig, um abschätzen zu können, welche konkreten Bedürfnisse die Menschen in Wien hätten und was sie sich von der Wiener Stadtverwaltung erwarten, erklärte Ludwig. Die Stadt könne dann auf dieser Basis Angebote und Services an die Anforderungen anpassen. Eine „ausnehmend wohlwollende Berichterstattung für mich“ im von den Grünen angesprochenen Medium könne er nicht erkennen, betonte Ludwig. Er erinnerte daran, dass er in den Medien für die strengeren Maßnahmen rund um Corona scharf kritisiert worden sei – Maßnahmen, die sich auf lange Sicht aber ausgezahlt hätten, wie die aktuellen Corona-Zahlen in Wien zeigten. Die Ausgaben für Werbung der Stadt seien transparent im Rechnungsabschluss ablesbar – und seit 2015 von Jahr zu Jahr rückläufig. Für das Jahr 2021 seien für das erste und zweite Quartal 12,5 Millionen Euro an die Medienbehörde RTR gemeldet worden. Für das dritte Quartal 2021 seien weitere 4,7 Millionen Euro bekanntgegeben worden. Im Rahmenkommunikationsplan des Presse- und Informationsdienstes seien für 2021 vom Wiener Gemeinderat 20,3 Millionen Euro genehmigt worden, erinnerte Ludwig. Zu den höheren Kommunikationsbudgets Wiens für Information im Vergleich zu anderen Bundesländern betonte Ludwig, dass „nicht nur Land, sondern auch Gemeinde und Statutarstadt ist. Die meisten Services und Inhalte, die Wien als Stadt und damit nicht als Bundesland kommuniziert, betreffen die anderen Bundesländer nicht, da sie dort von den Gemeinden direkt übernommen werden.“ In Medien werde von der Stadt Wien „zu keinem Thema etwas gekauft“, stellte Ludwig klar. Sollte in einem Medium inseriert worden sein, dann zu verhandelten Mediapreisen und nach dem Medienkooperations- und Medienförderungs-Transparenzgesetz entsprechend gekennzeichnet. Zur laut Ellensohn „wohlwollenden“ Berichterstattung zum Thema Lobautunnel und Stadtstraße – also der Lückenschluss der Nordostumfahrung – konterte Ludwig, dass Wien demokratische Beschlüsse für den Bau im Gemeinderat und im Bund kommunizieren und auch vertreten würde. Diese Beschlüsse seien „in den letzten 10 Jahren auch mit den Stimmen der Grünen erfolgt“, sagte Ludwig. (Forts.) ato

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