Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 29.11.2021:
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16. Wiener Gemeinderat (12)

Beratung der Geschäftsgruppe Kultur und Wissenschaft

GR Dr. Josef Mantl, MA (ÖVP) sagte, die Corona-Krise hätte die Kulturszene von Beginn an mit voller Wucht erwischt, deshalb müsse die Politik den Kulturschaffenden mit sinnvollen Maßnahmen unter die Arme greifen. Die Weiterentwicklung von Fördermaßnahmen sei längst überfällig, sagte Mantl. Einiges hätte sich in den letzten Jahren verbessert; nach wie vor gebe es jedoch zu wenig Transparenz und Effizienz bei der Kulturförderung. Er wiederholte seine Forderung, abgelehnte Subventionsanträge an den Kulturausschuss offenzulegen und den Ausschuss über die abgelehnten Ansuchen zu informieren. Außerdem forderte er bessere Informationen und mehr Unterlagen für den Ausschuss, konkret Tätigkeitsberichte und Finanzierungskonzepte der Antragsteller*innen. Es brauche Kennzahlen und konkrete Vereinbarungen über Ziele mit den Subventionsnehmer*innen; Subventionen müssten auch an die Erfüllung von Zielen geknüpft werden. Er zitierte aus einem Stadtrechnungshofbericht zum Theater am Petersplatz, in dem die Kontrollor*innen einen lockeren Umgang mit Freikarten und einen sehr hohen Zuschussbedarf pro Besucher*in bemängelt hätten. Es sei unfair, dass einzelne Kultureinrichtungen „überfördert“ würden, während andere um ihr Überleben bangen müssten. Er brachte mehrere Anträge ein, betreffend mehr Transparenz bei der Fördervergabe und Fairness bei der Subventions-Verteilung.

GRin Patricia Anderle (SPÖ) sagte, Kunst und Kultur würden Menschen unabhängig vom sozialen Status verbinden, machten „Lust auf die Zukunft und das Leben“. Das Doppelbudget bringe mehr Stabilität für die Kultureinrichtungen. Gerade jetzt sei es wichtig, die niederschwelligen und kleinen Kulturinitiativen zu fördern, sagte Anderle. Aus dem Kulturbudget für 2022 und 2023 würden deshalb verstärkt lokale Kulturinitiativen in den Bezirken wie SoHo Ottakring oder die Kulturprojekte am Schlingermarkt und Initiativen für Kunst im Gemeindebau als Grätzl-Zentrum gestärkt. Im Sinne des Fair Pay würden auch die Gagen für Künstler*innen erhöht, sagte Anderle.

GR Petr Baxant, BA (SPÖ) sagte, Corona hätte das alte Denken über Arbeit und Kunst massiv in Frage gestellt. Viele Menschen hätten während des ersten Lockdwons ihrer Lohnarbeit nicht mehr nachgehen können oder dürfen – „die Lösung war, dass man den Menschen ein Einkommen zur Verfügung stellt, um ihren Alltag und ihre Familie zu ernähren“. Ein Beispiel dafür war die Kurzarbeit, erklärte Baxant. Auch für Unternehmen hätte es Wirtschaftshilfen gegeben. In Wien hätte die Kulturstadträtin Arbeitsstipendien für Künstler*innen und aus einer einmalige Soforthilfe als dauerhafte Förderinstrumente der Kunst- und Kulturförderung weiterentwickelt. Wien investiere 1,5 Mio. Euro in die Sparten Theater, Performance, Komposition, Literatur, Dramatik oder Medienkunst. Menschen bräuchten Einkommen um zu Arbeiten – nicht umgekehrt, argumentierte Baxant: „Das ist ein Paradigmenwechsel!“ Die Arbeitsstipendien für Künstler*innen seien mit einem Grundeinkommen vergleichbar. Das Einkommen nehme Angst und Perspektivenlosigkeit und ermögliche Kreativität und künstlerische Innovation.

GRin Mag. Nicole Berger-Krotsch (SPÖ) ging als letzte Rednerin der Debatte auf einige wesentliche Aspekte des Kulturbudgets ein. So stünden mehrere Projekte des KÖR (Kunst im öffentlichen Raum) schon in den Startlöchern – vor allem in Zeiten der Pandemie und Lockdowns sei die Kunst im öffentlichen Raum wichtig um Horizonte zu öffnen und die Auseinandersetzung mit Kunst zu ermöglichen. Zum Portfolio des KÖR gehörten Projekte rund um die Aktionswoche „16 Tage gegen Gewalt an Frauen“, feministische Kunstprojekte oder Kunst, die sich an Kinder und Jugendliche richtet. Wien wolle die kinder- und jugendfreundlichste Stadt werden – dazu gehöre auch die Förderung vom Kinder- und Jugendtheater Dschungel oder des Kinder- und Jugendfilmfestivals. Mit Fair Pay schaue die Kulturstadträtin auch darauf, dass Künstler*innen und insbesondere Frauen im Kulturbetrieb fair bezahlt würden.

Amtsf. StRin Mag. Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) sagte, sie sei beeindruckt vom Engagement aller Redner*innen für mehr Budget für die Kultur: „Das zeigt, dass Kunst und Kultur geschätzt werden“. Zum Kultur-Budget meinte Kaup-Hasler: „Ja, ich hätte natürlich gern mehr Geld gehabt, wir gehen aber gut mit dem Geld um, das zur Verfügung steht“. Die Teilhabe an Kunst und Kultur und die Ermöglichung von Kunst seien große Herausforderungen – eine Lösung, Kunst zu ermöglichen sei die Initiative „Fair Pay“ für Künstler*innen. Fair Pay hätte Wien international berühmt gemacht, sagte Kaup-Hasler. Diese klare Themensetzung und das Committment für Künstler*innen zeichne die Stadt aus. So sei auch die Etablierung von Arbeitsstipendien „einzigartig und vorbildgebend“, sagte Kaup-Hasler. Die Kritik der Opposition, das Kulturbudget würde stagnieren, ließ Kaup-Hasler nicht gelten: Mit dem Budget aus den ersten Jahren sei der Fokus auf „repair and care“ gelegen – in der ersten Zeit sei der Anstieg des Budgets besonders hoch gewesen, jetzt steige das Kulturbudget weniger schnell aber kontinuierlich – seit ihrem Amtsantritt immerhin um insgesamt 28 Prozent, wie Kaup-Hasler betonte. Derzeit herrsche große Skepsis gegenüber der Wissenschaft, sagte die Kulturstadträtin, die auch für die Wissenschaftsförderung zuständig ist. Das zeige sich besonders dramatisch in der niedrigen Impfrate. Aus der Corona-Krise sei ein Fazit zu ziehen: Das Vertrauen in Wissenschaft und Politik müsse wiederhergestellt werden. Ein Beispiel für die Wiederherstellung von Vertrauen in Politik und Wissenschaft sei die Historikerkommission zur Rothschild'schen Stiftung, die auf Fakten gesetzt hätte. Die Wissenschaftsförderung sei mit der Kulturförderung erhöht worden, ein Fokus liege auf der Vermittlung von Wissenschaft: „Wir müssen das, was wir in Grundlagenforschung erarbeitet haben, auch besser an die Bevölkerung vermitteln.“ Ein Fokus in der Kulturförderung liege auch auf der „Freien Szene“, ebenso bei den Ankerzentren in den Bezirken, die oft Arbeitsstätten für die „Freie Szene“ seien. Abschließend bedankte sich die Kulturstadträtin bei allen Kunstschaffenden, ohne sie gebe es keine Kulturstadt Wien.

Die Debatte des Gemeinderats zum Doppelbudget für die Jahre 2022 und 2023 wurde um 20.35 Uhr unterbrochen. Morgen folgen die Debatten zu den weiteren Ressorts sowie die Abstimmungen. Die Rathauskorrespondenz wird morgen, Dienstag, ab 9 Uhr berichten. (Forts.) ato

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