Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 20.12.2021:
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17. Wiener Gemeinderat (11)

Dringliche Anfrage

GR Kilian Stark (GRÜNE) kritisierte die „besondere Chuzpe“ von Bürgermeister Ludwig, der es „nicht für Wert befunden habe, auch nur eine Frage zu beantworten“ und auch nicht die „Größe habe“, der restlichen Debatte beizuwohnen - er forderte Ludwig auf, das Interpellationsrecht der Opposition zu wahren. Die von der Stadt versendeten Klagsdrohungen bezeichnete Stark als „Grenzüberschreitung“ und als „Einschränkung der Meinungsfreiheit“. Der Bürgermeister stehe nicht zu den Klimazielen der Stadt, sagte Stark. Angesichts der Klimakrise und des Pariser Klimaabkommens müsse man Projekte neu bewerten. Auch die Grünen seien hier „gescheiter“ geworden. Stadträtin Sima habe sich zwar dafür entschuldigt, dass das Schreiben auch an Minderjährige gegangen sei, dass es zum Beispiel „wahllos“ auch an Wissenschafter*innen geschickt wurde, sei aber offenbar „kein Problem“. „Während die Stadt Wien eine Kampagne zum Thema Fake News fährt, verbreitet sie selbst Fake News“, kritisierte Stark die Kommunikation der Stadt zur Stadtstraße. Der Klimacheck der Asfinag habe ergeben, dass der Lobautunnel ganz klar im Widerspruch zum Pariser Klimaziel stehe. Auch die Stadtstraße sei nicht „durchgewunken“ worden, sie sei nicht Teil des Klimachecks gewesen, da sie in die Verantwortung der Stadt falle. Stark forderte einen solchen Check für die „Stadtautobahn“, die er als „teuerste Sackgasse Österreichs“ bezeichnete. Auch das Argument, die Stadtstraße sei ein Beitrag zu einer klimafreundlichen Verdichtung der Stadt, sah Stark kritisch: eine Autobahn fördere Zersiedelung – das habe bereits Bürgermeister Slavik Anfang der 70er Jahre erkannt. Er forderte die Stadtregierung auf, die Evaluierung des Lobautunnels anzuerkennen, vertrauensbildende Maßnahmen in die Wege zu leiten, einen Weihnachtsfrieden auszurufen und das Gesprächsangebot der Aktivist*innen ernst zu nehmen. Er brachte drei Anträge ein: zur Einrichtung eines Klimajugendrats, zur Aufnahme von Deeskalationsgesprächen und zum Weihnachtsfrieden in den Stadtstraßen-Baustellen.

GRin Mag.a Nina Abrahamczik (SPÖ) entgegnete ihrem Vorredner Stark: „Nicht alles, wozu Sie eine andere Meinung haben, sind Fake News – so funktioniert das nicht“. Sie wolle Fakten statt Emotionen in die Debatte bringen: Seit Monaten würden Aktivist*innen eine Baustelle besetzen – zuerst wegen des geplanten Lobautunnels, nach dessen Stopp konzentriert sich der Protest gegen die Stadtstraße. Entgegen den Behauptungen sei die Stadtstraße keine Autobahn, sondern eine normale Gemeindestraße, die die Seestadt mit der Tangente verbinden solle und zudem in der UVP zum Stadterweiterungsgebiet Aspern Nord vorgeschrieben sei. Damit hänge laut Abrahamczik der Bau von Wohnungen für 60.000 Menschen vom Bau der Stadtstraße ab. Die geforderte Redimensionierung des Projekts würde zu „massiven Verzögerungen“ führen, die auch den notwendigen Wohnbau verzögern würde. Würden die benötigten Wohnungen in der Donaustadt nicht gebaut, käme es zu Umsiedlung ins niederösterreichische Umland, was wiederum zu mehr Pendlerverkehr führe, warnte Abrahamczik. Die Stadtstraße sei unter grünen Stadträtinnen geplant worden, die beide auch für Klimaschutz und Beteiligung zuständig gewesen seien. Sie verstehe auch nicht, warum die Grünen und auch die grüne Verkehrsministerin mit der S10 in Oberösterreich keine Probleme hätten. Zudem sei auf der Website des Ministeriums zugesichert worden, dass die Asfinag, die für den Wohnbau in der Donaustadt notwendigen Abschnitte der Spange errichten werde. Die Stadtstraße sei nicht „aus dem Nichts aufgetaucht“. Sie sei demokratisch beschlossen, jede Fraktion im Gemeinderat habe einen Teil beigetragen. Nur die Grünen hätten beschlossen, das zu ignorieren. Die Klimakrise werde nicht in der Donaustadt entschieden, fuhr Abrahamczik fort. Wien habe „zig Programme“ und Projekte zum Klimaschutz umgesetzt und geplant. Abrahamczik erwähnte etwa die Donauinsel, das Sammelspeicherbecken Simmering, die energieautarke Simmeringer Kläranlage, die Photovoltaikoffensive und das 365 Euro Jahresticket. Die Zukunft der Jugendlichen werde nicht ignoriert, das zeigten „Werkstadt Junges Wien“, das Kinder- und Jugendparlament und die Tatsache, dass Fridays For Future Teil des Wiener Klimarats sei. „Wien wächst, das bringt Herausforderungen mit sich. In Wien gehen Stadtentwicklung und Klimaschutz Hand in Hand“, schloss Abrahamczik.

GRin Dipl.-Ing.in Huem Otero Garcia (GRÜNE) versetzte sich in die Lage der protestierenden Jugendlichen: Sie verstehe die Angst und Wut der jungen Menschen, „die verstanden haben, dass wir in der Klimakrise eine Notbremse ziehen müssen“. Es gehe in der Klimakrise nur mehr darum, mit einem „blauen Auge“ davonzukommen. „Wer keine Angst vor der Klimakatastrophe hat, hat nicht verstanden, was auf uns zukommt, wenn Pariser Klimaziele nicht erreicht werden“, warnte Otero Garcia. Die Jugend habe diesen „großen Rucksack“ zu tragen und anstatt die Sorgen ernst zu nehmen, habe die Stadt Klagsdrohungen versandt. Die SPÖ habe nicht verstanden, dass diese Generation „nichts zu verlieren“ habe. Vielmehr habe sie die „historische Aufgabe“ aufzubegehren – auch mit zivilem Ungehorsam. Auch sie sei wütend, diese Wut sei aber kein „guter Ratgeber, genauso wenig wie Sturheit oder falscher Stolz“. Sie lud die Sozialdemokratie ein, „auf die richtige Seite der Geschichte zu kommen“, es gebe „genug Platz in der Klimabewegung“ für die Sozialdemokratie. (Forts.) gaa

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