Archivmeldung der Rathauskorrespondenz vom 20.12.2021:
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17. Wiener Gemeinderat (8)

Dringliche Anfrage

Um 16 Uhr wurde die Tagesordnung im Gemeinderat für die Behandlung einer „Dringlichen Anfrage“ unterbrochen. Die Grünen hatten die „Dringliche“ an Bürgermeister Michael Ludwig eingebracht, betreffend „Einschüchterungsversuche der Stadt Wien gegenüber der Klimabewegung stoppen“.

GRin Heidi Sequenz (GRÜNE) lieferte die Begründung für die Dringliche Anfrage. Sie erwähnte, die Kriminalisierung von Umweltschützer*innen und Klagsdrohungen gegen diese seien eine "neue Dimension" in dieser Stadt. Sie verurteile diese Vorgehensweise aufs Schärfste. 45 Personen hätten einen Drohbrief erhalten – Schüler*innen, Studierende, NGOs, Wissenschafter*innen und andere. Sie stellte fest „wenn man junge Menschen die sich für Umweltschutz und Klimaschutz einsetzen verklagt, sind einem die Argumente ausgegangen.“ Es seien Menschen aus allen Lebensbereichen in den Camps. Wir hätten diese Erde nur von unseren Kindern geborgt und Bürgermeister Ludwig hätte die Pflicht, die Stadt so zu übergeben, dass die nachfolgende Generation auch weiter hier leben könne. „Die Evaluierung ließ gar nichts anderes zu, als die Absage des bodenfressenden Projekts“, so Sequenz zum Lobautunnel. Auch die ASFINAG habe das Projekt mittlerweile eingestampft, eine wichtige Entscheidung im Sinne des Klimaschutzes. Sie forderte den Bürgermeister auf, das Projekt Stadtstraße ebenfalls neu zu bewerten und zu stoppen. Wien habe sich hohe Klimaziele gesetzt, bei Mobilität bleibe sie die Umsetzung aber schuldig. Das Schreiben sei "ein chaotischer Rundumschlag", manche, die nur durch Facebook-Postings Solidarität gezeigt hätten, hätten das Schreiben bekommen, andere, die bereits von Anfang an dabei waren, allerdings nicht. Die Klagsdrohung verfolge laut Sequenz das Ziel zu verunsichern und Menschen "in Angst und Schrecken zu versetzen" – nicht nur die Empfänger*innen, sondern alle Menschen, die sich engagieren wollen. Die SPÖ habe das Verständnis für das Leben der Menschen da draußen verloren, stellte Sequenz fest. Zum Abschluss ihrer Begründung äußerte sie die Hoffnung, dass die SPÖ nach Zwentendorf und Hainburg auch dieses Mal die Gelegenheit nutzen möge, umzukehren und auf die richtige Seite zu wechseln.

Bürgermeister Dr. Michael Ludwig (SPÖ) wies eingangs seiner Anfragebeantwortung darauf hin, dass die SPÖ auf der Seite der Vereinbarungen stehe, die zehn Jahre hindurch in einer rot-grünen Stadtregierung getroffen worden waren. „Als Bürgermeister und Landeshauptmann von Wien werde ich gemeinsam mit Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner alle rechtlichen Schritte setzen, damit die Verkehrsprojekte, die über viele Jahre geplant worden sind auch umgesetzt werden.“ Zum Kern der Dringlichen Anfrage stellte der Bürgermeister fest, die Stadt Wien baue im 22. Bezirk auf die nachhaltigste und klimaschonendste Weise Wohnungen für mehr als 60.000 Menschen. Der massive Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel U-Bahn, Schnellbahn, Straßenbahn und Busse habe längst begonnen, aber diese Menschen bräuchten, so wie alle anderen Wienerinnen und Wiener auch, auch ein leistungsfähiges Straßennetz. „Weil Wien immer schon auf alle Bürger*innen dieser Stadt Rücksicht nimmt, wurde diese Stadtstraße ökologisch durchdacht, schon früh so geplant, dass sie über weite Strecken untertunnelt wird, um die alten Ortskerne von Aspern und Hirschstetten vom Durchzugsverkehr zu befreien“, so der Bürgermeister. Er bezeichnete die Verbindung von den 60.000 Menschen in der Seestadt zur Südosttangente als notwendig. Denn 60.000 Menschen – das seien so viele, wie die niederösterreichischen Landeshauptstadt St. Pölten Einwohner*innen habe. Bei der Stadtstraße handle es sich um eine ganz normale Straße wie die Wiedner Hauptstraße, die Lassallestraße oder die Altmannsdorfer Straße mit Tempo 50. Bezüglich des Ausbaus des öffentlichen Verkehrs hob Michael Ludwig hervor, dass allein heuer über 500 Millionen Euro investiert worden seien, dreimal so viel wie in Straßenbau- und Straßenerhalt. Gerade für die Donaustadt gebe es viele Projekte und die U2 wäre in die Seestadt gefahren, "bevor ein einziger Mieter" hingezogen sei.  Anschließend zitierte der Wiener Bürgermeister den grünen oberösterreichischen Landesrat Stefan Kaineder mit den Worten: „Hier geht es um den Schutz der Menschen vor Lärm und Emissionen, der internationale Schwerverkehr darf hier nicht länger durch das Stadtzentrum brettern!“ In diesem Zitat gehe es um kleine Orte und Städte im Mühlviertel, die Kaineder entlasten wolle. Er, Ludwig, verstehe und unterstütze dieses Anliegen. Zu den erwähnten Briefen an die Aktivist*innen hielt Michael Ludwig fest, dass es sich dabei um Aufforderungsschreiben und nicht um Klagsdrohungen handle. Die Stadt habe monatelang auf Dialog gesetzt. Nun hat sie in einem Aufforderungsschreiben die Aktivistinnen und Aktivisten dazu aufgerufen, die Baustelle zu verlassen. Die gegenständlichen Schreiben hätten vor allem informativen Charakter und sollen die Aktivist*innen darüber aufklären, welche rechtlichen Konsequenzen ihr Handeln nach sich ziehen könne. Die Alternative zu diesem Brief sei die Räumung. Die Stadt hätte dennoch immer auf Gespräche gesetzt. Es habe mehrere Gesprächsrunden gegeben und die Stadt habe jegliche Eskalation vermieden. „Nach dem ,Nein‘ von Frau Bundesministerin Gewessler zum Lobautunnel gebe es keinen Grund für die Besetzung der Baustelle in der Hausfeldstraße, formulierte der Bürgermeister. Das Aufforderungsschreiben sei an Besetzer*innen sowie jene Personen und Organisationen gegangen, die zur Besetzung aufrufen und diese unterstützen. Weiters an Personen, die eine Organisation vertreten, die die Besetzung initiiert hat. Wenn Menschen in unsere Stadt kommen und leistbaren Wohnraum brauchen, dann sei es auch notwendig, dass man den entsprechend organisiere.  Die von manchen geforderte Redimensionierung der Stadtstraße würde massive Verzögerungen um Jahre mit sich bringen. In dieser Zeit könne kein leistbarer Wohnraum für zigtausende Menschen errichtet werden - "Wohnraum, den wir dringend benötigen“, so Ludwig weiter. Als Klimamusterstadt fände in Wien der Öffi-Ausbau seit Jahrzehnten auf Hochtouren statt. Schon immer habe die Stadt Wien zuerst auf den Ausbau der Öffis gesetzt, so auch in der Donaustadt: Die S-Bahn (S80) verbinde die Seestadt über die Station Aspern Nord in nur rund 20 Minuten mit dem Hauptbahnhof. Die Linie 26 fährt von Strebersdorf über Floridsdorf (U6) und Kagraner Platz (U1) bis zur Hausfeldstraße (U2). „Aktuell werden die Straßenbahnen jenseits der Donau ausgebaut“, hielt der Wiener Bürgermeister fest: Die Route der geplanten Linie 27 werde ab Herbst 2025 von Strebersdorf über die bestehende Strecke der Linie 26 bis zur Zanggasse und bis zur U2-Station Aspern Nord führen. Die Linie 25 sei ebenfalls in Planung, sie hänge aber eng mit dem Bau der Stadtstraße Aspern zusammen. Für die neue Straßenbahntrasse brauche es Platz, der durch die Verkehrsreduktion im Ortskern von Aspern frei werde. Für die S-Bahn gebe es ein breites Ausbaupaket, das in der Kompetenz des Bundes liege. Die Stadt Wien arbeite hier eng mit dem Bund zusammen. Auch an bundesländerübergreifenden Straßenbahnen werde intensiv geplant. Drei Punkte wären laut Ludwig vereinbart gewesen, um das Stadtentwicklungsgebiet Seestadt zu erschließen: der Ausbau des öffentlichen Verkehrs,  das Parkpickerl in ganz Wien und der Ausbau des Straßenverkehrsnetzes. „In der Donaustadt leben rund 200.000 Menschen, das ist fast eine Verdoppelung in den letzten Jahrzehnten“, so der Bürgermeister, „Wir sind es der Donaustädter Bevölkerung schuldig, dass wir dort eine Verkehrsentlastung herbeiführen.“ Wie eine Studie aus dem Jahr 2017 im Auftrag der damaligen grünen Verkehrsstadträtin Vassilakou zeige, bringe die Stadtstraße eine Entlastung von Aspern um 8.000 und Hirschstetten um 6.000 Fahrzeuge am Tag. Weiters betonte der Bürgermeister, dass Wien den geringsten Bodenverbrauch österreichweit habe und zwar trotz Bevölkerungswachstums. Der Bodenverbrauch pro Kopf sei seit 2005 um rund 18 Prozent gesunken, obwohl Wien im gleichen Zeitraum 40 Prozent des gesamtösterreichischen Bevölkerungszuwachses gestemmt habe. Auch bei Neubauwohnungen benötige Wien mit nur 26m² bebauter Grundfläche pro Neubauwohnung mit Abstand am wenigsten Boden. In Niederösterreich sind es 108m² und im Burgenland sogar 126m², sagte Ludwig. „Es ist unverantwortlich, Projekte, die jahrelange Planungen und Rechtsverfahren benötigen, wo hunderte Millionen Euro an Steuermitteln bereits investiert wurden, einfach vom Tisch zu wischen“, so Ludwig weiter. Abschließend stellte er fest, die S1 Nordostumfahrung sei in der geltenden Fassung Bestandteil des Bundesschnellstraßengesetzes. Die Stadt Wien gehe davon aus, dass sich Bundesminister*innen, Bundesministerien und Bundeseinrichtungen an geltende Gesetze halten. (Forts.) sci

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